Kaffeetrinken im Betrieb kann unter Umständen eine betriebliche Tätigkeit sein. Wer sich also beim Kaffeetrinken verschluckt und dabei verletzt, hat gute Chancen, dass der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Kaffeetrinken in einem betrieblich organisierten Zusammenhang erfolgt, wie zum Beispiel bei einem Meeting. So entschied das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG S-A) am 22.05.2025 (L 6 U 45/23)
Meeting mit Kaffee
Geklagt hatte ein Mitarbeiter einer Baufirma. Dieser arbeitete als Vorarbeiter und traf sich jeden Morgen im Baucontainer mit seinen Mitarbeitern. Abends zuvor bereitete der letzte Mitarbeiter im Baucontainer die Kaffeemaschine vor. Am darauffolgenden Morgen dann stellte ein Mitarbeiter die vorbereitete Kaffeemaschine an. Wer morgens im Baucontainer war, trank den Kaffee, der von den Mitarbeitern abwechselnd bereitgestellt wurde, so auch an einem Tag im Februar 2022.
Sturz nach Verschlucken
Der Kläger hielt sich mit seinen Kollegen frühmorgens im Baucontainer auf. In seiner Funktion als Vorarbeiter gab er die Wochenstunden seiner Mitarbeiter in die EDV ein. Dazu trank er routinemäßig seinen Kaffee. Plötzlich verschluckte sich der Kläger am Kaffee. Er ging mit der Hand vor dem Mund hinaus und stürzte am Ausgang des Baucontainers, weil ihm schwarz vor den Augen wurde. Bei dem Sturz fiel der Kläger mit dem Gesicht auf ein Gitter. Er verletzte sich schwer und erlitt unter anderem eine Nasenbeinfraktur. Der Kläger musste mehrere Tage im Krankenhaus behandelt werden
BG lehnt Arbeitsunfall ab.
Die Baufirma meldete den Unfall als Arbeitsunfall bei der Berufsgenossenschaft. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Haftung allerdings ab mit der Begründung, Kaffeetrinken sei Privatvergnügen und nicht mitversichert. Der Kläger legte Widerspruch ein und erhob Klage vor dem Sozialgericht, beides ohne Erfolg. Das LSG S-A gab dem Kläger allerdings Recht.
Kein Arbeitsunfall bei menschlichem Grundbedürfnis
Grundsätzlich sei die Aufnahme von Nahrung und Getränken am Arbeitsplatz zwar nicht gesetzlich unfallversichert, so das Gericht. Dies gilt zumindest dann, wenn damit lediglich ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird. Dies stellte das Bundessozialgericht im Jahr 2022 klar (Urteil vom 31.03.2022 – B 2 U 5/20 R).
Kaffeetrinken in dienstlicher Besprechung ist betrieblich veranlasst
Bei dem Kläger diente das Kaffeetrinken jedoch als sozialtypisches Verhalten (auch) betrieblichen Zwecken, so das LSG S-A. Das Kaffeetrinken war hier integraler Bestandteil der rein dienstlichen Besprechung über die Arbeit. So ging es aus den Aussagen der vernommenen Zeugen hervor. Der gemeinsame Kaffeegenuss während der Einsatzplanung im Baucontainer bewirkte eine positive Arbeitsatmosphäre. Der Arbeitgeber wusste und wollte diese. Er selbst sorgte in der Vergangenheit wiederholt für das Auffüllen des Kaffeevorrats. Das LSG S-A entschied daher, dass es sich beim Kaffeetrinken des Klägers um ein im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehendes Geschehen handelte.
BG haftet
Der Sturz war auf das Verschlucken am Kaffee zurückzuführen. Es handelte sich somit um einen Arbeitsunfall, so das LSG S-A. Die Berufsgenossenschaft muss die im Zusammenhang mit der Verletzung entstandenen Kosten übernehmen.
Allerdings hat das LSG S-A wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen. Ob der Fall wirklich beim Bundessozialgericht landet, bleibt abzuwarten.
LSG S-A, Urteil vom 22.05.2025 – L 6 U 45/23