Kosten für Fällen eines morschen Baumes sind Kosten der Gartenpflege und damit Betriebskosten (BGH, Urt. v. 10.11.2021 – VIII ZR 107/20)

Kosten für das Fällen eines morschen und nicht mehr standsicheren Baumes sind Kosten der Gartenpflege im Sinne von § 2 Nummer 10 BetrKV und können als Betriebskosten auf Mieter umgelegt werden. Das hat der BGH in einem Fall entschieden, in dem sich ein Mieter gegen die Betriebskostenabrechnung wehrte.

Dem Vermieter sind für die Fällung einer seit 40 Jahren auf dem Grundstück stehenden Birke Kosten in Höhe von 2.494,24 Euro angefallen. Diese Kosten machte der Vermieter in der Betriebskostenabrechnung geltend. Ein Mieter, auf den anteilig mit 415,29 Euro dieser Kosten entfielen, bezahlte die Betriebskosten unter Vorbehalt und klagte auf Rückzahlung gegen den Vermieter.

Der in den ersten Instanzen erfolglose Mieter hat nun auch vor dem BGH verloren. 

Fällung als “Kosten der Gartenpflege”?

Der Mieter argumentierte, dass die Fällung eines Baumes in der Betriebskostenverordnung nicht vorgesehen sei. Zwar seien „Kosten der Gartenpflege“ in § 2 Nummer 10 BetrKV genannt. Dabei müsse es sich aber, so der Mieter, um Kosten für regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen handeln. Um eine solche geht es nach Auffassung des Mieters bei der Beseitigung eines morschen Baume nicht. Vielmehr handele es sich um eine außergewöhnliche einmalige Maßnahme, die als Instandhaltung anzusehen sei. 

Diesen Argumenten erteilte der BGH eine Absage. 

Kosten der Baumfällung sind Betriebskosten

Auch die Entfernung morscher und abgestorbener Pflanzen sei eine wiederkehrende Maßnahme, da sie einem typischen Kreislauf unterliege. Dem steht nach Ansicht der höchsten deutschen Zivilrichter nicht entgegen, dass in § 2 Nummer 10 BetrKV lediglich von „Erneuerung“ von Pflanzen und Gehölzen die Rede ist und nicht deren Entfernung. Denn die Fällung falle unter den Oberbegriff „Gartenpflege“, die auch die Entfernung kranker oder abgestorbener Pflanzen umfasst.

Zwar handle der Vermieter auch im eigenen Interesse, da ihn eine Verkehrssicherungspflicht treffe und er für die Sicherheit des Grundstücks zu sorgen habe. Diese haftungsrechtliche Differenzierung sei aber, so der BGH, nicht weder geeignet noch maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Instandhaltungs- und Betriebskosten:

„Vielmehr können auch Kosten für Maßnahmen, die zudem der Wahrnehmung einer Verkehrssicherungspflicht des Vermieters dienen, als Betriebskosten umlagefähig sein.“

BGH, Urteil vom 10.11.2021 – VIII ZR 107/20

Mieter müssen sich daher unter Umständen auf hohe Forderungen einstellen, da es eine gesetzliche Begrenzung nicht gibt. Der BGH stellte außerdem klar, dass eine Billigkeitsabwägung nicht stattfindet: 

„Das Betriebskostenrecht gewährleistet nicht pauschal den Schutz des Mieters vor im Einzelfall angefallenen hohen Kosten. So ist etwa selbst ein sprunghafter Anstieg einzelner umlagefähiger Kostenpositionen kein Grund, um eine Kostentragungspflicht des Mieters für solche Kosten grundsätzlich auszuschließen. Eine allgemeine Abwägung der Interessen von Mieter und Vermieter findet im Betriebskostenrecht – über den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz hinaus – nicht statt.“

BGH, Urteil vom 10.11.2021 – VIII ZR 107/20

Auf Mieter können daher ganz erhebliche Kosten zukommen, wenn zur Mietsache ein Garten oder eine Grünfläche mit Bäumen gehört. Eine Herabsetzung der Kosten kommt nur nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Baumfällung teurer war als notwendig. 

Hintergrund

Von den Instanzgerichten wurde die Umlagefähigkeit von Kosten für die Fällung morscher Bäume bisher unterschiedlich entschieden. Teilweise verneinten Gerichte die Umlage auf die Betriebskosten unter Hinweis darauf, dass der Vermieter durch das Fällen von nicht standsicheren Bäumen nur seiner Verkehrssicherungspflicht nachkomme. Das sei nicht Sache des Mieters. Vielmehr beseitige der Vermieter einen Mangel, wobei es sich um eine Maßnahme der Instandhaltung handele. Andere Gerichte vertraten hingegen die Auffassung, dass es sich bei den Kosten der Baumfällung durchaus um Kosten der Gartenpflege handle, weil zu den Gartenpflanzen auch Bäume gehören, deren Pflege erforderlichenfalls die Beseitigung umfasst.

Der BGH hat sich nun der letztgenannten Auffassung angeschlossen. In der ansonsten tendenziell mieterfreundlichen Rechtsprechung erscheint die Entscheidung auf den ersten Blick überraschend, da prinzipiell unbeschränkte Belastungen des Mieters entstehen können. Es gibt Konstellation, in denen die Kosten für Baumfällungen noch höhere Belastungen für Mieter mit sich bringen. Im entschiedenen Fall stritten die Parteien um eine Birke. Man stelle sich ein Mietshaus mit zwei Mietern und einer zugehörigen Gartenanlage mit mehreren morschen ausladenden Weiden vor. Dort können sich die Kosten für die Fällung auf mehrere zehntausend Euro belaufen. 

Ausnahme bei atypischen Konstellationen

Eine Hintertür hat sich der BGH in der Entscheidung offengelassen. Denn der BGH schreibt, dass ein Grund für einen „grundsätzlichen“ Ausschluss von Belastungen des Mieters nicht ersichtlich sei. Mit der Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ bringt das Gericht zum Ausdruck, dass es sich um den Regelfall handelt, der durchaus Ausnahmen zulassen kann. Denkbar sind solche Ausnahmen bei atypischen Konstellationen. Im imaginären Fall des zwei-Parteien-Mietshauses mit den morschen Weiden und Fällkosten in Höhe mehrerer Zehntausend Euro gibt es für die Mieter immerhin noch einen – wenn auch kleinen – Spielraum für die Argumentation.

BGH, Urteil vom 10.11.2021 – VIII ZR 107/20

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