Keine fristlose Kündigung bei Diebstahl von geringwertigen Sachen ohne kriminelle Energie (LArbG Köln, Urt. v. 06.07.2023 – 6 Sa 94/23)

Wer seinen Arbeitgeber bestiehlt, muss grundsätzlich mit der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen. Das ist in der Rechtsprechung allgemein anerkannt. Denn in einem solchen Fall ist davon ausgehen, dass das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich erschüttert ist. Dem Arbeitgeber muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden. Er darf fristlos kündigen und muss vorher nicht abmahnen.

Fristlose Kündigung oder nur Abmahnung

Es gibt aber auch Fälle, in denen ausnahmsweise eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt ist, sondern der Arbeitgeber nur eine Abmahnung aussprechen darf.

Über einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Köln (LArbG Köln) zu entscheiden.

Der Kläger ist seit dem Jahr 2010 als Produktionsleiter in einem Industrieunternehmen beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis lief beanstandungsfrei. Der Kläger verdiente gutes Geld.

Nun sollte im Lager des Unternehmens mal ordentlich ausgemistet werden. An einem Tag im Frühjahr 2023 wollte man Plastikboxen und Kisten zur freien Mitnahme für die Mitarbeiter bereitstellen. Ein paar Tage zuvor gab es im Unternehmen ein Gespräch. In diesem Gespräch wurde klargestellt, dass ausschließlich Plastikboxen und Kisten zur freien Mitnahme bereitgestellt werden. Der Kläger war als Produktionsleiter bei diesem Gespräch anwesend.

Am besagten Tag wies der Kläger einen seiner Mitarbeiter an, drei Holzpaletten in das Auto seiner Ehefrau zu verladen. Der Kläger wollte diese Paletten am Abend beim Osterfeuer des örtlichen Sportvereins verbrennen. Gesagt, getan. Der Mitarbeiter lud die drei Paletten in das Auto der Frau. Mit dabei war der stellvertretende Produktionsleiter, der auch noch seine Hilfe beim Verladen anbot. Am Abend fanden die Paletten ihr Ende -wie geplant- im örtlichen Osterfeuer.

Kein Bewusstsein über Diebstahl

Der Vorgesetzte des Klägers bekam davon Wind und stellte den Kläger zur Rede. Immerhin handelte es sich bei den mitgenommenen Paletten ganz offensichtlich nicht um Plastikboxen oder Kisten. Der Kläger meinte daraufhin, dass es doch nur wertloser Schrott war, den er mitgenommen hatte.

Fristlose Kündigung

Der Vorgesetzte war aber anderer Meinung und kündigte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen Diebstahls. Der Betriebsrat hatte sich zuvor gegen die geplante Kündigung ausgesprochen.

Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers

Nun zog der Kläger vor Gericht. Er vertrat die Auffassung, dass die fristlose Kündigung ungerechtfertigt war und beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst sei.

Das LArbG Köln entschied nun, dass sowohl die fristlose Kündigung, als auch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung nicht gerechtfertigt waren. Grundsätzlich, so das Gericht, stellt der Diebstahl einen Kündigungsgrund dar und berechtigt in der Regel zur fristlosen Kündigung. Allerdings handelt es sich immer um eine Einzelfallentscheidung. In diesem Fall ergab die Interessenabwägung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst werden darf, so das LArbG Köln.

Keine heimliche Tat

Von Bedeutung war hier, dass die Tat alles andere als heimlich war. Ein Mitarbeiter half auf Anweisung des Klägers beim Verladen. Der stellvertretende Produktionsleiter war ebenfalls dabei. Ganz offensichtlich war dem Kläger gar nicht bewusst, dass die Mitnahme der Paletten womöglich gar nicht erlaubt war.

Geringer Wert

Außerdem handelte es sich nicht um werthaltige Produktionsmittel oder sonstige Wertsachen, sondern um geringwertige Paletten. Ob es sich um Euro- oder Einwegpaletten handelte, was nicht aufgeklärt werden konnte, war für das Gericht nicht von Bedeutung. Selbst bei Annahme, dass es sich um Europaletten handelte, waren auch diese von eher geringem Wert, so das Gericht. Zudem wollte sich der Kläger in keiner Weise bereichern. Die Paletten waren für das Osterfeuer des örtlichen Sportvereins vorgesehen.

Umstände des Einzelfalls

Bei dem Kläger handelte es sich um einen dreifachen Familienvater, der über viele Jahre beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigt ist. Selbst wenn durch den Diebstahl ein Vertrauensverlust eingetreten ist, ist eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt, so das LArbG Köln. Denn eine Abmahnung hätte in diesem Fall als milderes Mittel genügt. Hierauf weist das LArbG Köln hin.

Nach Auffassung des LArbG Köln waren wegen der Besonderheiten des Einzelfalls sowohl die ausgesprochene fristlose als auch die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung ungerechtfertigt.

Dieser Fall zeigt, dass immer auf die Umstände des Einzelfalls geschaut werden muss. Auch wenn bei einem Diebstahl am Arbeitsplatz meist die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, sind Einzelfälle denkbar, in denen eine Kündigung unverhältnismäßig ist. Etwa wenn es sich um geringwertiges Diebesgut handelt und der Täter kein Unrechtsbewusstsein hat, weil ihm seine Tat gar nicht bewusst ist.

LArbG Köln, Urteil vom 06.07.2023 – 6 Sa 94/23

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