Bestreiten der Kenntnisnahme einer Abmahnung kann Kündigung hindern (LG Berlin, Beschl. v. 28.09.2021 – 67 S 139/21)

Wenn eine Kündigung nur nach vorheriger Abmahnung zulässig ist, muss die Abmahnung dem Mieter zugehen. Dafür ist, wenn der Mieter den Zugang der Abmahnung bestreitet, der Vermieter beweisbelastet.

Bestreiten des Zugangs

Gelingt dem Vermieter der Beweis des Zugangs der Abmahnung, ist die Kündigung wirksam.

In diesem Fall ist es eigentlich sinnlos, wenn der Mieter die Kenntnisnahme der Abmahnung bestreitet. Denn wirksam wird die Abmahnung mit dem Zugang (§ 130 Absatz 1 Satz 1 BGB).

Bestreiten der Kenntnisnahme

Eine andere Auffassung vertritt das Landgericht Berlin (67 S 139/21).

Der beklagte Mieter hatte mehrfach unpünktlich Miete gezahlt. Daraufhin erteilte der Vermieter eine Abmahnung. Nachdem der Mieter trotz der Abmahnung weiterhin nicht pünktlich Miete zahlte, kündigte der Vermieter den Mietvertrag.

In der anschließenden Räumungsklage stritten Vermieter und Mieter über die Wirksamkeit der Kündigung. Im Prozess bestritt der Mieter den Zugang und die Kenntnisnahme der nach § 543 Absatz 3 Satz 1 BGB erforderlichen Abmahnung.  

Die Berliner Richter entschieden, dass dem Bestreiten des Mieters, die Abmahnung positiv zur Kenntnis genommen zu haben durchaus Bedeutung zukommt.

Wenn der Mieter die Abmahnung nicht zur Kenntnis genommen hat, so das Gericht, beruhen die nachfolgenden unpünktlichen Mietzahlungen lediglich auf Fahrlässigkeit.

Abwägung des Pflichtverstoßes

Da einem fahrlässigen Pflichtverstoß nur ein geringes Gewicht beizumessen ist, reichen die unpünktlichen Mietzahlungen für eine Kündigung nicht aus. Dabei fiel ins Gewicht, dass das Mietverhältnis bereits mehrere Jahre bestanden hatte.  

Hintergrund

Mit der Entscheidung des Landgerichts erlangt ein Bestreiten der positiven Kenntnisnahme einer Abmahnung Bedeutung. Für den Vermieter führt das zu der absurden Situation, dass er faktisch auch für die positive Kenntniserlangung durch den Mieter beweispflichtig wird. Vermietern wäre zu raten, neben einer postalischen Zustellung dem Mieter die Abmahnung vorzulesen. Dabei sollten Zeugen zugegen sein. Gelingt das nicht, kann ein mehrjähriges Mietverhältnis, jedenfalls im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Berlin, nicht aufgrund unpünktlicher Mietzahlungen rechtssicher gekündigt werden.

Rechtlich fragwürdig

Mit der gesetzgeberischen Entscheidung gemäß § 130 Absatz 1 Satz 1 BGB ist das kaum in Einklang zu bringen. Danach entfaltet die Willenserklärung mit Zugang Wirksamkeit, ohne dass es auf die tatsächliche Kenntnisnahme ankommt. Das heißt, wer den Briefkasten nicht leert oder Briefe nicht liest, dem gegenüber entfalten die Erklärungen gleichwohl Wirksamkeit.

Richtiges Bestreiten der Kenntnisnahme

Das enorme Missbrauchspotenzial der Entscheidung liegt auf der Hand. Mieter sind gut beraten, nicht bloß den Zugang einer Abmahnung zu bestreiten, sondern darüber hinaus explizit auch deren Kenntnisnahme. Aber Vorsicht ist geboten. Wer darlegt, den Briefkasten nicht zu leeren oder Briefe nicht zu lesen, muss sich vorhalten lassen, den Zugang oder die Kenntnis vereitelt zu haben. Auf die  fehlende Kenntniserlangung kann man sich dann nicht mehr berufen (§ 242 BGB).

Ein Bestreiten der Kenntnisnahme kann eher darauf gestützt werden, dass man regelmäßig zahlreiche Zeitungen und Werbesendungen im Briefkasten hat, bei denen die Abmahnung einfach untergegangen ist.

Voraussichtlich wird die Relevanz des Bestreitens der Kenntnisnahme einer Abmahnung eine Berliner Spezialität bleiben. Als Verteidigungsmittel kann die Entscheidung allerdings auch außerhalb Berlins Verwendung finden.

Landgericht Berlin, Beschluss vom 28.09.2021 – 67 S 139/21

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