Schönheitsreparaturen bei Einzug in unrenovierte Wohnung und unwirksamer Abwälzung auf den Mieter (BGH, Urt. v. 08.07.2020 – VIII ZR 163/18)

Wer als Mieter vereinbarungsgemäß eine unrenovierte Wohnung gemietet hat, kann vom Vermieter verlangen, dass dieser Kosten für erforderliche Schönheitsreparaturen übernimmt (BGH – VIII ZR 163/18).

Unwirksame Abwälzung

Die malerische Instandhaltung der Wohnung ist von Gesetzes wegen Sache des Vermieters. Der Vermieter kann die Pflicht auf den Mieter übertragen. Die Übertragung ist aber oft unwirksam, wenn ein der AGB-Prüfung unterliegender Formularmietvertrag verwendet wird. Unwirksam ist die Übertragung zum Beispiel, wenn die Renovierungsklausel eine starre Fristenregelung enthält. Diese besagt, dass Räume mindestens in bestimmten Abständen zu malern sind, z. B. Bad und Küche alle 3 und Wohnzimmer alle 5 Jahre). Eine solche starre Mindestregel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deshalb unwirksam. Ebenso unwirksam ist die Übertragung der Pflicht, wenn der Mieter im Gegenzug keine Entschädigung dafür erhält, dass er eine unrenovierte Wohnung bekommt.

Die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verbleibt in solchen Fällen beim Vermieter, denn der ist für die Erhaltung der Mietsache verantwortlich (§ 535 Absatz 1 Satz 2 BGB).

Einzug in unrenovierte Wohnung

Bislang nicht höchstrichterlich geklärt war, wer in solchen Fällen die Kosten für notwendig werdende Schönheitsreparaturen trägt. Diese Konstellation, in denen Mieter vertragsgemäß in eine unrenovierte Wohnung eingezogen sind und der Mietvertrag eine wirksame Übertragung der Schönheitsreparaturen nicht vorsah, lag nun dem BGH zur Entscheidung vor.

Wer muss Jahre später renovieren?

Die Konstellation behandelten Juristen bis dato unterschiedlich: Einige vertraten die Auffassung, dass der Vermieter die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen nicht wirksam übertragen und deshalb behalten hat. Deshalb müsse er, wenn Schönheitsreparature fällig sind, diese durchführen. Dem wird entgegen gehalten, dass der Mieter dann eine bessere Wohnung erhält als vertraglich geschuldet. Schließlich hat der Mieter lediglich Anspruch auf eine unrenovierte Wohnung.

Diesem Streit haben die obersten deutschen Zivilrichter nun ein Ende bereitet.

Geklagt hatten Berliner Mieter. Diese waren in unrenovierte Wohnungen eingezogen. Einen Ausgleich für den malerischen Renovierungsstau erhielten die Mieter nicht. Mehrere Jahre nach Einzug (14 bzw. 25 Jahre) waren Schönheitsreparaturen notwendig. Die Mieter forderten vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen bzw. Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 7.312,78 Euro.

Jeder hat ein bisschen Recht …

Der BGH stellte zunächst fest, dass die Übertragung der Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf Mieter in einem Formularmietvertrag unwirksam ist, wenn die Mieter keinen angemessenen finanziellen Ausgleich erhalten haben. Anstelle der unwirksamen vertraglichen Regelung gilt das Gesetz. Danach ist der Vermieter für die Erhaltung der Mietsache verantwortlich (§ 535 Absatz 1 Satz 2 BGB). Das ist nicht neu. Der achte Senat bestätigte damit seine Rechtsprechung aus den Jahren 2015 und 2018 (VIII ZR 185/14, ZR 277/16).

Neu an den Entscheidungen ist, dass sich der BGH mit der Frage der Schönheitsreparaturenpflicht bzw. der Kostentragung befasst hat. Dabei nahm er einige bemerkenswerte Klarstellungen vor.

Sowohl Mieter als auch Vermieter erhielten mit ihren Argumenten eine Abfuhr. Anders als von den Vermietern befürwortet, lasse sich dem Vertrag nicht entnehmen, dass die Schönheitsreparaturen generell Sache des Mieters seien, denen es freistehe, Schönheitsreparaturen auszuführen oder es sein zu lassen. Die Karlsruher Richter erteilten aber auch der Forderung der Mieter eine Absage, die meinten, dass die Pflicht generell beim Vermieter bleibt.

Zustand bei Mietbeginn

Der Vermieter schuldet die Erhaltung der Mietsache in dem Zustand, den sie bei Mietbeginn hatte. Also unrenoviert. Das liefe darauf hinaus, dass der Vermieter die Wohnung bei weiter fortgeschrittener Abnutzung in den ursprünglichen teilweise abgewohnten Zustand bringen müsste. Das wäre aber weder praktikabel noch im Interesse der Vertragspartner.

Allein sinnvoll ist es, wenn der Vermieter die Wohnung frisch renoviert. Mit der frisch renovierten Wohnung erhält der Mieter aber mehr als ihm vertraglich zusteht, denn er kann nur den Zustand bei Mietbeginn beanspruchen. Das müsse – so der BGH – angemessen Berücksichtigung finden (§ 242 BGB).

Der Mieter kann vom Vermieter die Durchführung einer Renovierung verlangen, muss sich aber in angemessenem Umfang an den Kosten beteiligen. In der Regel ist von einer hälftigen Kostenteilung zwischen Vermieter und Mieter auszugehen.

Praxis: Anrechnung oder Zurückbehaltungsrecht

Der zur Renovierung verpflichtete Vermieter kann die Durchführung von Schönheitsreparaturen von der Kostenbeteiligung des Mieters abhängig machen. Das heißt er muss die Renovierung nur dann durchführen, wenn der Mieter sich angemessen beteiligt.

Wenn der Mieter vom Vermieter einen Kostenvorschuss für fällige Schönheitsreparaturen verlangt, ist dieser sogleich um den Mieteranteil zu kürzen.

Hintergrund

Die Entscheidung betrifft eine alltägliche Konstellation und hat deshalb eine enorme praktische Bedeutung. Zu Zeiten des knappen Angebots an Mietwohnungen sind Mieter häufig dazu zur Übernahme unrenovierter Wohnungen bereit. Die Frage, wer die Schönheitsreparaturen zu leisten hat, ist, wenn es um den Vertragsschluss geht, zunächst einmal zweitrangig. Viel wichtiger ist es für Mieter, sich die Wohnung zu sichern.

Sowohl Vermieter als auch Mieter können die Entscheidung als Erfolg feiern.
Für Vermieter wäre eine generelle Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen eine erhebliche Belastung. Eine angemessene – in der Regel hälftige – Beteiligung der Mieter an den Renovierungskosten führt zu einer Minimierung des Drohpotenzials. Damit trägt die Entscheidung zum Rechtsfrieden bei, was sehr zu begrüßen ist.

Mieter können sich freuen, weil sie immerhin regelmäßig die Hälfte der Kosten ersetzt bekommen. Da die Renovierung auch in Eigenregie erfolgen kann und dann meistens nur wenige hundert Euro kostet, dürfte die teure Durchführung durch ein Fachunternehmen eher die Ausnahme bleiben. Ob die Renovierung durch ein Fachunternehmen oder in Eigenregie durchgeführt werden soll, darüber müssen sich Vermieter und Mieter künftig einigen.

BGH, Urteil vom 08.07.2020 – VIII ZR 163/18
BGH, Urteil vom 08.07.2020 – VIII ZR 170/18

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