Kein Anspruch auf Feststellung von Schadensersatz gegen Hersteller nach Abgasskandal (LG Kiel, Urt. v. 22.12.2017 – 12 O 296/16)

Die gegen den Hersteller eines vom Abgasskandal betroffenen PKW gerichtete Klage auf Feststellung von Schadensersatzansprüchen ist wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.

Der Kläger, hier der Käufer des Fahrzeugs, hat kein Feststellungsinteresse, weil er auf die konkrete Leistung von Schadensersatz klagen kann. Die Klage auf pauschale Feststellung, der Hersteller sei dem Kläger zum Schadensersatz für Schäden, die aus der Manipulation des vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuges resultieren, ist daher unzulässig. So entschied das Landgericht Kiel (LG Kiel) in seinem Urteil vom 22.12.2017 (12 O 296/16).

Der Kläger kaufte im Jahr 2012 von der Beklagten zu 1) ein von der Beklagten zu 2) hergestelltes und schon gebrauchtes Fahrzeug, welches mit einer Manipulationssoftware ausgestattet war. Die Manipulationssoftware erkannte, ob sich das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befand. Im normalen Fahrbetrieb waren die Werte zum Stickoxidausstoß wesentlich höher als im Prüfstand, da bei Erkennen des Prüfstandes in einen Betriebsmodus geschaltet wurde, in dem vermehrt Abgase in den Motor zurückgeführt wurden. Das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers gehörte daher zu den vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen. Die Auslieferung des gekauften und gebrauchten Fahrzeuges an den Kläger erfolgte im Juli 2012. Nachdem der Kläger vom Abgasskandal erfuhr, schaltete er seinen Rechtsanwalt ein, der sich zunächst außergerichtlich an die beiden Beklagten wandte. Im Januar 2016 erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Verkäuferin, Beklagte zu 1), die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung hinsichtlich der Manipulationssoftware, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1), der Verkäuferin, die Rückzahlung des gesamten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges. In Bezug auf die Beklagte zu 2), die Herstellerin, verlangt der Kläger die Feststellung, dass diese verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeuges resultieren. Darüber hinaus verlangt der Kläger von beiden Beklagten jeweils getrennt den Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Beide Beklagten beantragten Klagabweisung. Die Beklagte zu 1), die Verkäuferin, beruft sich auf die Einrede der Verjährung.
Das LG Kiel wies mit seinem Urteil vom 22.12.2017 die Klage vollumfänglich ab. Die gegen die Beklagte zu 2), die Herstellerin, gerichtete Klage war nach Auffassung des LG Kiel bereits unzulässig. Hiernach hat der Kläger kein rechtlich durchsetzbares Interesse auf pauschale Feststellung eines Schadensersatzanspruchs gegen die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Es liegt kein Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO vor. Der Kläger könnte Leistungsklage gegen die Beklagte zu 2) mit konkreten Schadensersatzansprüchen erheben. Die Leistungsklage hat gegenüber der Feststellungsklage Vorrang. Hierauf hat das LG Kiel den Kläger bereits vor Eintritt in die mündliche Verhandlung hingewiesen. Ein Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger eventuell zwischen verschiedenen Schadensersatzansprüchen wählen kann. Der Kläger muss mit Erhebung der Leistungsklage eine solche Wahl getroffen haben. Aus diesem Grund war die vom Kläger erhobene Feststellungsklage bereits unzulässig. Auch in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hatte der Kläger keinen Erfolg. Das LG Kiel weist darauf hin, dass der Kläger die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Beklagte zu 2), die Herstellerin, nicht für erforderlich und zweckentsprechend halten durfte. Es ist allgemein bekannt, dass die Beklagte zu 2) den Betroffenen lediglich ein Softwareupdate anbietet. Zu weiteren Zugeständnissen ist die Beklagte zu 2) nicht bekannt. Auch dies ist allgemein bekannt. Der Kläger durfte daher die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht für erforderlich und zweckentsprechend halten.

Die Klage in Bezug auf die gegen die Beklagte zu 1), die Verkäuferin, gerichteten Ansprüche ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Klage wurde auch diesbezüglich vom LG Kiel abgewiesen. Die vom Prozessbevollmächtigten im Auftrag des Klägers erklärte Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung hatte keinen Erfolg. Daher konnte der Kläger keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB geltend machen. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaupreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges bestand nach Auffassung des LG Kiel nicht. Eine arglistige Täuschung durch die Beklagte zu 1), die Verkäuferin, hat der Kläger nicht darlegen und beweisen können. Insbesondere eine eigene Kenntnis der Beklagten zu 1) von der Manipulationssoftware hat der Kläger nicht dargelegt. Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Beklagte zu 1) von einer etwaigen Täuschung durch die Beklagte zu 2) wusste oder wissen musste, § 123 Absatz 2 BGB. Darüber hinaus scheidet auch eine verschuldensunabhängige Zurechnung einer etwaigen arglistigen Täuschung durch die Beklagte zu 2) der Beklagten zu 1) aus. Die Beklagte zu 2) ist von der Beklagten zu 1) nicht in das Geschäft einbezogen worden. Sie hat weder maßgeblich am Zustandekommen des Geschäfts mitgewirkt, noch erschien sie wegen enger Beziehungen zur Beklagten zu 1) als deren „Vertrauensperson“, § 123 Absatz 2 BGB. Die Beklagte zu 2) hat sich auf ihre Rolle als Herstellerin beschränkt. Eine verschuldensunabhängige Zurechung gemäß § 123 Absatz 2 BGB kam daher ebenfalls nicht in Betracht, so das LG Kiel. Die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB ging daher ins Leere. Auch der hilfsweise erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag schlug fehl. Etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag waren spätestens nach zwei Jahren verjährt, § 438 Absatz 1 Nr. 3 BGB. Eine längere Verjährungsfrist wegen Arglist kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Beklagten zu 1) eben keine Arglist nachgewiesen und zugerechnet werden konnte, § 438 Absatz 3 Satz 1 BGB. Da Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) nicht gegeben waren, scheiterte auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in Bezug auf die Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Geltendmachung.
Die Klage wurde daher vollumfänglich vom LG Kiel abgewiesen.

LG Kiel, Urteil vom 22.12.2017 – 12 O 296/16

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