Freikaufen von der Impfpflicht? – Gesetzliche Pflicht zur Corona-Impfung und Grenzen

Um der Corona-Pandemie Herr zu werden, wird der Deutsche Bundestag demnächst über eine gesetzliche Impfpflicht entscheiden, die Anfang 2022 in Kraft treten könnte. 

Gesetzliche Impfpflicht

Eine Corona-Impfpflicht würde voraussichtlich in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen werden. Dies könnte als generelle Pflicht für Alle oder beschränkt auf bestimmte Zugangsanforderungen erfolgen. 

Das Gesetz sieht bereits eine Impfung gegen Masern vor. Allerdings nicht als generelle Pflicht, sondern als Zugangsvoraussetzung zu „Gemeinschaftseinrichtungen“ (§ 20 Absatz 8 IfSG). Damit Kinder in die Kita oder in die Schule gehen dürfen, müssen sie geimpft sein.

Durch eine solche Regelung entsteht ein mittelbarer Zwang, der auch bei der Corona-Impfung Anwendung finden kann.

Bestimmt der Gesetzgeber, dass Ungeimpfte nicht mehr zur Arbeit gehen oder am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen, kommt das einem Impfzwang gleich. Um eine unmittelbare Pflicht zur Impfung handelt es sich aber nicht.

Ahndung als Ordnungswidrigkeit

Anstatt die Impfung generell vorzuschreiben, liegt es nahe, dass der Gesetzgeber die Corona-Impfung zur Zugangsvoraussetzung zu bestimmten Räumlichkeiten oder Veranstaltungen macht. Zum Beispiel: wer ohne Impfung zur Arbeit geht oder Bahn fährt, riskiert ein Bußgeld. 

Ebenso verhält es sich nach derzeitiger Rechtslage bei der Masern-Impfung. Die Impfung selbst ist nicht Pflicht, wer aber sein Kind ungeimpft in die Kita schickt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro rechnen. 

Möglich wäre auch, nur bestimmte Berufe einer solchen mittelbaren Impfpflicht zu unterwerfen, beispielsweise Beschäftigte im Einzelhandel oder im Gesundheitswesen.

Staatsrechtliche Bedenken

Eine generelle Impfpflicht ist angesichts der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit (Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG) zwar durchaus denkbar. Dass eine unmittelbare Impfpflicht in Deutschland Gesetz wird, ist aber bei der Corona-Impfung sehr unwahrscheinlich.

Eine an alle Bürgerinnen und Bürger adressierte Corona-Impfpflicht würde nämlich den Staat dazu zwingen, die Pflicht auch durchzusetzen. Dabei hätte der Staat bei Allen dieselben Maßstäbe anzulegen (Art. 3 GG). Das heißt der Staat wäre gehalten, den Worten Taten folgen zu lassen und zwar für alle gleichermaßen.

Zwangsimpfung durch Verwaltungsvollstreckung?

Eine generelle Corona-Impfpflicht ist in Deutschland derzeit nicht denkbar.

Von der Verhängung eines Bußgeldes zu unterscheiden ist die Durchsetzung der Pflicht. Dafür findet die Verwaltungsvollstreckung Anwendung (§ 9 VwVG). Die Vollstreckung geschieht durch die Androhung von Zwangsmitteln und, wenn dies erfolglos bleibt, durch die Verhängung von Zwangsgeld. Denkbar wäre auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs. So wie Steine werfende Demonstranten in den Schwitzkasten genommen werden können, würde es das Gesetz prinzipiell zulassen, Impfunwillige festzuhalten und mit Gewalt zu impfen.

Angesichts einer Anzahl von mehreren Millionen Ungeimpften wäre das nicht bloß völlig illusorisch, sondern auch ein schwerer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Absatz 1, Absatz 2 GG). Die zwangsweise Impfung würde einen Eingriff in diese Grundrechte darstellen, an dessen Rechtfertigung hohe Anforderungen zu stellen sind. Es können zwar durchaus auch schwerwiegende Grundrechtseingriffe gerechtfertigt sein, etwa wenn es um hochansteckende Infektionskrankheiten mit hoher Todesrate geht. Bei der derzeitigen Letalität der Corona-Erkrankung von unter einem Prozent stellt sich die generelle und unmittelbare Impfpflicht und allemal deren Durchsetzung aber als unverhältnismäßig dar. 

Eine generelle Impfpflicht wird es in Deutschland daher voraussichtlich nicht geben. Bei der Debatte um die „Impfpflicht“ reden wir daher bei Lichte betrachtet darüber, dass der Gesetzgeber Zugangsvoraussetzungen schafft und dass Verstöße hiergegen durch Bußgelder geahndet werden. Wer ungeimpft zur Arbeit geht, muss daher wie bei der Helmpflicht beim Motorradfahren zwar ein Bußgeld zahlen, wird aber ebenso wenig gegen seinen Willen geimpft, wie der Polizist dem Motorradfahrer gegen seinen Willen einen Helm aufsetzt. 

Freikaufen von der Impfpflicht?

Die bloße Bußgeldbewehrung bei Verstößen gegen Zugangsvoraussetzungen lässt erwarten, dass Ungeimpfte versuchen, sich von der „Pflicht“ freizukaufen. Denn anstatt sich impfen zu lassen, könnten Ungeimpfte auf die Idee kommen, lieber ein Bußgeld zu zahlen als sich impfen zu lassen. 

Eine gute Idee ist das Freikaufen von der Impfpflicht aber nicht. Denn bei der Bemessung des Bußgeldes sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zu beachten, das heißt wer viel verdient oder besitzt, muss mit einem höheren Bußgeld rechnen. Hinzu kommt, dass das Bußgeld im Wiederholungsfall in der Regel höher ausfällt. Außerdem droht neben dem Bußgeld die Durchsetzung der Zugangsbeschränkungen. Das bedeutet, dass die zuständige Behörde oder die Polizei dafür sorgt, dass man den Arbeitsplatz oder öffentliche Verkehrsmittel nicht betritt oder wieder verlassen muss. 

Da es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte handelt, ist zu erwarten, dass in der Sache das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort hat. In seiner “Bundesnotbremse”-Entscheidung zum Lockdown und zu den Ausgangsbeschränkungen hat das BVerfG klar erkennen lassen, dass schwere Grundrechtseingriffe durchaus zu rechtfertigen sind, wenn die Lage es erfordert (Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21, 1 BvR 889/21, 1 BvR 860/21, 1 BvR 854/21, 1 BvR 820/21, 1 BvR 805/21, 1 BvR 798/21).

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