Oft genügen nur wenige Worte, um dem Gegenüber einen ersten Eindruck über die eigene Kompetenz oder Inkompetenz zu vermitteln. Kein Wunder, dass Juristen großen Wert auf die richtige Wortwahl legen. Wer möchte sich schon mit einem „eingelegten Widerspruch“ disqualifizieren, wenn es richtig heißen müsste, dass ein Widerspruch zu „erheben“ ist?
Grund genug für einen Blick auf richtige Formulierung:
Widerspruch erheben oder einlegen?
In der juristischen Ausbildung überwiegt die Auffassung, dass die Formulierung „Widerspruch erheben“ zutrifft. Ausbilder kalauern gern mit der Binsenweisheit, dass Heringe eingelegt aber Widersprüche „erhoben“ werden müssen. Dieser markige Spruch ist zwar eingängig, aber mit Jura hat er nichts zu tun.
Juristen orientieren sich bei der Wortwahl am Gesetz. Das sorgt für Einheitlichkeit und was der Gesetzgeber sagt, hat zumindest den Anschein der Richtigkeit. Wenn das Gesetz keinen eindeutigen Befund zulässt, bietet sich ein Blick in Entscheidungen von Bundes- und Obergerichten an. Außerdem sollte sich, wer es genau wissen möchte, das vom Bundesjustizministerium herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit ansehen. Dieses enthält Empfehlungen für die Erstellung von Rechtsvorschriften, sagt aber über die Frage, ob der Widerspruch zu erheben oder einzulegen ist, nichts aus.
Widerspruch erheben
Bei der Frage, ob ein Widerspruch erhoben oder eingelegt werden muss, ist der Befund keineswegs eindeutig. In den Gesetzen, die den Widerspruch behandeln, ist meistens davon die Rede, dass ein Widerspruch „zu erheben“ ist.
Beispiele aus Gesetzen für „Widerspruch erheben“
„Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs“
§ 69 VwGO
„… demjenigen, der Widerspruch erhoben hat …“
§ 80 Absatz 1 VwVfG
„… demjenigen, der Widerspruch erhoben hat …“
§ 63 SGB X
Auch das BVerwG als oberstes deutsches Verwaltungsgericht verwendet die Formulierung „Widerspruch erheben“.
„… erhobenen Widerspruch“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 73/2019 vom 10.10.2019
„… erhoben die Kläger … Widerspruch“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 22/2018 vom 19.04.2018
„… Widersprüche … zu erheben“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 3/2016
Widerspruch einlegen
Die Formulierung „Widerspruch einlegen“ ist aber nicht falsch. Nicht bloß Heringe, sondern auch Widersprüche kann man einlegen. Denn sowohl der Gesetzgeber als auch das Bundesverwaltungsgericht verwenden die Formulierung „Widerspruch einlegen“.
Beispiele aus Gesetzen für „Widerspruch einlegen“:
„… Die Klage kann nicht vor Ablauf von die Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs … erhoben werden“
§ 75 Satz 2 VwGO
„Gegen die Eintragungsanordnung … kann der Schuldner … Widerspruch … einlegen“
§ 882d ZPO
„Der Widerspruch ist bis zum Beschluss der Gemeinde einzulegen“
§ 7 Satz 2 BauGB
Wie das Gesetz verwendet auch das Bundesverwaltungsgericht neben „Widerspruch erheben“ die Formulierung „Widerspruch einlegen“.
Beispiele vom BVerwG für „Widerspruch einlegen“:
„… Widerspruch eingelegt …“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 5/2019 vom 23.01.2019
„… Widerspruch eingelegt …“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 2/2016 vom 20.01.2016
„… legte hiergegen Widerspruch ein“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 24/2012 vom 21.03.2012
„… legte daraufhin Widerspruch ein …“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 49/2012
„… eingelegte Widerspruch“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 116/2010 vom 16.12.2010
„… legte gegen … Widerspruch ein“
BVerwG-Pressemitteilung Nr. 54/2011 vom 30.06.2011
Weder die Formulierung „Widerspruch einlegen“ noch die Formulierung “Widerspruch erheben” ist falsch. Denn das Gesetz beinhaltet für den Widerspruch keine Festlegung dazu, ob dieser einzulegen oder zu erheben ist. Vielmehr finden sich im Gesetz beide Formulierungen, nämlich dass ein Widerspruch erhoben aber auch dass ein Widerspruch eingelegt werden kann. Eine themenbezogene Festlegung nach Fachgebieten, welche Formulierung zutrifft, ist nicht möglich.
Der Gesetzgeber verwendet die Begriffe „erheben“ und „einlegen“ im Verwaltungsrecht nicht einheitlich, wie die obigen Beispiele zeigen. Auch das Bundesverwaltungsgericht verwendet beide Formulierungen für dieselbe Sache. Wer einen Widerspruch anhängig macht, erhebt diesen oder legt ihn ein.
Die Frage, ob ein Widerspruch erhoben oder eingelegt wird, ist daher keine Rechtsfrage, sondern Geschmackssache und rechtfertigt ganz sicher keine Korrektur oder Punktabzug in der Klausur. Ausbilder, die ihre Studenten über eingelegte Heringe belehren, sollte man, wenn es geht, meiden, denn das ist kein Zeichen für fachliche Kompetenz.
Für die Formulierung „Widerspruch erheben“ spricht, dass dadurch eine Abgrenzung zu Rechtsmitteln hergestellt wird, weil diese zweifelsfrei „einzulegen” sind.
Rechtsmittel einlegen
Bei Rechtsmitteln sind sowohl Gesetze als auch Gerichte konsistenter. Rechtsmittel werden „eingelegt“. Rechtsmittel wenden sich gegen gerichtliche Entscheidungen und führen in der Regel zur Überprüfung einer Entscheidung. Beispiele für Rechtsmittel sind die Berufung, die Revision, die Beschwerde, die sofortige Beschwerde, die Nichtzulassungsbeschwerde.
In den Gesetzen findet sich für Rechtsmittel die Formulierung dass diese „einzulegen“ sind.
Beispiele aus Gesetzen für „Rechtsmittel einlegen“
„… seit Einlegung des Rechtsmittels“
§ 4 ZPO
„… in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels“
§ 66 Absatz 2 ZPO
„… mit der Einlegung eines Rechtsmittels“
§ 70 Absatz 1 ZPO
„… Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll“
§ 544 Absatz 3 ZPO
„Die Frist für die Einlegung der Revision …“
§ 548 ZPO
„Revisionseinlegung“, „Die Revision wird … eingelegt.“
§ 549 Absatz 1 ZPO
„Die sofortige Beschwerde ist … einzulegen“
§ 569 Absatz 1 ZPO
„… Revision … eingelegt“
§ 143 VwGO
„Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels“
§ 154 VwGO
„… ein Rechtsmittel eingelegt wird“
§ 158 VwGO
Anders als beim Widerspruch verwenden die Gesetze bei Rechtsmitteln einheitlich die Formulierung „einlegen“. Und auch die Gerichte verwenden – dem Gesetz folgend – nahezu einheitlich die Formulierung, dass Rechtsmittel „einzulegen” sind. Aber hier Gerichte zu zitieren erübrigt sich, weil diese, von Einzelfällen abgesehen, der gesetzlichen Vorgabe folgen.
„Einzulegen“ sind daher Berufung, Revision, Beschwerde, sofortige Beschwerde und die Nichtzulassungsbeschwerde.
Klage erheben
Eindeutig ist die Sache auch bei der Klage, die zu „erheben“ ist. Auch hierin stimmen die Gesetze überein und die Gerichte folgen der Vorgabe.
Beispiele für Gesetze „Klage erheben“:
„Die Klage kann … erhoben werden“
§ 75 VwGO
„… Klagen … die … erhoben werden“
§ 22 ZPO
„… können persönliche Klage … erhoben werden“
§ 26 ZPO
„Klagen … können vor dem Gericht erhoben werden“
§ 27 Absatz 1 ZPO
Außerdem finden sich die Formulierungen, dass Klagen anhängig oder rechtshängig gemacht werden. Beides geschieht im Zuge der Erhebung der Klage, wobei man von anhängig machen spricht, wenn die Klage bei Gericht eingeht. Und rechtshängig ist die beim Gericht eingereichte Klage, wenn sie dem Gegner zugestellt ist.
Anders sieht die Rechtslage beim Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aus. Dieser wird bereits mit Eingang bei Gericht rechtshängig. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil das Gesetz bestimmte Folgen an die Rechtshängigkeit knüpft (vgl. § 261 ZPO, § 209 BGB). So existiert zum Beispiel das Verbot der doppelten Rechtshängigkeit, das heißt, dass eine Klage wegen derselben Sache darf nur bei einem Gericht erhoben werden . Außerdem hemmt die Rechtshängigkeit die Verjährung des Anspruchs.
Einspruch einlegen
Einige Gesetze sehen den „Einspruch“ vor, welcher meistens einzulegen aber auch einzureichen oder anzubringen ist.
Beispiele für Gesetze „Einspruch einlegen“
„Der Betroffene kann … Einspruch einlegen“
§ 67 OWiG
„Der Einspruch wird … eingelegt“
§ 340 ZPO
„… den Einspruch eingelegt …“
§ 345 ZPO
„… Einlegung des Einspruchs“
§ 705 ZPO
„… Einspruch … eingelegt“
§ 719 ZPO
„Einlegung des Einspruchs“
§ 357 AO
Davon abweichend findet sich in der Abgabenordnung auch die Formulierung, dass ein Einspruch „einzureichen“ oder „anzubringen“ ist. Diese in § 357 AO enthaltenen Begriffe beinhalten aber nichts anderes als der Begriff „einlegen“.
Einspruch eingelegt werden muss daher gegen OWi-Bußgeldbescheide, Steuerbescheide oder gegen ein Versäumnisurteil nach der ZPO.
Rechtsbehelf einlegen
Rechtsbehelf ist ein Oberbegriff, unter den Widerspruch, Einspruch, Klage und auch Rechtsmittel fallen. Auch zu diesem Oberbegriff finden sich in den Gesetzen Formulierungen.
Beispiele für Gesetze „Rechtsbehelf einlegen“
„Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf … ein“
§ 80a VwGO
„Wer … einen Rechtsbehelf einlegt“
§ 703 ZPO
„… welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist … er einzulegen ist“
§ 157 Absatz 1 AO
„… Einlegung eines förmlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs …“
§ 237 Absatz 1 Satz 2 AO
Bezieht man sich auf einen Rechtsbehelf, ist daher „einlegen“ die korrekte Formulierung.
Rüge erheben
Für die Rüge enthalten die Gesetze keine einheitlichen Regelungen. Wer formuliert, dass eine Rüge zu „erheben“ ist, liegt damit sicher richtig. Aber das Gesetz verwendet aber neben „erheben“ auch die Begriffe „vorbringen“ oder „geltend machen“.
Beispiele aus Gesetzen für „Rügen“:
„Rügen … hat der Beklagte vorzubringen“
§ 282 Absatz 3 Satz 1 ZPO
„Rügen … geltend zu machen“
§ 282 Absatz 3 Satz 2 ZPO
„Die Rüge ist … zu erheben“
§ 321a Absatz 2 ZPO
„Rügen … vorzubringen“
§ 340 Absatz 3 ZPO
„Rügen … vorgebracht“
§ 532 ZPO
„Rüge … vorzubringen“
§ 1040 Absatz 2 Satz 1 ZPO
„Rüge … ist zu erheben“
§ 1040 Absatz 2 Satz 3 ZPO
„Rüge … zu erheben“
§ 152a Absatz 2 Satz 1 VwGO
Ganz überwiegend findet sich im Gesetz die Formulierung, dass Rügen zu erheben sind. Auch wenn die Formulierungen „geltend machen“ und „vorbringen“ auch Verwendung finden und damit nicht falsch sind, sollte man sich an der zumeist verwendeten Begrifflichkeit orientieren. Deshalb ist eine Rüge zu erheben.
Antrag einreichen oder stellen?
Eine bunte Auswahl bietet das Gesetz auch bei Anträgen, die für die sich neben „stellen“ auch die Formulierung „einreichen“ findet.
„Antrag einreicht“
§ 703 ZPO
„Antrag … eingereicht“
§ 1088 Absatz 1 Satz 1 ZPO
„Der Antrag muss … gestellt werden“
§ 1092a Absatz 1 Satz 2 ZPO
„Anträge … können … eingereicht werden“
§ 1097 Absatz 1 ZPO
„Antrag … stellen“
§ 47 Absatz 2 Satz 1, § 60 Absatz 2 VwGO
„… gestellter Beweisantrag …“
§ 86 Absatz 2 VwGO
„Antrag … zu stellen“
§ 124a Absatz 4 Satz 2 VwGO
„Antrag … zu stellen“
§ 134 Absatz 1 VwGO
„Antrag … gestellt“
§ 134 Absatz 3 VwGO
„Antrag ist … zu stellen“
§ 151 Satz 2 VwGO
Deutlich überwiegt die Formulierung, einen Antrag zu „stellen“, wie es dem normalen Sprachgebrauch entspricht. Wer sich daher darauf beruft, einen Antrag gestellt zu haben, verwendet daher die richtige Formulierung.
Praktische Auswirkungen
Eine unzutreffende Formulierung birgt das Risiko von Missverständnissen. Aber praktisch wirkt sich das nur dann aus, wenn nicht mehr erkennbar ist, welches Ziel der Erklärende verfolgt. Denn Gerichte und Behörden sind von Gesetzes wegen gehalten, Erklärungen nicht streng nach dem Wortlaut zu behandeln, sondern zu untersuchen, was wohl gemeint ist (entsprechend §§ 133, 157 BGB). Und dabei herrscht oft eine große Toleranz. Ein Einspruch kann als Widerspruch zu werten sein und eine Beschwerde als Rüge.
Aber Vorsicht ist dann geboten, wenn rechtliche Profis Erklärungen abgeben, denn die Fehlertoleranz ist bei Erklärungen von Anwälten geringer, da von diesen zu erwarten ist, dass sie sich darüber im Klaren sind was sie erklären. Eine vom Anwalt erklärte Rüge ist daher nicht ohne weiteres in eine Revision umzudeuten.
Spiegelbildlich ist mit Erklärungen von juristischen Laien eher nachsichtig zu verfahren. Daher ist das Vorbringen , mit einem Bescheid nicht einverstanden zu sein, auch dann als Widerspruch zu werten, wenn das Wort „Widerspruch“ keine Verwendung findet.
Deswegen sind die Auswirkungen aus rechtlicher Sicht eher gering. Für die Etikette spielt die richtige Verwendung von Begriffen aber eine große Rolle. Denn wer Begriffe falsch verwendet, stellt sich selbst ins Abseits.