Stürzt ein Fahrgast in den Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug, kann er grundsätzlich kein Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen. Denn mit einem solchen Spalt muss der Fahrgast rechnen und sich hierauf einstellen. So entschied das Landgericht München I (LG München I) in einem Urteil vom 27.08.2020 (31 O 1712/20).
Verkehrssicherungspflichten im öffentlichen Raum beschäftigen tagtäglich unsere Gerichte. Dabei geht es meist um die Frage, ob eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vorliegt und ob dies zu einem Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld führt.
In dem hier vom LG München I entschiedenen Fall ging es darum, ob ein Fahrgast wegen eines Sturzes in einen Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen kann.
Sturz in den Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug
Geklagt hatte eine Frau, die beim Einsteigen in einen Zug in München in einen über 20 cm breiten Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug stürzte. Bei dem Sturz zog die Frau sich eine Unterschenkelfraktur zu. Außerdem litt sie nach dem Unfall unter weiteren physischen und psychischen Beeinträchtigungen, vor allem unter belastungsbedingten Schmerzen.
Die Frau verlangte von der Betreiberin des Zuges Schadensersatz und Schmerzensgeld, insgesamt über 20.000,- €. Sie war der Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht vorlag. Insbesondere befand sich unter dem Zustieg kein Gitter, welches bei neueren Zügen der Fall ist.
Die Frau erhob Klage vor dem LG München I, jedoch ohne Erfolg.
Mit einem Spalt zwischen Zug und Bahnsteig muss man rechnen!
Nach Auffassung des Gerichts lag ein ganz überwiegendes Eigenverschulden der Frau vor. Denn mit einem Spalt zwischen Bahnsteigkante und Tür muss ein Fahrgast rechnen und sich hierauf einstellen, so das Gericht.
Häufig muss nicht nur ein Zwischenraum, sondern auch ein Höhenunterschied überwunden werden. Vom Fahrgast darf der Zugbetreiber eine gesteigerte Aufmerksamkeit erwarten und hierauf auch vertrauen, so das Gericht.
Abstand von 33 cm ist nach Rechtsprechung verkehrssicher
Das LG München I weist zudem darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein Abstand von 33 cm zwischen Bahnsteigkante und unterer Trittstufe als verkehrssicher angesehen wird. In dem hier entschiedenen Fall, betrug der Abstand zwischen Bahnsteig und Zug nach dem Vortrag der Klägerin nur 28 cm.
Die Klägerin jedenfalls hätte sich mit gesteigerter Aufmerksamkeit beim Einsteigen auf den Abstand zwischen Bahnsteig und Zug einstellen müssen. Das von ihr vorgetragene Gedränge anderer Fahrgäste konnte nicht nachgewiesen werden. Ein Mitverschulden nahm das Gericht daher nicht an.
Die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wurde vom LG München I vollständig abgewiesen.
LG München I, Urteil vom 27.08.2020 – 31 O 1712/20