Vermieter darf unverheiratete Mieterin als “Fräulein” bezeichnen (AG Frankfurt a. M., Urt. v. 27.06.2019 – 29 C 1220/19 (46)

Die Anrede mit “Fräulein” begründet nach Auffassung des Amtsgerichts Frankfurt am Main keine Unterlassugsansprüche. Geklagt hatte eine Mieterin, die im Reinigungsplan des Hauses als Fräulein aufgeführt war. Der Reinigungsplan hing für alle Bewohner sichtbar im Haus aus.  Die Mieterin wollte künftig nicht mehr als  “Fräulein” bezeichnet werden. Stattdessen könnte sie als “Frau” oder einfach nur namentlich benannt werden.  

Bezeichnung “Fräulein” nicht ehrverletzend

Das Amtsgericht Frankfurt gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bezeichnung als “Fräulein” nicht ehrverletzend sei. Zwar stelle der verniedlichende Begriff Fräulein nach überkommenem Verständnis die Bezeichnung einer unverheirateten Frau dar, was in Ermangelung einer entsprechenden männlichen Bezeichnung eine Ungleichbehandlung darstelle. Wenngleich der Begriff “Fräulein” in Deutschland bereits seit 1972 offiziell abgeschafft sei, sei damit keine Herabsetzung verbunden. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass es auch im ausländischen Sprachgebrauch Begriffe für unverheiratete Frauen gebe. So werde in Frankreich das Wort “Mademoiselle” und in England das Wort “Miss” verwendet. 

Bei der Entscheidung fiel ins Gewicht, dass sich die im 1984 geschlossenen Mietvertrag bereits als “Frl.” bezeichnete Mieterin nie gegen diese Bezeichnung zur Wehr gesetzt hat. Außerdem seien die Vermieter mit ihren 89 Jahren bereits sehr alt, sodass die Bezeichnung möglicherweise unhöflich aber nicht ehrverletzend sei. 
Schließlich verstoße die Bezeichnung auch nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung. Diese erfasse nur die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten bzw. eine Speicherung in einem Dateisystem. Da der Putzplan handschriftlich erstellt worden sei und die Vermieter bereits 89 Jahre alt seien, könne davon nicht ausgegangen werden. 

Hintergrund

Die Entscheidung begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken. Ob ein Mensch verheirratet ist, betrifft dessen Privatsphäre. Diese ist verfassungsrechtlich geschützt gemäß Art. 2 Absatz 1 i. V. m. Art. 1 Absatz 1 GG. Jeder kann aufgrund des so genannten allgemeinen Persönlichkeitsrechts selbst entscheiden, ob er seinen Personenstand offenlegt. Damit unvereinbar ist es, wenn der Vermieter durch die Verwendung der Bezeichnung “Fräulein” für alle Hausbewohner sichtbar offenbart, dass die Person unverheiratet ist. 

Das Gericht hätte daher in Anwendung von §§ 823 Absatz 1, 249 BGB, § 1004 BGB analog i. V. m. Art. 2 Absatz 1 i. V. m. Art. 1 Absatz 1 GG zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Bezeichnung als Fräulein rechtswidrig ist. Schutzgut des allgemeinen Persönlicheitsrechts ist auch die Wahrnehmung der Person in der Öffentlichkeit. Deshalb darf ungefragt über den Personenstand ebenso wenig wie über sexuelle Neigungen und dergleichen berichtet werden.   Gründe, die den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht rechtfertigen könnten,  sind nicht ersichtlich. Das Alter der Vermieter spielt keine Rolle, denn die Gesetze gelten für Junge wie für Alte gleichermaßen. So kann das Alter der Vermieter allenfalls einen mangelnden Verletzungsvorsatz indizieren. Das ist aber für einen Anspruch auf Unterlassung nicht erforderlich.

Die Bezeichnung einer weiblichen Person als “Fräulein” ist ohne deren Einwilligung rechtswidrig und zu unterlassen.  
Es handelt sich daher klar um ein Fehlurteil, das in der Berufungsinstanz voraussichtlich korrigiert wird. 

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.06.2019 – 29 C 1220/19 (46) (nicht rechtskräftig)

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