Private Parkplatzunternehmen wie die Park & Control PAC GmbH, fair parken GmbH und Eastrella GmbH verdienen ihr Geld mit Vertragsstrafen. Wer auf einem so bewirtschafteten Parkplatz das Einlegen einer Parkscheibe vergisst, soll bis zu 36 Euro zahlen.
Einschüchtern mit Ungewissheit
Das Eintreiben der Vertragsstrafe ist ein lukratives Geschäft. Dementsprechend kommt den Akteuren eine unklare Rechtslage durchaus gelegen. Denn dadurch gelingt es ihnen oft, auch eigentlich unberechtigte Vertragsstrafen durchzusetzen.
Wer nicht gefahren ist, haftet nicht für Vertragsstrafe
Mittlerweile hat es sich bei vielen Betroffenen herumgesprochen, dass eine Halterhaftung bei Privatparkplatz-Knöllchen nicht existiert. Da es sich bei dem Privatparkplatz-Knöllchen um eine Vertragsstrafe handelt, ist ein Vertragsschluss erforderlich. Ein Vertrag kann beim Parken auf einem Privatparkplatz aber nur mit dem Fahrer des Fahrzeugs zustande kommen. Wenn der Halter nicht zugleich der Fahrzeugführer zum Zeitpunkt des Parkvertoßes gewesen ist, besteht gegen den Halter kein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Das gilt sogar auch dann, wenn der Halter zum Zeitpunkt des Verstoßes Beifahrer gewesen ist.
Für den Vertragsschluss trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft. Das ist derjenige, der die Vertragsstrafe geltend macht. Wenn Parkplatzbewirtschafter den Vertragsschluss nicht nachweisen können, besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
Einige Gerichte erlegen dem Halter eine Darlegungslast auf. Wenn der Halter aber nachvollziehbar darlegt, dass er selbst nicht gefahren ist und er den Fahrer nicht ermitteln kann, ist der Fall erledigt. Wenn beispielsweise regelmäßig mehrere Personen das Fahrzeug nutzen, kann der Halter oft nicht sagen, wer zu einer bestimmten Zeit gefahren ist. In Familien ist es gang und gäbe, dass Eltern und Kinder ein und dasselbe Fahrzeug nutzen. Dadurch entsteht freilich eine Missbrauchsgefahr, welcher der Gesetzgeber im Owi-Recht durch die Möglichkeit der Fahrtenbuchauflage entgegengetreten ist. Eine entsprechende Regelung gibt es aber bei Privatpark-Knöllchen nicht.
Hier finden Sie ein Muster für die sekundäre sekundäre Darlegungslast.
Agieren im rechtlichen Graubereich
Wenn der Halter nicht selbst gefahren ist aber sich weigert, den Fahrer preiszugeben, versuchen die Parkplatzwächter es oft mit rechtlich zwielichtigen Aufforderungen. Die Texte sind, da es sich um ein Massengeschäft handelt, meistens identisch. So wird Haltern, die mitteilen, selbst nicht gefahren zu sein, mitgeteilt:
„Hier verweisen wir zunächst auf Ihre Darlegungs- und Beweispflicht. Wenn Sie selbst am Verstoßtag tatsächlich nicht gefahren sein sollten, auch nicht bereit sind, den Fahrer zu benennen, haften Sie als Halter des Fahrzeuges als sog. Zustandsstörer (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.2015, V ZR 160/14) und können – unabhängig von einer Haftung für die Vertragsstrafe – auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.”
Quelle: Aufforderungsschreiben eines Parkplatzbewirtschafters
Hier wird die Haftung für die Vertragsstrafe, die einen Vertrag voraussetzt, mit der Haftung des Zustandsstörers vermengt. Ein Versehen ist das wohl kaum. Tatsächlich existiert eine „Beweispflicht“ des Halters nicht. Für den Beweis der Voraussetzungen des Vertragsstrafe-Anspruchs ist der Anspruchsteller verantwortlich. Gelingt ihm der Nachweis nicht, kann er keine Vertragsstrafe durchsetzen.
Endgültig im rechtlichen Graubereich angekommen sind die Vertragsstrafeneintreiber damit, dass sie den Eindruck erwecken, dass Halter als Zustandsstörer haften, wenn sie nicht bereit sind, den Fahrer zu benennen. Das ist schlichtweg Unfug. Weder steht das im Gesetz noch vertritt der BGH eine solche Auffassung. Das Zitieren der BGH-Entscheidung (V ZR 160/14) verleiht der Aussage eine Autorität, die eigentlich nicht angemessen ist.
Ausgefeilte Formulierung
“Graubereich” ist das deshalb, weil das obige Zitat nur einen falschen Eindruck erwecken kann aber bei genauer Lektüre gar nicht falsch ist. Im Einzelnen zum Zitat:
“Hier verweisen wir zunächst auf Ihre Darlegungs- und Beweispflicht.”
Die Aussage vermittelt den Eindruck, dass der Halter beweisbelastet ist. Genau genommen handelt es sich aber nur um eine Rechtsmeinung, die richtig oder falsch sein kann. Parkplatzbewirtschafter vertreten selbstverständlich eine Rechtsauffassung, die ihren Interessen entspricht.
Der zweite Satz des Zitats ist ausgefeilt und erreicht bei bestmöglicher Verschleierung der wirklichen Rechtslage einen großen Einschüchterungseffekt. Wenn man nämlich den eingeschobenen Nebensatz “… auch nicht bereit sind, den Fahrer zu benennen …” weglässt, lautet die Aussage:
“Wenn Sie selbst am Verstoßtag tatsächlich nicht gefahren sein sollten … haften Sie als Halter des Fahrzeuges als sog. Zustandsstörer …”
Der Satz beinhaltet eine Selbstverständlichkeit, nämlich, dass der Halter als Zustandsstörer für sein Fahrzeug haftet. Der eingeschobene Nebensatz zur Fahrernennung hat mit der Aussage zur Haftung als Zustandsstörer rechtlich nichts zu tun. Sprachlich ist das durchaus geschickt formuliert, denn der Nebensatz weist keinerlei Verbindungswörter auf, wie “und”, sondern ist nur durch ein “auch” eingeleitet, was so zu interpretieren sein kann, dass es sich nicht um eine zusätzliche Voraussetzung der Halterhaftung handelt. Bei dieser Interpretation ist der Satz nicht einmal falsch. Juristische Laien können dennoch schnell den unzutreffenden Eindruck gewinnen, dass sie als Halter haften wenn sie den Fahrer nicht nennen.
Halter als Zustandsstörer
Richtig ist, dass Halter als Zustandsstörer haften. Eben dies hat der BGH entschieden (V ZR 160/14). Der Halter haftet auch dann auf Unterlassung, wenn er selbst nicht gefahren ist, und zwar unabhängig davon, ob er einen Fahrer benennt.
Die Sache hat aber einen Haken:
Unterlassungsansprüche sind nicht auf eine Vertragsstrafe gerichtet, sondern auf Unterlassung. Und Voraussetzung eines solchen Anspruchs wäre zunächst einmal das Geltendmachen eines Unterlassungsanspruchs. Daran fehlt es meistens. Aus der Haftung als Zustandsstörer kann aber ein Anspruch auf Vertragsstrafe nicht hergeleitet werden.
Unterlassung für Bewirtschafter uninteressant
Unterlassungsansprüche sind zwar auch gegen Halter gegeben, diese bringen aber nicht das schnelle Geld. Praktisch kommt es daher nicht zur Geltendmachung geschweige denn Durchsetzung solcher Ansprüche. Betroffene können das leicht durch einen Blick in die Aufforderungsschreiben feststellen. Unterlassung wird darin meistens schlichtweg nicht verlangt.
… Vorgehen bei Aufforderung zur Unterlassung
Wenn Parkplatzüberwacher doch einmal Unterlassungsansprüche geltend machen sollten, was sie regelmäßig nicht tun, kann der Halter ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterlassungsverpflichtungserklärung (UVE) abgeben. An die begehrte Vertragsstrafe kommen die Parkplatzüberwacher dadurch nicht, sondern erst bei weiteren Vorfällen, in denen gegen die UVE verstoßen wird. Bei einer UVE nach dem so genannten “Hamburger Brauch“ steht dem Knöllcheneintreiber im Falle eines Verstoßes womöglich noch eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Höhe der anzusetzenden Vertragsstrafe bevor. Das erzeugt großen Aufwand für den Bewirtschafter und das Ergebnis ist ungewiss.
Ganz unschön wird es für die Parkplatzbetreiber sogar dann, wenn der Halter keine UVE abgibt. Dann droht dem Halter zwar eine Unterlassungsverurteilung. Eine solche ist für Parkplatzbewirtschafter aber gänzlich uninteressant. Bei weiteren Verstößen würde nämlich nicht eine an sie zu zahlende Vertragsstrafe fällig, sondern „nur“ ein Ordnungsgeld, das vom Gericht festgesetzt wird und dem Staat zugute kommt.
Dass nur auf Vertragsstrafen (für die nur der Fahrer haftet) und nicht auf Unterlassung (für die auch der Halter haftet) gesetzt wird, überrascht nicht. Unterlassungsansprüche machen viel Arbeit und bringen oft nichts ein. Daher versuchen die Akteure, das „beste“ aus beiden Welten zusammenzubringen, nämlich die Haftung für die Vertragsstrafe und die Haftung des Zustandsstörers. Dass die Dinge rechtlich nichts miteinander zu tun haben, stört die Akteure nicht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die Verwirrung hat Methode, denn solange sich genügend Halter durch die juristischen Halbwahrheiten einschüchtern lassen und freiwillig zahlen, klingeln die Kassen.
Bezahlen der Vertragsstrafe beseitigt Unterlassungsanspruch nicht
Rechtlich beseitigt allein das freiwillige Bezahlen des Privat-Knöllchens nicht die auf Unterlassung gerichtete Haftung des Halters. Beseitigen lässt sich der Unterlassungsanspruch durch Abgabe einer UVE, durch eine gerichtliche Unterlassungsverurteilung oder dadurch, dass der Berechtigte auf den Anspruch verzichtet. Ein solcher Verzicht wird zuweilen tatsächlich erklärt. Auf den Verzicht sollten sich Betroffene aber nicht allzu viel einbilden, denn der Verzicht bezieht sich in der Regel auf einen noch nicht einmal geltend gemachten Anspruch.
Fazit:
Wer das Risiko einer auf Unterlassung gerichten Haftung als Halter entgehen möchte, kann das durch Abgabe einer UVE sicherstellen. Das macht aber nur dann Sinn, wenn überhaupt Unterlassungsansprüche geltend gemacht worden sind, was regelmäßig nicht der Fall ist. Allein das Bezahlen der Vertragsstrafe beseitigt nicht den gegen den Halter gerichteten Unterlassungsanspruch. Parkplatzbewirtschafter setzen darauf, dass Menschen bereit sind, durch die Zahlung der Vertragsstrafe “reinen Tisch” zu machen. Das Spiel mit der Ungewissheit hat Methode und mehrere Mahnschreiben nacheinander lassten viele Halter einknicken, auch wenn sie eigentlich gar nicht zahlen müssten.