Haftung des Vorfahrtsberechtigten bei „rechts vor links“ – Kreuzung (LG München I , Urt. v. 03.08.2018 – 17 O 20308/16)

Ein Vorfahrtsberechtigter haftet zu 25%, wenn er bei einem Zusammenstoß auf einer „rechts vor links“ – Kreuzung den unberechtigt von links kommenden PKW hätte bemerken müssen. So entschied das Landgericht München I (LG München I) in seinem Urteil vom 03.08.2018 (17 O 20308/16).

Der Fall

Die Klägerin fuhr mit Ihrem PKW aus Sicht der Beklagten von rechts kommend in den Kreuzungsbereich. Die Vorfahrt war nicht besonders durch Verkehrsschilder geregelt. Es galt daher „rechts vor links“. Die Klägerin war vorfahrtsberechtigt. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin des dem Beklagten zu 2) gehörenden Fahrzeugs. Sie fuhr ebenfalls in den Kreuzungsbereich hinein, hätte jedoch der Klägerin Vorfahrt gewähren müssen. Dabei kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge. Die Klägerin macht einen Schaden von insgesamt ca. 16.000,- € geltend. Hiervon zahlten die Beklagten vorgerichtlich bereits ca. 11.000,- €. Die Beklagten gingen von einem Mitverschuldensanteil der Klägerin von 25% aus. Die Klägerin verlangte hingegen die Erstattung des Schadens zu 100%. Sie erhob Klage beim LG München I auf Zahlung des aus ihrer Sicht noch offenen Differenzbetrages.

Entscheidung des LG München I

Das LG München I entschied, die Klägerin haftet trotz Vorfahrtsberechtigung zu 25%. Die Klage wurde daher – bis auf einen geringen Teilbetrag – abgewiesen. Eine volle Haftung der Beklagten kann nach Auffassung des LG München I trotz Vorfahrtsverletzung nicht angenommen werden.

Unfall war vermeidbar

Das LG München I geht nach Durchführung der Beweisaufnahme davon aus, dass der Unfall für die Klägerin durch ordnungsgemäße Beobachtung der Kreuzung vermeidbar gewesen ist. Für die Klägerin muss die drohende Vorfahrtsverletzung der Beklagten zu 1) spätestens erkennbar gewesen sein, als die Beklagte zu 1) unmittelbar in den Kreuzungsbereich eingefahren ist. Durch eine sofort einzuleitende Vollbremsung der Klägerin hätte sie einen Zusammenstoß vermeiden können. Das steht nach Auffassung des LG München I aufgrund der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens fest. Die Klägerin hätte lediglich gerade nach vorne schauen müssen, um die Beklagte zu 1) während des Einfahrens in den Kreuzungsbereich erkennen zu können.

Hieraus folgt ein Mitverschuldensanteil der Klägerin von 25%, so das LG München I.

Grundsätzlich könne ein Vorfahrtsberechtigter auf die Beachtung seiner Vorfahrt vertrauen, so das LG München I. Dies gilt jedoch nach Auffassung des LG München I nicht ausnahmslos. Handelt es sich um eine so genannte „rechts vor links“ – Kreuzung ohne eine besondere Vorfahrtsregelung, muss jeder Verkehrsteilnehmer jedem von rechts kommenden Verkehrsteilnehmer Vorfahrt gewähren. Dies gilt natürlich auch, wenn er selbst gegenüber einem von links kommenden Fahrzeug vorfahrtsberechtigt ist. Um diese Vorfahrt beachten zu können, muss er mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranfahren. Nur dann kann er notfalls rechtzeitig anhalten, so das LG München I.

Nach Auffassung des LG München I kann die Klägerin sich auch nicht ausreichend nach links vergewissert haben. Sonst hätte sie die Beklagte zu 1) sehen müssen. In diesem Fall hätte die Klägerin die Kollision vermeiden können. Hieraus folgt nach Auffassung des LG München I ein Verstoß gegen § 1 StVO.

Aufgrund dieses Verstoßes geht das LG München I von einer 25%igen Mithaftung der Klägerin aus. Die Erstattung des gesamten Schadens lehnte das LG München daher dem Grunde nach ab.

LG München I, Urteil vom 03.08.2018 – 17 O 20308/16

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