Anforderungen an Darlegungen zu unbewusster Aufnahme von BTM zur Vermeidung der Entziehung der Fahrerlaubnis (VG Oldenburg, Beschl. v. 06.03.2018 – 7 B 938/18)

Der Konsum so genannter harter Drogen (z. B. Amphetamin bzw. „Speed“, Kokain, Crack, Heroin) rechtfertigt die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, ohne dass es auf die Häufigkeit des Konsums oder das Trennungsvermögen des Betroffenen ankommt, d. h. ob er zwischen Drogenkonsum einerseits und Fahrzeugführen andererseits hinreichend trennen kann. Aufgrund dieser ausweglosen Situation besteht der letzte Versuch häufig darin, zu behaupten, die Drogen gar nicht wissentlich eingenommen zu haben. Und tatsächlich kann die unwissentliche Einnahme von Drogen die Entziehung der Fahrerlaubnis verhindern. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat die Anforderungen an die dafür notwendige Darlegung konkretisiert (VG Oldenburg – 7 B 938/18):

Bei der im Jahr 1984 geborenen Antragstellerin wurde im Jahr 2017 nach einer Blutprobe ein Wert von 366,6 ng/ml Amphetamin nachgewiesen. Sie erklärte dem Wert folgendermaßen: über die Weihnachtsfeiertage habe sie stark zugenommen, worüber sie sehr unglücklich gewesen sei. Ihr Ehemann, der Kontakte im Fitnessbereich habe, habe ihr so genannte Fatburner-Kapseln zur Gewichtsreduzierung beschafft, die sie eingenommen habe. Nach der Einnahme der Kapseln habe sie keine aufputschende Wirkung feststellen können, ebenso wenig ihr Ehemann. Sie lehne die Einnahme von Drogen ab, weil sie Mutter eines fünfjährigen Kindes sei und weil sie im Jahr 2011 mehrere Schlaganfälle erlitten habe. Deshalb sei sie besonders auf ihre Gesundheit bedacht, habe das Rauchen aufgegeben und lebe gesundheitsbewusst. Anlässlich einer abermaligen Kontrolle im Januar 2018 sei der durchgeführte Drogenschnelltest negativ ausgefallen. Außerdem erklärte die Antragstellerin sich bereit, sich nötigenfalls über einen längeren Zeitraum untersuchen zu lassen. Sie sei „punktefrei“ und auf die Fahrerlaubnis angewiesen, um ihren Mann zur Arbeit zu bringen und abzuholen sowie das Kind zur Kita zu bringen und von dort abzuholen.

Die Behörde ließ sich dadurch nicht beeindrucken, sondern behandelte das Vorbringen als Schutzbehauptungen. Die Fahrerlaubnis wurde entzogen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht. Ohne Erfolg.

Im Kern stellte das VG Oldenburg darauf ab, dass die Behauptung der Antragstellerin, nichts von der Wirkung der Droge bemerkt zu haben, nicht glaubhaft sei und dass es an einem schlüssigen Gesamtvortrag im Hinblick auf die behauptete unwissentliche Einnahme der Drogen fehle. Für die Darlegung, dass die Einnahme der Drogen ohne das Wissen des Betroffen erfolgte ist erforderlich:

  • ein detaillierter, schlüssiger und glaubhafter Sachvortrag eines Geschehens,
  • bei kostspieligen Drogen muss das Geschehen plausibel sei, Gerichte glauben die Behauptung, dass jemand Kokain ins Essen gemischt hat, regelmäßig nicht, erforderlich ist dann ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlung,
  • notwendig ist die Bezeichnung der Umstände, d. h. bei welcher Gelegenheit und auf welche Weise wurde die Droge zugeführt,
  • Angaben zu Ort, Zeit und Personen sowie dazu, wer aus welchem Grund ein Interesse an dem unwissentlichen Drogenkonsum gehabt haben könnte.

Diese Voraussetzungen lagen aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht vor, sodass es die Entziehung der Fahrerlaubnis bestätigte. Die Ausführungen dazu, dass die Antragstellerin auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei, spielen rechtlich ebenso wenig eine Rolle wie das Angebot der Antragstellerin, sich gesundheitlich einer längerfristigen Kontrolle zu unterziehen. Denn der bereits erstmalige Drogenkonsum rechtfertigt die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Eignung (vgl. Anlage 4 Nummer 9 zur FeV). Ob die Antragstellerin die Eignung später wiedererlange, ist hingegen eine Frage der Wiedererteilung, über die das Gericht nicht entscheidet, sondern die Behörde (vgl. § 20 FeV).

Hintergrund: Dass Gerichte bei der Behauptung, dass Drogen unwissentlich oder versehentlich eingenommen wurden, einen strengen Maßstab anlegen, überrascht nicht. Rechtlich ist das zu begrüßen, denn Konsumenten harter Drogen haben im Straßenverkehr nichts zu suchen. Hier muss sich der Staat schützend vor die anderen Verkehrsteilnehmer stellen. Das ändert aber nichts daran, dass es tatsächlich Fälle unwissentlichen Konsums gibt, bei denen die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtswidrig wäre. Solche Fälle kommen sehr wohl vor, z. B. mit KO-Tropfen in Getränken.

Zu Recht als unglaubhaft wertete das Gericht hier die Behauptung, trotz Einnahme mehrerer Tabletten nichts von der Wirkung der Drogen gemerkt zu haben. Gerichte folgen dabei gern dem „wer-einmal-lügt-Prinzip“. Wer so etwas vorträgt muss daher damit rechnen, dass auch der Rest seines Vorbringens kein Gehör findet. Rechtlich heikel wird die Erfüllung der Anforderungen, wenn es um die Darstellung der Motive und die Benennung der Personen geht, die die Drogen ins Getränk oder ins Essen gemischt haben sollen, denn damit können sich die betreffenden Personen strafbar gemacht haben (§ 224 Absatz 1 Nummer 1 StGB). Deshalb ist es sehr riskant, Andere in die Sache hineinzuziehen, wenn sie nicht wirklich mutwillig Drogen ins Essen gemischt haben. In Fällen des heimlich-ins-Essen-mischens ist Betroffenen ohnehin zur Anzeige zu raten. Wer dann in einer Verkehrskontrolle „erwischt“ wird, hat es außerdem deutlich leichter, eine plausible und glaubhafte Geschichte zu erzählen.

VG Oldenburg, Beschluss vom 06.03.2018 – 7 B 938/18

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