Arbeitet ein Zeitungszusteller in Dauernachtarbeit, kann er einen Zuschlag in Höhe von 30% seines Bruttoarbeitsentgelts verlangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 10.11.2021, dass ein Zuschlag in Höhe von 30% in diesem Fall angemessen ist (10 AZR 261/20).
Ausgleich für Nachtarbeit nach ArbZG
Nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) muss der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer als Ausgleich entweder eine angemessene Anzahl freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag gewähren. Der Arbeitgeber darf wählen, für welche Art von Ausgleich er sich entscheidet.
Zuschlag in Höhe von 25% angemessen
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist ein Zuschlag für Nachtarbeit in Höhe von 25% regelmäßig als angemessen anzusehen. Das BAG weist jedoch auch darauf hin, dass hiervon sowohl nach oben als auch nach unten hin abgewichen werden kann. So ist zum Beispiel ein geringerer Zuschlag dann angemessen, wenn „überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erfordern“, so das BAG unter Verweis auf ein früheres Urteil (BAG 25. April 2018 – 5 AZR 25/17).
Höherer Zuschlag möglich
Aber unter Umständen kommt auch ein höherer Zuschlag in Betracht. Nämlich dann, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit qualitativ oder quantitativ die gewöhnlich mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt, so das BAG. Dies ist nach bisheriger Rechtsprechung des BAG dann der Fall, wenn Dauernachtarbeit gegeben ist.
Über einen solchen Fall hat das BAG nun entschieden und einen Nachtzuschlag in Höhe von 30% als angemessen angesehen.
Klage einer Zeitungszustellerin
Geklagt hatte eine Zeitungszustellerin, die für ihre Nachtarbeit einen Zuschlag von 30% verlangte. Ihr Arbeitgeber zahlte jedoch nur einen Zuschlag von 10%. Die Zustellerin arbeitete regelmäßig an allen Werktagen mehr als zwei Stunden zwischen 1.30 Uhr und 6.00 Uhr. Damit arbeitete sie gemäß § 2 Absatz 4 ArbZG dauerhaft in Nachtarbeit.
Bei Dauernachtarbeit erhöhter Zuschlag
Nach der Rechtsprechung des BAG kommt wegen der Dauernachtarbeit der Zeitungszustellerin somit eine Erhöhung des Zuschlags von regelmäßig 25% auf 30% in Betracht. Auch in diesem Fall sah das BAG ein Zuschlag von 30% als angemessen an.
Gesundheitsschutz vor wirtschaftlichen Interessen
Auch die Grundrechte des Arbeitgebers sind bei der Höhe des Zuschlags ausreichend berücksichtigt, so das BAG. Insbesondere sind nach dem Urteil des BAG die Interessen des Gesundheitsschutzes höher zu bewerten, als die wirtschaftlichen Interessen der beklagten Mediengesellschaft. Diese haben hinter dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zurückzutreten, so das BAG.
Kein Automatismus bei Dauernachtarbeit
Mit dem Urteil bestätigte das BAG die Entscheidung der Vorinstanz, zumindest im Ergebnis. Das Landesarbeitsgericht hatte entschieden, dass der für die Dauernachtarbeit zu zahlende Zuschuss von 30% unter keinen Umständen verringert werden könne. Das ist nach dem Urteil des BAG nicht richtig. Damit hat das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ nach § 6 Absatz 5 ArbZG verkannt.
Aber im Ergebnis -so das BAG- ist der Zuschlag für die Dauernachtarbeit der Zeitungszustellerin in Höhe von 30% als angemessen anzusehen. Die Klägerin kann daher Nachzahlung in Höhe von weiteren 20% Zuschlag für den eingeklagten Zeitraum verlangen. Die Klage war nun auch in letzter Instanz erfolgreich.
BAG, Urteil vom 10.11.2021– 10 AZR 261/20