Das Klimaschutzgesetz vom 12.12.2019 (BGBl. I, S. 2513) ist teilweise verfassungswidrig und nachzubessern. Das Bundesverfassungsgericht hat sich klar zum Klimaschutz positioniert und dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung gesetzt bis 31.12.2022.
Unzureichender Klimaschutz
Die Entscheidung kann als Sieg der Fridays for Future-Bewegung gesehen werden, denn sie gibt den Antragstellern in zentralen Punkten Recht. Die Antragsteller, unter ihnen zahlreiche Kinder, beanstandeten die Regelungen des Klimaschutzgesetzes. Sie machten geltend, dass die Vorgaben zur CO2-Einsparung für die Einhaltung des Pariser 1,5°-Ziels nicht ausreichen.
Der 270 Seiten umfassende Beschluss enthält bahnbrechende Feststellungen.
Klimaneutralität gemäß Art. 20a GG
Das BVerfG hat entschieden, dass Art. 20a GG das Ziel der Klimaneutralität beinhaltet. Damit stellt das Gericht klar, dass zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch der Klimaschutz gehört. Als „bloße“ Staatszielbestimmung kommt der Vorschrift zwar nicht dasselbe Gewicht zu wie Grundrechten. Aber große Bedeutung hat sie allemal, da sie bei jeglichem staatlichen Handeln zu beachten ist.
CO2-Budget als Maßstab
Das in der Wissenschaft diskutierte CO2-Budget, das prognostiziert, wie hoch die künftige CO2-Produktion höchstens ausfallen darf, um das 1,5°-Ziel noch zu erreichen, erkennt das BVerfG als Grundlage für staatliche Entscheidungen an. Das heißt, dass sich staatliche Maßnahmen am CO2-Budget und noch verfügbarer Kapazitäten orientieren dürfen.
Damit erteilt das Gericht Kritikern eine deutliche Absage, die einwenden, dass einzelne Staaten gegen den globalen Klimawandel ohnehin nichts ausrichten könnten. Das BVerfG beruft sich auf die Vorbildfunktion, der ein größeres Gewicht zukommt, da ein Mitziehen anderer Staaten zu erwarten ist.
Keine Verschiebung des Problems in die Zukunft
Neben diesen grundlegenden Feststellungen erkannte das BVerfG rechtswidrige Regelungen in dem Gesetz, da es die Reduktion der CO2-Produktion ganz wesentlich auf die Zeit nach 2030 verschiebt.
Die damit verbundene Belastung jüngerer und zukünftiger Generationen sei unzulässig, weil die erforderlichen Maßnahmen umso drastischer ausfallen müssen, je später das Problem angegangen wird.
Recht auf Zukunft
Wenn ein Unterlassen später einmal zu erheblichen Einschränkungen der Freiheitsrechte führen werde, dann sei darin bereits ein Grundrechtsverstoß zu erblicken. Bei einem unzureichenden Kampf gegen den Klimawandel ist genau das der Fall, da künftigen Generationen innerhalb kürzester Zeit gravierende Maßnahmen aufgebürdet werden.
Eingriffsähnliche Vorwirkung
Die Karlsruher Richter entschieden, dass sich hieraus eine eingriffsähnliche Vorwirkung ergibt, auf die sich die Beschwerdeführer berufen können.
Auf das bei Verfassungsbeschwerden normalerweise verlangte Erfordernis eines gegenwärtigen und unmittelbaren Eingriffs in Grundrechte verzichten die Karlsruher Richter.
Diese Modifikation des Gegenwärtigkeits- und Unmittelbarkeitserfordernisses durch die „eingriffsähnliche Vorwirkung“ ist zu begrüßen. Denn damit erlangt der Kampf für den Klimaschutz eine Grundrechtsrelevanz die er zuvor so nicht hatte.
Das bedeutet konkret, dass den CO2-Emittenten, die sich auf die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie (Art. 12, 14 GG) berufen, fortan Grundrechte entgegenzuhalten sind (Art. 2, Art. 1 GG, Art. 14 GG).
Staatliche Schutzpflicht
Klimaschützer haben fortan bessere Chancen, Maßnahmen gegen den Klimawandel aktiv durchzusetzen oder gerichtlich überprüfen zu lassen.
Der Staat ist verpflichtet, sich schützend vor die Grundrechtsträger zu stellen. Das ist rechtlich nicht neu. Mit der Entscheidung steht aber fest, dass Gerichte künftig mehr mit der Prüfung von Klimaschutzmaßnahmen zu tun bekommen.
BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR96/20, 1 BvR 78/20