Der TV-Satiriker Jan Böhmermann ist mit seiner auf Unterlassung gerichteten Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland gescheitert. Die Bundeskanzlerin hatte im April 2016 durch ihren Regierungssprecher äußern lassen, dass es sich bei dem gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdogan gerichteten Schmähgedicht um einen „bewusst verletzenden Text“ handele.
Abgabe einer UVE verweigert
Böhmermann ging dagegen vor, weil er sich in seinen Grundrechten verletzt sah. Er verlangte von der Bundesrepublik die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung (UVE). Die Bundesrepublik kam der Forderung nicht nach, stellte aber klar, dass sie die Äußerung so nicht mehr tätigen würde. Das genügte Böhmermann nicht. Er klagte auf Unterlassung und hilfsweise auf Feststellung, dass die Äußerung rechtswidrig gewesen sei.
Klage unzulässig und unbegründet
Das Verwaltungsgericht Berlin urteilte, dass die auf Unterlassung gerichtete Klage unzulässig ist. Die erforderliche Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da sich die Kanzlerin noch im April 2016 von der Äußerung distanziert habe. Außerdem wurde auch im Gerichtsverfahren für die Bundesrepublik klargestellt, dass sich die Äußerung nicht wiederholen werde.
VG: Äußerung rechtens
Davon abgesehen sei die Äußerung rechtmäßig, denn die Kanzlerin habe sich im Rahmen ihrer Befugnisse geäußert. Im Rahmen der Staatsleitung sei die Kanzlerin befugt, öffentliche Äußerungen abzugeben. Die vorliegende Äußerung entsprach nach Auffassung der Berliner Verwaltungsrichter dem Sachlichkeitsgebot. Eine Vorverurteilung Böhmermanns sei mit der Äußerung nicht verbunden. Vielmehr handele es sich um ein vertretbares Werturteil. Zu berücksichtigen sei außerdem das öffentliche Informationsinteresse der Bevölkerung und das Interesse an einem transparentem Regierungshandeln. In der Erklärung sei zudem der hohe Stellenwert der Presse- und Meinungsfreiheit zum Ausdruck gekommen und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
Ob es sich bei dem „Schmähgedicht“ um Satire handelt, ließen die Berliner Richter dahinstehen. Die Äußerung bewirke keine unangemessenen Nachteile für Böhmermann. Die Klage wurde daher vollen Umfangs abgewiesen.
Demnächst mehr vom OVG
Sicher wird das nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit sein. Böhmermann, der mit seinem Schmähgedicht ein Lehrstück in Sachen Satirefreiheit geliefert hat, wird sich mit der Niederlage voraussichtlich nicht zufrieden geben. Es steht daher bald eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg zu der Sache an.
Leuten wie ihm haben wir es zu verdanken, dass sich Gerichte mit den Grenzen der Satire befassen. Dass der gute Geschmack nicht zugleich die Grenze der Satire ist, leuchtet ein. Klar erscheint auch, dass das Schmähgedicht zu weit geht.
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Interessant an der VG-Entscheidung ist, dass ein Wegfall der Wiederholungsgefahr ohne Abgabe einer UVE angenommen wurde. Entscheidungen, in denen die Wiederholungsgefahr ohne Strafbewehrung entfällt, sind eine Seltenheit. Ganz bestimmt profitiert die beklagte Bundesrepublik von ihrem „Amtsbonus“, denn man darf wohl darauf vertrauen, dass sie ihre Distanzierung ernst meint.
Nach der gewählten Begründung kommt es darauf aber nicht an, denn wenn die Äußerung rechtmäßig war, bestünde selbst bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kein Unterlassungsanspruch.
Interessant ist die Entscheidung aber dennoch, denn der Wegfall der Wiederholungsgefahr bei einer bloßen Distanzierung muss bei „normalen“ Bürgern eigentlich genauso gelten. Ob hier dieselben Maßstäbe angelegt werden, bleibt abzuwarten.
VG Berlin, Pressemitteilung vom 16.04.2019
VG Berlin, Urteil vom 16.04.2019 – 6 K 13.19 (Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags lagen die Entscheidungsgründe nicht vor, der Beitrag wurde auf Grundlage der Pressemitteilung erstellt.)