Ansprüche können nach Eintritt der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden. Die regelmäßig drei volle Jahre nach Anspruchsentstehung endende Verjährung (§ 195 BGB) kann durch rechtzeitige Klageerhebung gehemmt werden. Dabei sind indessen Mindestanforderungen an die Klageschrift zu berücksichtigen.
Minimalklage
Kurz vor Jahresende gehen bei den Gerichten zahlreiche Klagen ein, die den Zweck haben, die Verjährung zu hemmen. Anwälte beschränken sich oft nur auf das Nötigste, weil oft nicht genug Zeit für eine sorgfältige Vorbereitung ist. Solche Schnellschüsse erfüllen aber häufig nicht die Mindestvoraussetzungen zur Hemmung der Verjährung.
Über einen solchen Fall hatte das Landgericht München zu entscheiden.
Der Kläger machte Ansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend. Wie in solchen Fällen üblich, verklagte er den Fahrer und dessen Versicherer. Bei Gericht ging die Klage nur einen Tag vor Ablauf der Verjährung am 30.12.2016 ein.
Die im Prozess erhobene Einrede der Verjährung ließ das Amtsgericht nicht gelten. Es verurteilte beide Beklagte. Einer der Beklagten – der Versicherer – gab sich damit nicht zufrieden und ging zum Landgericht in Berufung. Mit Erfolg:
Das Landgericht München I urteilte, dass die Klageschrift nicht die für die Hemmung der Verjährung erforderlichen Anforderungen erfüllt. Die Klage wurde daher gegen den Versicherer wegen Verjährung abgewiesen, gegen den Fahrer aber bestätigt.
„worum es geht“
Eine Klageschrift muss eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des geltend gemachten Anspruchs enthalten (§ 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO). Diese Angaben müssen so konkret und individuell sein, dass der Beklagte in die Lage versetzt wird, den Sachverhalt von anderen Geschehnissen abgrenzen zu können. Die Individualisierung kann dabei auch durch Bezugnahme auf Anlagen erfolgen, sofern diese aus sich heraus verständlich sind. Diese Anforderungen waren nach Auffassung des Landgerichts nicht erfüllt.
Empfängerhorizont
Maßgeblich für die Hemmungswirkung nach § 204 BGB ist die Sicht des Empfängers. Diese unter Juristen als „Empfängerhorizont“ bezeichnete Sicht legt den Wissens- und Kenntnisstand des Adressaten zugrunde. Der Vorschrift liegt nämlich eine Warnfunktion zugrunde. Der Schuldner muss den Willen erkennen, dass der Kläger einen bestimmten Anspruch geltend macht. Denn nur so kann er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen. Hier kam es daher darauf an, wie die Versicherung die Klageschrift verstehen durfte.
Keine Faustregel
Die Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung können nicht allgemeingültig festgelegt werden. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Im Einzelfall des LG München hätte bei der Klage gegen die Versicherung zumindest angegeben werden müssen
– wer die versicherte Person ist und
– welches Fahrzeug konkret versichert ist.
Diese Angaben können sich zwar aus der polizeilichen Ermittlungsakte ergeben. Diese muss aber – wenn sie der Individualisierung dienen soll – der Klageschrift beigefügt werden. Wenn in der Klage die Beiziehung der Ermittlungsakte beantragt wird, wie es der Kläger hier getan hat, genügt das nicht.
Hintergrund: Die Entscheidung ist sehr relevant für die Hemmung der Verjährung. Ob die Hemmung der Verjährung erreicht werden kann, hängt vom Adressaten der Klage ab, denn dieser muss erkennen können, worum es geht. Besonders an dem Fall war, dass der auch verklagte Fahrer keine Verjährungseinrede erhoben hatte.
Dass diesem die Verjährung nicht zugute kam, ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn das Gericht beachtet diesen Einwand nur dann, wenn er geltend gemacht wird.
Aber auch dann, wenn der Fahrer die Verjährungseinrede erhoben hätte, wäre er wohl verurteilt worden. Denn bei Zugrundelegung des Empfängerhorizonts des Fahrers zugrunde legt, hätte dieser wohl allein anhand des Datums erkennen können, um welchen Vorfall es sich handelt. Die mit § 204 BGB bezweckte Warnfunktion wäre daher wohl auch mit einem sehr spartanischen Sachvortrag erreicht.
LG München I, Endurteil v. 02.11.2018 – 17 S 6211/18