Keine Pflicht zur Herausgabe der privaten Handynummer an Arbeitgeber (Thüringer LAG, Urt. v. 16.05.2018– 5 Ca 163/17 und 5 Ca 125/17)

Ein Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber seine private Handynummer mitzuteilen, damit dieser außerhalb einer Rufbereitschaft für einen Notdienst erreichbar ist. So entschied das Thüringer Landesarbeitsgericht (Thüringer LAG) in seinem Urteil vom 16.05.2018 (5 Ca 163/17 und 5 Ca 125/17).

Der Fall:

Die Parteien stritten um die Rechtmäßigkeit von Abmahnungen. Der beklagte Landkreis sprach gegenüber zwei Mitarbeitern, den Klägern, eine Abmahnung aus, weil diese sich weigerten, ihre private Handynummer herauszugeben. Hintergrund war die Änderung der Organisation des Bereitschaftsdienstes im Gesundheitsamt. Der Bereitschaftsdienst am Wochenende, Feiertagen und an so genannten Brückentagen wurde über die Einteilung von Mitarbeitern organisiert, welche über ein Diensthandy erreichbar sein sollten. Außerhalb dieses Bereitschaftsdienstes sollten im Notfall Mitarbeiter nach dem Zufallsprinzip angerufen werden und eine Bereitschaft durch die Erreichbarkeit über das private Telefon sichergestellt werden. Die Beklagte forderte ihre Mitarbeiter auf, ihre private Festnetznummer sowie ihre private Mobilfunknummer herauszugeben. Zwei Mitarbeiter gaben ihre privaten Festnetznummern an, weigerten sich jedoch, auch ihre privaten Handynummern mitzuteilen. Sie fühlten sich in ihrer Privatsphäre verletzt. Die Beklagte sprach gegenüber diesen Mitarbeitern aufgrund der Weigerung eine Abmahnung aus. Daraufhin erhoben die Mitarbeiter Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht und verlangten die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, mit Erfolg. Der beklagte Landkreis legte hiergegen Berufung vor dem Thüringer LAG ein.

Die Entscheidung:

Das Thüringer LAG bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts in erster Instanz und gab damit auch in zweiter Instanz den klagenden Mitarbeitern Recht. Der beklagte Landkreis muss die Abmahnungen zurücknehmen und aus den Personalakten entfernen. Die ausgesprochenen Abmahnungen waren rechtswidrig, so das Thüringer LAG. Nach Auffassung des Thüringer LAG kann der beklagte Landkreis nicht verlangen, dass die Mitarbeiter ihre private Handynummer für eine Erreichbarkeit außerhalb der Rufbereitschaft an ihren Chef herausgeben. Die Weigerung der Mitarbeiter war daher rechtmäßig und die hierfür ausgesprochene Abmahnung durch den beklagten Landkreis rechtswidrig. Es könne dahin stehen, ob überhaupt eine Anspruchsgrundlage für die Herausgabe der privaten Handynummer gegeben sei, so das Thüringer LAG. In jedem Fall wäre ein solcher Anspruch durch das Thüringer Landesdatenschutzgesetz begrenzt. Bei der Pflicht zur Herausgabe der privaten Handynummer liegt ein erheblicher Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen vor. Dieser Eingriff wäre nur dann angemessen und gerechtfertigt, wenn nach vorgenommener Abwägung die berechtigten Interessen des Arbeitgebers überwiegen. Nach Auffassung des Thüringer LAG greift die Pflicht zur Bekanntgabe der privaten Handynummer besonders tief in die Sphäre des Arbeitnehmers ein. So könne sich der Arbeitnehmer „aufgrund der ständigen Erreichbarkeit dem Arbeitgeber ohne Rechtfertigungsdruck nicht mehr entziehen und so nicht zur Ruhe kommen“. Bei der Abwägung von Bedeutung war auch, dass der beklagte Landkreis durch die Umstrukturierung des Bereitschaftsdienstes die Problemlage selbst herbeigeführt habe. Zudem stünden dem beklagten Landkreis als Arbeitgeber andere Möglichkeiten zur Absicherung der Notfälle zur Verfügung. Aus diesen Gründen musste die Abwägung aus Sicht des Thüringer LAG zu Gunsten der klagenden Mitarbeiter ausfallen. Die Pflicht zur Herausgabe der privaten Handynummer verstößt gegen das Thüringer Landesdatenschutzgesetz und ist damit rechtswidrig. Die beklagten Mitarbeiter durften daher die Herausgabe ihrer privaten Handynummer verweigern. Die Abmahnungen waren rechtswidrig und müssen nach der Entscheidung des Thüringer Landesdatenschutzgesetzes zurückgenommen und aus den Personalakten entfernt werden.

Thüringer LAG, Urteil vom 16.05.2018 – 5 Ca 163/17 und 5 Ca 125/17

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