Auch im Jahr 2018 haben Anwälte wieder eine Umlage für das beA zu entrichten. Die sperrige Bezeichnung “besonderes elektronisches Anwaltspostfach” ist Programm: nachdem Ende 2017 schwere Sicherheitslücken gefunden wurden, nahm die federführende Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) das beA vom Netz und versprach die schnelle Behebung der Mängel.
Sicherheit vor Schnelligkeit
Eine Wiederinbetriebnahme ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: kürzlich wurde bekannt, dass neue bislang unbekannte Mängel an der Sicherheitsarchitektur des beA gefunden worden sind. Die fehlende Ende-zu-Ende Verschlüsselung ist einer der Hauptgründe, warum das beA nach dem derzeitigen Konzept immer wieder Angriffsfläche bietet. Ob das Flicken der Lücken eine langfristige Lösung bietet, darf bezweifelt werden. Die BRAK scheint weiterhin auf Flickschusterei zu setzen als auf einen konzeptionellen Neuanfang. Kein Wunder: Das alte beA-Konzept zu verwerfen würde einem Geständnis des Versagens auf ganzer Linie gleichkommen. Diesen Zeitpunkt scheinen die beA-Verantwortlichen nun hinauszögern zu wollen. Auf Kosten aller deutschen Anwälte.
8,7 Millionen Euro frisches Geld
Dass die BRAK nun auch im Jahr 2018 erneut Geld über die regionalen Anwaltskammern einsammeln lässt, wirkt befremdlich. Bei einer Umlage von 58 Euro je Anwalt kommt die stattliche Summe von 8,7 Millionen Euro zusammen (bei derzeit ca. 150.000 Anwälten), die für die Aufrechterhaltung und Bearbeitung eines Systems verwendet werden soll, das grundlegende konzeptionelle Mängel aufweist. Die fehlende wirkliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird nämlich auch künftig der entscheidende Schwachpunkt des Systems sein. Fest steht, dass dadurch immer wieder Lücken auftreten werden. Die goldenen Zeiten für Programmierer sind also gesichert, zum Leidwesen der Anwaltschaft.
Widerspruch gegen die beA-Umlage
Leider lässt die BRAK derzeit Transparenz vermissen. Anstatt über den Fortgang der Reparaturbemühungen offen Auskunft zu geben, versuchte die BRAK offenbar, abermals festgestellte Sicherheitslücken von der Öffentlichkeit fernzuhalten (Golem, 29.03.2018): in einem an die Rechtsanwaltskammern gerichteten Schreiben habe die BRAK über weitere Sicherheitsmängel berichtet, die vorerst nicht öffentlich gemacht werden sollten. Dieser Vorgang ist ein Paradebeispiel für desaströses Krisenmanagement, denn den Verantwortlichen bei der BRAK hätte klar sein müssen, dass die Bitte um Verschwiegenheit vergeblich sein wird. Bei den meisten Kammern der Bundesländer ist nämlich der Frust mittlerweile genauso hoch wie bei deren Mitgliedern. Denn dass die Fehler bei dem jahrelang mit Millionenbeträgen entwickelten System kein Ende zu nehmen scheinen, ist denjenigen, die dafür bezahlen sollen, kaum zu vermitteln. Schon gar nicht dann, wenn sie gerade neben dem Kammerbeitrag zur Sonderumlage für das beA herangezogen werden.
Die Anwälte werden mittels Sonderumlage zur Kasse gebeten. Diese wird durch einen Verwaltungsakt erhoben, gegen den binnen Monatsfrist Widerspruch erhoben werden kann (§ 70 Absatz 1 VwGO). Daraufhin wird ein Widerspruchsbescheid ergehen, gegen den, sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wird, wiederum innerhalb eines Monats Klage erhoben werden muss (§ 74 Absatz 1 VwGO). Für all diejenigen, die die Widerspruchsfrist oder die Klagefrist versäumen, werden die Verwaltungsakte unanfechtbar. Das bedeutet, dass die Pflicht zur Zahlung der Umlage auch dann besteht, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist.
Da nunmehr gut drei Monate nach Abschaltung des beA immer noch kein handfestes Konzept vorliegt, liegt es nahe, Widerspruch gegen die Sonderumlage zu erheben und dagegen zu klagen. Da es sich um einen belastenden, weil zur Zahlung verpflichtenden, Verwaltungsakt handelt, ist die Umlage nur dann rechtens, wenn sie auf einer Rechtsgrundlage beruht. Rechtsgrundlage für die Sonderumlage sind die in den Beitrags-, Gebühren- und Umlageordnungen der regionalen Rechtsanwaltskammern geregelten Vorschriften für Sonderumlagen. Im M-V wurde eigens für das beA ein Paragraph geschaffen, § 3 der Beitrags-, Gebühren- und Umlageordnung (GBOU, 26.04.2016). Dieser bestimmt, dass die Kammer zum Ausgleich der Kostenerstattung, die die BRAK für die Einrichtung und Unterhaltung des beA gegenüber der Rechtanwaltskammer M-V geltend macht, und für Verwaltungskosten eine jährliche Umlage erheben darf. Höhe und Fälligkeit der in einem separaten Haushalt geführten Umlage werden alljährlich neu festgelegt. Umgelegt werden dürfen lediglich Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung des beA (§ 3 Absatz 1 GBUO). Das beA, das für Anwälte am 01.01.2018 verpflichtend werden sollte, ist seit 2016 in Betrieb. Das bedeutet, dass Kosten für die “Einrichtung” nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern allenfalls für die “Unterhaltung”. Der Tatbestand des § 3 Absatz 1 GBUO sieht keine Umlage für die abermalige Einrichtung des beA vor und ebenso wenig für dessen Überarbeitung. Gegenwärtig (03/2018) wären allein Kosten umlagefähig, die der Unterhaltung des beA dienen. Ob die Unterhaltung des gar nicht aktiven beA 8,7 Millionen Euro Kosten verursacht, darf bezweifelt werden. Vielmehr wird dieses Geld wohl zum größten Teil für die Aufarbeitung der Mängel verwendet, um das beA erneut ans Netz zu bringen. Da die “Einrichtung” bereits im Jahr 2016 abgeschlossen war und diese Kosten nicht der “Unterhaltung” dienen, wäre die Umlage rechtswidrig. Selbstverständlich werden die BRAK und die regionalen Kammern gegenteilig argumentieren und es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Gericht die Begriffe “Einrichtung” und “Unterhaltung” sehr weit interpretiert. Angesichts des klaren Wortsinns der Begriffe wäre das aber rechtlich sehr bedenklich. Dass die Kosten im Einzelnen unbekannt sind, sollte niemanden von der Erhebung des Widerspruchs abhalten, denn darlegungspflichtig für die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind die Kammern, die die Sonderumlage geltend machen.
Im Hinblick auf die Verwendung des Geldes sind die Argumente für eine Rechtswidrigkeit der Umlage eher dünn. Denn die BRAK kann zur Umsetzung ihres gesetzlichen Auftrags alles aus ihrer Sicht Notwendige veranlassen. Sofern dazu eine kostpielige Fehlersuche und -beseitigung erforderlich ist, dürfte auch das vom gesetzlichen Auftrag gedeckt sein (§ 31a BRAO). Dieser gesetzliche Auftrag entbindet aber weder die BRAK noch die regionalen Anwaltskammern vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 19 Absatz 1, 20 Absatz 3 GG), das bedeutet, dass die regionalen Kammern der Bundesländer nur dann Kosten an die Mitglieder durchreichen dürfen, wenn dafür hinreichende Ermächtigungsgrundlagen existieren. Bei der in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Rechtslage ist das aus den oben genannten Gründen zu bezweifeln und die Argumente sind auf andere Bundesländer mit gleichlautenden Rechtsgrundlagen übertragbar.
Ein transparenter Umgang mit dem beA-Dillemma ist längst überfällig. Wenn sich genügend Anwälte für einen Widerspruch gegen die beA-Umlage entscheiden, würde das immerhin ein Zeichen setzen. Der Frust ist bei den meisten Anwälten hoch. Dennoch ist nicht mit einer Flut an Widersprüchen zu rechnen. Der Grund ist einfach und liegt auf der Hand: in eigener Sache erhebt kein Anwalt Widerspruch, um 58 Euro im Jahr zu sparen. Denn die dafür aufgewendete Zeit ist besser angelegt, wenn der Anwalt Mandate bearbeitet, denn damit verdient er regelmäßig ein Vielfaches dessen, was er bei einem erfolgreichen Widerspruch ersparen würde. So werden Widersprüche und Klagen gegen die Umlage eine Sache für Idealisten und gelangweilte Rechtsanwälte bleiben und die BRAK kann weiter auf Kosten aller Anwälte herumwurschteln. Die Grundlage für weitere spannende Schlagzeilen dürfte damit gelegt sein.