Schlechte Bewertung einer Gaststätte in Bewertungsportal mit 1 von 5 Sternen rechtfertigt Unterlassungsanspruch (LG Hamburg, Urt. v. 12.01.2018 – 324 O 63/17)

Negative Bewertungen haben für Gewerbetreibende mitunter erhebliche nachteilige Auswirkungen, denn potenzielle Kunden oder Gäste erkundigen sich in erster Linie über das Internet. Kein Wunder, dass die Möglichkeit, Hotels, Gaststätten, Ärzte und Rechtsanwälte zu bewerten zu Missbrauch einlädt, beispielsweise durch fingierte Bewertungen von Konkurrenten. Die Rechtsprechung ist zu solchen Fällen nicht einheitlich, nicht zuletzt aufgrund der für Betroffene schwierigen Beweislage. Denn in den seltensten Fällen gelingt der Nachweis, dass eine Bewertung nicht von einem eigenen Kunden stammt, sondern von einem missliebigen Konkurrenten, dem es gar nicht um die ehrliche Bewertung geht, sondern darum, dem Konkurrenten einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Über einen solchen Fall hat das Landgericht Hamburg entschieden:

Der Kläger betreibt eine Gastwirtschaft. Im Internet wurde diese mit einem von fünf Sternen bewertet. Von der Möglichkeit, bei der Bewertung einen freien Text einzugeben, hat der Urheber der Bewertung, eine Person namens „A.K.“, keinen Gebrauch gemacht. „A.K.“ war dem Kläger nicht bekannt und konnte vom Kläger auch nicht ermittelt werden. Im Prozess behauptete der Kläger, dass „A.K.“ zu keiner Zeit Gast oder Kunde der Gastwirtschaft gewesen sei. Der Kläger forderte den Betreiber des Portals auf, die Bewertung zu löschen. Dieser weigerte sich. Aus seiner Sicht handele es sich bei der 1-Stern-Bewertung um eine zulässige Meinungsäußerung. Dafür sei nicht erforderlich, dass „A.K.“ Gast oder Kunde gewesen sei. Vielmehr hätte es durchaus sein können, dass „A.K.“ das Gebäude nicht gefallen habe oder lediglich telefonischer Kontakt bestanden habe. Der Gastwirt klagte auf Unterlassung. Mit Erfolg:

Das Landgericht Hamburg verurteilte den beklagten Portalbetreiber – eine Suchmaschine – zur Unterlassung. Die Bewertung mit einem von fünf möglichen Sternen greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Absatz 1 i. V. m. Art. 2 Absatz 1 GG) des Klägers ein. Der Beklagte hafte als mittelbarer Störer, da er seiner Prüfpflicht nicht nachgekommen sei. Zwar habe der Beklagte die persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerung nicht selbst veranlasst, vielmehr sei dies durch einen Dritten, nämlich „A.K.“ geschehen. Der Beklagte profitiert daher von der Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG und hafte daher nicht unmittelbar. Allerdings sei der Beklagte zur Abhilfe verpflichtet, wenn er von einem Rechtsverstoß Kenntnis erlange. Diese Voraussetzungen bejahte das Hamburger Gericht: Die Bewertung der Gaststätte mit einem von fünf Punkten sei eine Meinungsäußerung, denn sie spiegele das Dafürhalten des Verfassers wider und lasse sich nicht als wahr oder unwahr qualifizieren. Meinungen sind sehr weitreichend geschützt, denn sie unterfallen grundsätzlich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG. Unzulässig sind Meinungsäußerungen allerdings dann, wenn sie nicht dem Meinungsbildungsprozess dienen, sondern einseitig der Herabwürdigung dienen, was bei der so genannten Schmähkritik der Fall ist, oder wenn es sich um Formalbeleidigungen handelt. Wenn weder eine Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung vorliegt, bestimmt sich die Rechtmäßigkeit einer Äußerung anhand einer Abwägung der betroffenen Rechtspositionen. Bei dieser Abwägung berücksichtigte das Landgericht Hamburg das allgemeine Persönlichkeitsrecht des klagenden Gastwirts nach Art. 1 Absatz 1 i. V. m. Art. 2 Absatz 1 GG und auf der anderen Seite das Recht des Portalbetreibers am Betrieb seines Dienstes, der nicht zuletzt auch der Meinungsfreiheit dient. Dabei fiel ins Gewicht, dass die 1-Punkt-Bewertung ohne Freitext nicht erkennen ließ, welche Gründe der Verfasser für die schlechte Bewertung hatte. In solchen Fällen hätte der Portalbetreiber Kontakt mit „A.K.“ aufnehmen müssen und diesen nach den Beweggründen für die Bewertung befragen müssen. Diese nachträgliche Prüfpflicht sei durch § 10 TMG nicht ausgeschlossen, denn diese Vorschrift entbindet den Portalbetreiber nicht generell, vielmehr haftet der Host-Provider sehr wohl – und zwar ab Kenntnis einer Rechtsverletzung.

Hintergrund: Die Entscheidung ist von erheblicher praktischer Bedeutung, denn sie betrifft nahezu alle Gewerbetreibenden und Selbständigen, die auf Kundenkontakt angewiesen sind und für die negative Bewertungen in Portalen nachteilige wirtschaftliche Folgen haben. Die Entscheidung bewegt sich in einem schwierigen Konfliktfeld. Einerseits ist nicht einzusehen, warum Personen und Unternehmen mit Bewertungen grundlos schlecht gemacht werden. Andererseits setzt die Meinungsfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG) das Vorliegen bestimmter Gründe gerade nicht voraus. Sicher ist, dass das Urteil des Hamburger Landgerichts nicht das letzte Wort in Sachen schlechter Bewertungen darstellt. Von einer einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung geschweige denn höchstrichterlichen Rechtsprechung sind wir noch weit entfernt. Angesichts der erheblichen Auswirkungen solcher Bewertungen ist die Entscheidung aus Sicht betroffener Gewerbetreibender und Selbständiger zu begrüßen. Ob sie aber einer Überprüfung standhält, darf aber bezweifelt werden, denn die Entscheidung läuft darauf hinaus, dass Meinungsäußerungen fortan überprüft werden müssen. Das ist mit Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG wohl kaum zu vereinbaren. Kritisch hinterfragt werden muss auch, ob eine von zahlreichen Bewertungen tatsächlich einen so gewichtigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Im entschiedenen Fall waren zahlreiche weitere positive Bewertungen vorhanden und der Durchschnitt betrug 4,0 Punkte von 5 Punkten. Rechtlich wäre es daher ohne Weiteres vertretbar, eine einzige Ausreißerbewertung bereits nicht als persönlichkeitsrechtsverletzend anzusehen. Zu kurz greifen die Erwägungen des Landgerichts auch zur Zumutbarkeit von nachträglichen Prüfpflichten bei Portalbetreibern. Wenn das Landgericht tatsächlich erwartet, dass Portalbetreiber bei substanzarmen Bewertungen, d. h. bei solchen ohne Freitext, immer Kontakt mit den Verfassern aufzunehmen, um die Hintergründe zu ermitteln, wäre das wohl der Todesstoß für das Geschäftsmodell der Bewertungsportale, denn diese ließen sich dann nur noch mit einem erheblichen sachlichen und personellen Aufwand betreiben. Dass sich die Substanzarmut von Äußerungen, die gemeinhin gerade das Vorliegen von Meinungsäußerungen indiziert, sich faktisch gegen eine Äußerung wendet, lässt sich mit der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung nicht überzeugend in Einklang bringen.

LG Hamburg, Urteil vom 12.01.2018 – 324 O 63/17

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