Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hält Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städten für grundsätzlich zulässig, sofern diese verhältnismäßig sind.
Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf zum Diesel-Fahrverbot in Innenstädten haben für großes Aufsehen gesorgt (VG Stuttgart – 13 K 5412/15 und VG Düsseldorf – 3 K 7695/15). Geklagt hatte die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH), die die Maßnahmen zur Luftreinhaltung für unzureichend hielt. Bei der DUH handelt es sich um einen nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverband, der von Gesetzes wegen zur gerichtlichen Geltendmachung von Umweltvorgaben befugt ist. Anlass der Klagen waren die seit Jahren überschrittenen Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2), die trotz zahlreicher Maßnahmen nicht eingehalten worden sind. In letzter Konsequenz, so forderte der Kläger, müsse ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in Innenstädten erlassen werden. Allein Bemühungen reichen nicht aus, so der Kläger, denn aus dem EU-Recht sei eine Ergebnisverpflichtung herzuleiten. Die im Jahr 2015 anhängig gemachten Verfahren, die zunächst Luftreinhaltepläne aus den Jahren 2012 und 2013 zum Gegenstand hatten, haben durch die Affäre um manipulierte Abgasbehandlungssysteme eine neue Dimension bekommen, denn Ermittler aus den USA führten zutage, dass die Verfahren zur NOX-Reduktion praktisch wirkungslos sind. Die von der Autoindustrie praktizierten Betrügereien – erwischt wurde zunächst VW – fielen im Autoland Deutschland nicht auf, unter anderem, weil die Behörden in Sachen Autoindustrie traditionell beide Augen zudrücken. Um Verbände, wie ADAC oder AvD, die technisch und personell den Betrügereien eigentlich spielend auf die Spur hätten kommen können, war es auffallend ruhig. Nicht zuletzt der in Deutschland funktionierenden Gewaltenteilung ist es zu verdanken, dass die Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf den Weg frei machten für Diesel Fahrverbote. Die Gerichte entschieden, dass dann, wenn alle anderen Maßnahmen zur Erreichung der Grenzwerte keinen Erfolg haben, Fahrverbote erlassen werden müssen. Derzeit – so urteilten die Gerichte – seien keine Alternativen erkennbar. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen ließen die VGs die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zu (§ 134 Absatz 2 Satz 1, § 132 Absatz 2 Nummer 1 VwGO). Das hat zur Folge, dass nicht erst die jeweiligen Oberverwaltungsgerichte, sondern gleich das oberste deutsche Verwaltungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), mit der Sache befasst wurde. Die Sprungrevision verkürzte den Gegnern der Fahrverbote die Zeit zum Durchatmen, des es kommt, anders als im normalen Verfahrensgang mit Entscheidungen der OVGs, etwa ein bis zwei Jahre früher zu einer höchstrichterlichen Entscheidung.
Die Linie der Verwaltungsgerichte wurde nun vom BVerwG weitestgehend bestätigt. Das BVerwG urteilte, dass die Städte nach der gegenwärtigen Rechtslage berechtigt sind, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu verhängen, wenn die Grenzwerte nicht anders eingehalten werden können. Die Verhängung von Fahrverboten muss allerdings – wie das bei allen staatlichen Handlungen vorausgesetzt wird – dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Das erfordert unter anderem, dass keine gleich geeigneten milderen Mittel mehr verfügbar sind, um dem Problem Herr zu werden. Da sich viele Städte bereits am Ende der Möglichkeiten sehen, dürfte die Voraussetzung – zumindest in Ballungsräumen – problemlos zu bejahen sein. Erforderlich ist nach Auffassung der höchsten deutschen Verwaltungsrichter auch, dass Fahrverbote nicht auf einen Schlag, sondern phasenweise eingeführt werden und Ausnahmen beinhalten, z. B. für Handwerker.
BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 – 7 C 26.16 und Urteil vom 27.02.2018 – 7 C 30.17