Vom „Equal-Pay“-Grundsatz (gleiches Arbeitsentgelt bei vergleichbaren Arbeitnehmern) kann durch Tarifvertrag abgewichen werden, zumindest in einem zeitlich begrenzten Rahmen. Das Arbeitsgericht Gießen bestätigte mit seinem Urteil vom 14.2.2018 (7 Ca 246/17) die geänderten Vorschriften zu „Equal-Pay“ im Zusammenhang mit der Reform des AÜG. In seinem Urteil wies das Arbeitsgericht Gießen darauf hin, dass von dem Gleichstellungsgrundsatz vergleichbarer Arbeitnehmer insbesondere auch im Hinblick auf das Arbeitsentgelt durch Tarifvertrag abgewichen werden kann. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2 AÜG. Aus § 8 Abs. 4 AÜG ergibt sich jedoch auch, dass Leiharbeitnehmer nach spätestens 9 Monaten Einsatzzeit, in besonderen Fällen auch erst nach 15 Monaten Einsatzzeit, das gleiche Arbeitsentgelt wie vergleichbare Arbeitnehmer zu erhalten haben.
Geklagt hatte ein Leiharbeitnehmer, der bei einem Unternehmer der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt war. Der Kläger begehrte die Zahlung von Arbeitsentgelt basierend auf den Tarifverträgen der Metall -und Elektroindustrie, somit ein Arbeitsentgelt, das dem Arbeitsentgelt der direkt im Unternehmen angestellten und vergleichbaren Arbeitnehmern entspricht. Tatsächlich erhielt der Kläger ein Arbeitsentgelt nach den Tarifverträgen der Leiharbeitsbranche. Dieses lag deutlich unter dem Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer, für welche die Tarifverträge der Elektro- und Metallindustrie Anwendung finden. Der Kläger fühlte sich hierdurch benachteiligt und stellte sich auf den Standpunkt, dass die große Differenz der Arbeitsentgelte nicht von der Tariföffnungsklausel gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 AÜG gedeckt sein könne. Stattdessen habe eine richtlinienkonforme Auslegung des § 8 Abs. 2 S. 1 AÜG zu erfolgen, mit der Folge, dass die große Vergütungsdifferenz nicht von der Tariföffnungsklausel gedeckt sein kann und die Leiharbeit des Klägers auch nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie zu vergüten sei. Dem folgte das Arbeitsgericht Gießen nicht und wies die Klage des Leiharbeitnehmers auf „Equal-Pay“ ab. Das Arbeitsgericht Gießen stellte klar, dass durch die Tarifverträge der Leiharbeitsbranche in zulässiger Weise vom „Equal-Pay“-Grundsatz des § 8 Abs. 1 AÜG abgewichen werden darf. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 1 AÜG. Auch den vom Kläger geforderten Schutz der Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Höhe des Arbeitsentgeltes berücksichtigt die gesetzliche Regelung des § 8 AÜG. So regelt § 8 Abs. 2 S. 1 AÜG, dass durch Tarifvertrag vom „Equal-Pay“- Grundsatz abgewichen werden kann, soweit die entsprechenden Mindestentgelte gemäß Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 AÜG gezahlt werden. Hinzu kommt die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 4 AÜG, dass das Arbeitsentgelt spätestens nach einer Einsatzzeit von 9 Monaten entsprechend dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer anzupassen ist, in besonderen Fällen nach 15 Monaten. Diese vom Gesetzgeber eingeführte zeitliche Grenze der Abweichung vom „Equal-Pay“- Grundsatz berücksichtigt in ausreichendem Maße den Schutz der Leiharbeitnehmer. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von „Equal Pay“ ist zum Zeitpunkt der Entscheidung daher nicht gegeben.
Hintergrund: Mit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsrechtes ist am 01.4.2017 das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Kraft getreten. Mit dieser Reform ist der „Equal Pay“-Grundsatz (=gleicher Lohn für gleiche Arbeit) nun auch auf Leiharbeitsverhältnisse übertragen worden. Nach spätestens neun Monaten Einsatzzeit muss der Leiharbeitnehmer hiernach den gleichen Lohn wie vergleichbare Mitarbeiter erhalten. Kommen Branchenzuschlagstarifverträge zur Anwendung, müssen diese nach spätestens 15 Monaten eine Entgeltstufe vorsehen, die mit dem Entgelt vergleichbarer Stammmitarbeiter vergleichbar ist. Eine Abweichung vom „Equal Pay“- Grundsatz durch einen Tarifvertrag ist nach § 8 Abs. 2 AÜG grundsätzlich möglich, dies unter Beachtung der zeitlichen Begrenzung gemäß § 8 Abs. 4 AÜG.
Arbeitsgericht Gießen, Urteil vom 14.02.2018 – 7 CA 246/17