Für Aufregung sorgt ein Urteil des Landgerichts Berlin, welches sich mit der Flächenberechnung für Balkone befasst hat und feststellt, dass die Fläche von Balkonen in Berlin anstatt mit 50 % nur mit 25 % berücksichtigt werden darf.
Anlass des Streits war eine Mieterhöhung. Wie oft in solchen Fällen bestritt der Mieter die Größe der Wohnung. Denn für tatsächlich nicht vorhandene Flächen brauchen Mieter keine Miete zahlen und selbstverständlich keine Mieterhöhung. In erster Instanz urteilte das Amtsgericht, dass die Fläche des zur Wohnung gehörenden Balkons mit 50 % zu veranschlagen sei. Dem widersprach das Landgericht: Für die Bemessung der Wohnungsgröße sei die Wohnflächenverordnung heranzuziehen, die für Balkone eine Berücksichtigung zu 25 % vorsehe. Zwar komme durchaus auch eine Berücksichtigung zu 50 % in Betracht. Das setze aber eine örtliche Verkehrssitte bzw. Übung voraus, die in Berlin nicht festgestellt werden könne. Die Mieterhöhung war daher nur teilweise berechtigt. Da die Berücksichtigung der Balkongröße – insbesondere ob in Berlin eine von der Wohnflächenverordnung (WFlV) abweichende Übung existiert – einer einheitlichen Klärung bedarf, ließ das Landgericht die Revision zu.
Hintergrund: Bei Zugrundelegung der Entscheidung des Landgerichts Berlin muss davon ausgegangen werden, dass Millionen Mieter zu viel Miete zahlen. Denn in zahlreichen Mietverträgen im gesamten Bundesgebiet wird die Größe des Balkons mit 50 % veranschlagt. Relevant ist die Berücksichtigungsquote nicht bloß für die laufenden Mietzahlungen, sondern auch für Betriebskostenabrechnungen, soweit Verteilerschlüssel an die Wohnungsgröße anknüpfen, oder für Mieterhöhungen, die bei einer geringeren Wohnungsgröße niedriger ausfallen. Über die Brisanz der Rechtsfrage war sich das Landgericht Berlin offenbar bewusst, denn es hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob in Berlin eine ortsübliche Praxis bzw. Übung – so bezeichnet man eine entsprechende Verkehrssitte – existiert, nach der eine Anrechnung der Balkonfläche zu 50 % zu erfolgen hat und es hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Daher bleibt zu hoffen, dass das höchste deutsche Zivilgericht grundsätzlich zur Anrechenbarkeit von Balkonflächen entscheidet.
Das Landgericht Berlin legt in seiner Entscheidung die Anwendbarkeit der Wohnflächenverordnung (WFlV) zugrunde. In der Wohnflächenverordnung heißt es:
„Die Grundflächen [ … ]
von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen sind in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte anzurechnen.“
(§ 4 Nummer 4 der WFlV)
Das Landgericht Berlin hält eine Anrechnung zu mehr als einem Viertel nur dann für gerechtfertigt, wenn eine entsprechende örtliche Übung existiert.
Klar ist aber noch nicht einmal, dass die Festlegungen der Wohnflächenverordnung für die Flächenberechnung maßgeblich sind. Vielmehr kann die Berücksichtigung von Balkonflächen auch abweichend davon auf die II. Berechnungsverordnung (Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz vom 17.10.1957, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.11.2007, BGBl. I, S. 2614) oder auf die mittlerweile außer Kraft getretene aber in der Praxis gleichwohl noch angewendete DIN 283 oder die DIN 277 gestützt werden.
Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst einmal das, was die Vertragsparteien vereinbart haben. Wenn es an einer solchen Vereinbarung fehlt, kommt es auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses „ortsübliche“ Berechnungsmethode an (BGH, Urteil vom 22.04.2009 – VIII ZR 86/08). Die Ermittlung und Anwendung der richtigen Berechnungsmethode ist Sache des örtlichen Gerichts.
Dass bei Anwendung der WFlV grundsätzlich nur eine Anrechnung der Balkonfläche zu 25 % zu erfolgen hat, ist nicht neu, vielmehr hält die Rechtsprechung regelmäßig nur dann eine Veranschlagung von bis zu 50 % für gerechtfertigt, wenn z. B. die besondere Lage oder Ausstattung eines Balkon den Schluss zulässt, dass sich dieser von herkömmlichen Balkonen erheblich unterscheidet (vgl. z. B. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 11.06.2010 – 12 O 4999/09; AG Flensburg, Urteil vom 31.08.2011 – 64 C 174/10).
Da die Feststellung der zutreffenden Berechnungsmethode schwierig ist, besteht sowohl für Mieter als auch für Vermieter eine große Rechtsunsicherheit. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof ein wenig mehr Klarheit schafft durch Kriterien zur Feststellung der ortsüblichen Handhabung für die Berücksichtigung der Balkonfläche.
Auch wenn das Landgericht Berlin der Sache nach nichts Neues entschieden hat, kann es einer Mieterhöhung entgegengehalten werden. Mieter werden damit aber nur dann Erfolg haben, wenn sich herausstellt, dass die Wohnungsgröße unzutreffend berechnet worden ist. Auch bei Betriebskostenabrechnungen kann, soweit darin die Wohnungsgröße eine Rolle spielt, die Bemessungsgrundlage in Zweifel gezogen werden.
Es ist aber kaum zu erwarten, dass jetzt ein Ansturm auf die Gerichte losbricht, denn wer mit dem Gedanken spielt, unter Verweis auf die falsche Wohnungsgröße einer Mieterhöhung zu widersprechen oder die Betriebskostenabrechnung nicht zu bezahlen, läuft Gefahr, sich vertragsbrüchig zu verhalten und dem Vermieter einen Kündigungsgrund zu geben. Zu beachten ist auch, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung, wie im Berliner Fall, die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig sein kann. Solche Gutachten sind regelmäßig teuer und von denjenigen zu bezahlen, die die Prozesse verlieren.
Landgericht Berlin, Urteil vom 17.01.2018 – 18 S 308/13