Schlimmer kann es für einen Friseur kaum kommen. Eine Kundin beanstandete nach einem Friseurbesuch die Haarfarbe. Anstatt braun-gold waren die Haare rot. Der Friseur versuchte, die falsche Farbe mit einem so genannten Returner wieder zu entfernen, was nach drei Versuchen scheiterte. Eigentlich darf das Produkt aber nur zweimal angewendet werden. Schließlich versuchte der Friseur mit einer grün-blauen Farbe, die Rotverfärbung wegzubekommen. Bei diesen Farben handelt es sich um die Gegenfarbe zu rot. Vergeblich, denn die Haare waren mittlerweile offenbar so strapaziert, dass sie keine Farbe mehr aufnahmen. Mit Farbe war das Problem der roten Haare also nicht mehr lösbar, vielmehr kann nur gewartet werden, bis die geschädigten Haare herausgewachsen sind. Dieselbe Prozedur wandte der Friseur bei Perücken an, die ebenfalls rot anstatt braun-gold und nicht wieder herzustellen waren. Die Kundin verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld. Sie machte geltend, als Model zu arbeiten und nun aufgrund ihrer Haare weniger Aufträge zu bekommen. Außerdem mache ihr die Sache psychisch zu schaffen, wovon sie sogar Akne bekommen habe.
Der Friseur wandte ein, dass es stressbedingte Akne nicht gebe. Die Haare seien zudem nicht rot gewesen, sondern haben allenfalls einen leichten Rotstich gehabt. Dass die Kundin ein Problem mit ihren Haaren habe, liege außerdem nicht an der Farbe, sondern an fehlender Souveränität und mangelndem Selbstbewusstsein. Sie leide zudem an Größenwahn, Selbstüberschätzung und Realitätsverlust. Der Friseur versuchte diese Einschätzung durch Auszüge aus sozialen Medien zu belegen, die „peinlich“ und „schwachsinnig“ seien. Die empörte Kundin klagte.
Mit Erfolg: Das Landgericht Köln stellte fest, dass der Friseur zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. Bei dem geschlossenen Vertrag handele es sich um einen Werkvertrag (§ 631 BGB), da der Friseur einen Erfolg schuldet. Der durch die fehlgeschlagene Nachbesserung entstandene Schaden ist nach §§ 634 Nummer 4, 280 Absatz 1 und 3, 281 BGB zu ersetzen. Die vom Friseur erbrachte Leistung war mangelhaft (§ 622 Absatz 2 BGB), denn sie wies nicht die vom Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit auf. Unstreitig wollte die Kundin keine roten Haare haben, sodass es nach dem Vertrag Aufgabe des Friseurs gewesen wäre, dafür zu sorgen, dass die Haare nicht rot sind. Die Nachbesserungsversuche sind gescheitert und angesichts des nunmehr geschädigten Zustands der Haare nicht mehr Erfolg versprechend. Die Kundin müsse nun warten, bis die Haare nachgewachsen sind, was bei über die Schultern reichenden Haaren längere Zeit dauern wird, da Haare ca. 1 cm pro Monat bzw. 15 cm pro Jahr wachsen. Da die Klägerin in eine Rotfärbung ihrer Haare nicht eingewilligt hat, liegt zugleich eine Körperverletzung nach § 223 StGB vor, sodass der Friseur auch zum Ersatz des immateriellen Schadens – Schmerzensgeld – verpflichtet sei (§ 252 Absatz 2 BGB). Angesichts des bevorstehenden längeren Zeitraums, in dem die Haare nachwachsen müssen, ist das Ausmaß des Schadens noch nicht in Zahlen zu fassen, sodass das Gericht feststellte, dass der Friseur den Schaden zu ersetzen hat, der durch den Vorfall entsteht. Dass die Angelegenheit für den Friseur teuer werden kann, lässt der festgesetzte Streitwert erahnen: 50.000 Euro.
Hintergrund: Die Entscheidung beinhaltet interessante materiell-rechtliche und prozessuale Probleme und wirft ein Schlaglicht auf Prozessstrategien und deren Auswirkungen. Fest steht, dass der Prozessvertreter des Friseurs seinem Mandanten keinen Gefallen damit getan hat, die Kundin zu diskreditieren. Es mag ja sein, dass die Kundin „peinliche“ und „schwachsinnige“ Auftritte in sozialen Medien gehabt hat. Ebenso kann es sein, dass sie größenwahnsinnig ist und unter Realitätsverlust leidet. All das spielt aber für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle, denn ein Friseur hat seinen Job zu machen. Mit solchen unsachlichen Argumenten, die rechtlich keine Rolle spielen, bewirken Prozessteilnehmer oft das Gegenteil von dem was sie wollen. Ob der Prozessvertreter des Friseurs hier der richtige Ansprechpartner für die Kritik ist, steht aber nicht fest, denn oft sind es die Mandanten, die ihre Anwälte dazu drängen, mit Schmutz zu werfen. Anwälte müssen sich diesem Ansinnen aber nicht beugen, riskieren dann aber womöglich die gute Stimmung im Verhältnis zu ihren Mandanten.
Das Gericht hat den Vertrags zutreffend als Werkvertrag (§ 635 BGB) eingeordnet. Dieser unterscheidet sich vom Dienstvertrag (§ 611 BGB) dadurch, dass nicht das Bemühen um einen Erfolg, sondern ein Erfolg geschuldet ist. Beim Friseurvertrag ist das keineswegs selbstverständlich, denn ob ein Erfolg geschuldet ist, hängt vom Auftrag ab. Bei einer Haarfärbung ist diese Frage wohl zu bejahen, denn der Werkerfolg ist anhand der gewählten Farbe bestimmbar und überprüfbar. Im Übrigen ist bei Friseurverträgen nach dem konkreten Auftrag zu differenzieren: Wenn typbedingte Anpassungen vorgenommen werden, spricht das eher für das Vorliegen eines Dienstvertrags, da der Werkerfolg „typbedingte Anpassung“ nicht als Werkerfolg definiert werden kann. Bei der Einordnung des Vertrags als Werkvertrag hat das Gericht zutreffend geurteilt, dass die Nachbesserung mangelhaft ist und deshalb Schadensersatz zu leisten ist.
Zweifel sind allerdings beim Feststellungsantrag in Bezug auf die Haarteile angebracht, denn ein solcher Antrag ist nur dann zulässig, wenn der Schaden nicht beziffert werden kann (§ 256 ZPO). Diese Voraussetzung liegt bei den Perücken nicht vor, weil die Kosten für eine Ersatzbeschaffung ohne weiteres ermittelt werden können. Der Feststellungsantrag wäre daher insoweit unzulässig. Anders könnte der Fall nur dann liegen, wenn der Schaden bzgl. der Perücken untrennbar mit einem anderen – derzeit nicht bezifferbaren – Schaden stehen würde (entsprechend § 139 BGB). Dergleichen ist nicht erkennbar und das Gericht hat sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt. Ein guter Ansatzpunkt für die Berufung also.
Ob das Urteil einer berufungsrechtlichen Überprüfung standhält, darf auch aus einem weiteren Grund bezweifelt werden. Das LG Köln stützt seine Überzeugung, dass die Haare rot waren, auf Fotos, die von der Kundin eingereicht worden sind. Der Prozessvertreter des Friseurs widersprach der Verwertung dieser Fotos. Dem hielt das Gericht entgegen, dass es die Fotos heranziehen dürfe, weil es sich um so genannte Augenscheinsobjekte handelt. Das ist rechtlich bedenklich: Zwar handelt es sich bei den Fotos um Augenscheinsobjekte, allerdings können diese die Farbe der Haare nicht mit der im Zivilprozess notwendigen Bestimmtheit belegen. Das Gericht kann vielmehr nur zur Kenntnis nehmen, dass es sich um Fotos handelt. Dass die darauf abgebildeten Dinge der Realität entsprechen, ist keineswegs zwingend. Vielmehr handelt es sich um eine Mutmaßung oder eine Schlussfolgerung, beides widerspricht dem im Zivilprozess geltenden Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Da ein Braunton auch Rottöne enthält, könnte es immerhin sein, dass ein fehlerhafter Weißabgleich der Kamera die Haare auf dem Foto rot erscheinen ließ, dass die Haare tatsächlich aber braun-gold waren. Damit steht in Frage, ob anfänglich überhaupt von einem Mangel ausgegangen werden durfte.
Ob der Friseur in der Berufung wirklich ein besseres Ergebnis erzielen kann, ist nicht klar, denn trotz fehlerhafter Beweisaufnahme kann es sein, dass das Ergebnis dasselbe bleibt, weil der Friseur letztlich verantwortlich ist für den Zustand der Haare und die damit verbunden Schäden.
LG Köln, Urteil vom 14.07.2017 – 4 O 381/16