Wie Ruheständler aller Bereiche suchen auch viele Richter nach ihrer Pensionierung berufliche Herausforderungen. Da sie die Anforderungen an eine Zulassung zur Anwaltschaft erfüllen, zieht es sie oft an Rechtsanwaltskanzleien, die sich mit den in Fachkreisen bekannten Namen schmücken und das Wissen der neuen Anwaltskollegen schätzen. Solche Seitenwechsel werden indessen nicht nur positiv gesehen, denn es kann schnell der Eindruck entstehen, dass die Neuanwälte die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen, beispielsweise wenn sie vormaligen Richterkollegen gegenüberstehen, denen sie zuvor formal übergeordnet waren (z. B. als Vorsitzender Richter). Ob eine Gefahr für die Unabhängigkeit tatsächlich besteht, darf aber sehr bezweifelt werden, denn gerade Richter sind von Berufs damit vertraut, feinsinnig zwischen Interessensphären zu unterscheiden, freilich müssen sie das im Richteralltag nur im Hinblick auf Belange Dritter und nicht wenn es um sie selbst geht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass es nicht die tatsächliche Gefahr, sondern der negative Anschein ausreicht, um ehemaligen Richtern ein Berufsverbot als Rechtsanwalt aufzuerlegen. In dem entschiedenen Fall hatte der Präsident des Oberlandesgerichts einem vormaligen Richter untersagt, für die Dauer von fünf Jahren vor dem Landgericht, dem er zuvor selbst angehöhrte, als Rechtsanwalt aufzutreten. Der ehemalige Richter klagte dagegen: Das Verwaltungsgericht hielt die Untersagung für zulässig, meinte aber, dass die in § 41 BeamtStG geregelte Höchstfrist von fünf Jahren nicht ausgeschöpft werden müsse und reduzierte das Verbot auf drei Jahre. Hiergegen wandte sich der ehemalige Richter mit einer Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht, bekam aber nur teilweise Recht. Das BVerwG billigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, denn durch ein Auftreten des ehemaligen Richters als Rechtsanwalt könne der Anschein erweckt werden, dass die von ihm vertretenen Sachen besonders gefördert werden. Eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Regelung ergebe sich aus § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Landesrichter- und Staatsanwältegesetz – LRiStaG, welche auf § 41 BeamtStG verweist. Erfolgreich war die Revision aber dahingehend, dass das BVerwG feststellte, dass das Verbot nur insoweit gelten darf, wie der pensionierte Richter erkennbar in Erscheinung tritt, das heißt wenn der pensionierte Richter
- in der mündlichen Verhandlung auftritt,
- mit dem Gericht telefoniert,
- Schriftsätze an das Gericht unterzeichnet.
Demgegenüber sei gegen eine bloße Hintergrundberatung ohne ein Auftreten gegenüber dem Gericht nichts einzuwenden.
Dass das BVerwG an den bösen Anschein anknüpft, ist konsequent, denn die Unabhängigkeit der Justiz existiert nicht um ihrer selbst willen, sondern schützt in erster Linie das Vertrauen in die Justiz. Das bedeutet, dass alles, was einen schlechten Eindruck erwecken kann, kritisch zu sehen ist. Diese Rechtsprechung gleicht daher dem Umgang mit Befangenheitsanträgen, bei denen im Hinblick auf den bösen Schein dieselben Erwägungen gelten.
BVerwG, Urteil vom 04.05.2017 – 2 C 45.16
VG Münster, Urteil vom 30.08.2016 – 4 K 1789/15