Die Bürgerschaft der Hansestadt Rostock hat am 06.04.2017 eine neue Fernwärmesatzung beschlossen, welche die aus dem Jahr 2007 stammende Vorgängersatzung ablöst. Mit Inkrafttreten der neuen Fernwärmesatzung wird der räumliche Geltungsbereich, in dem Anlieger künftig einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegen, deutlich ausgeweitet:
Übersichtskarte zur räumlichen Geltung der Fernwärmesatzung
Fernwärmesatzung Straßenliste.
Nunmehr unterliegen große Teile von Warnemünde und die zukünftigen Baugebiete in Biestow-Ausbau ebenfalls dem Geltungsbereich der Fernwärmesatzung. Die Satzung, so heißt es von Seiten der Protagonisten, sei im Wärmesektor für Deutschland wegweisend.
Mit Ausnahme der an die CO2-Menge gekoppelten Vorschrift zur Regelung von Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang sucht man indessen vergeblich nach besonderen Innovationen. Vielmehr scheint der grüne Anstrich der Satzung bei Lichte betrachtet doch eher ins Grau abzugleiten. Denn beim Energiemix zeigt sich, dass erneuerbare Energien für die Fernwärme in Rostock keine Rolle spielen. Rostock erzeugt seine Fernwärme nämlich zu 70% mit einer Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD), die mit dem fossilen Brennstoff Gas betrieben wird. Dabei handelt es sich um eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, bei der Strom und Wärme gleichzeitig produziert werden. Der Rest wird durch das Steinkohlekraftwerk im Überseehafen und durch so genannte Spitzenlastkessel, welche ohne Kraft-Wärme-Kopplung mit Gas betrieben werden, erzeugt. Mit Gas und Steinkohle sind die Energieträger alles andere als umweltfreundlich. Dass der Rostocker Umweltsenator Holger Matthäus die besondere Umweltfreundlichkeit der KWK-Anlage hervorhebt, da diese gesetzlich den Erneuerbaren Energien gleichgestellt sei, mutet schon fast anachronistisch an. Es trifft zwar zu, dass für KWK-Anlagen eine den Erneuerbaren Energien gleichlaufende vorrangige Anschluss- und Abnahmepflicht zugebilligt wird (§ 3 KWKG). In einem Bundesland, welches rechnerisch EE-Stromexporteur ist, weil mehr Strom aus Erneuerbaren Energien produziert als verbraucht wird, sollte das Bemühen aber besser darauf gesetzt werden, überschüssigen Strom vor Ort zu verbrauchen, anstatt die ohnehin überlasteten Netze durch eigene KWK-Anlagen zusätzlich zu belasten. Die Energiewende wird dadurch jedenfalls nicht gefördert.
Andernorts ist man deutlich weiter: unter anderem in Kiel, Flensburg, Neumünster, Augsburg, Dessau, Münster, Schwerin und vielen weiteren Städten sind so genannte Power-to-Heat-Anlagen in Betrieb, die nach dem Tauschsiederprinzip Strom in Wärme umwandeln, die sodann über Fernwärmenetze verteilt wird. Diese Anlagen arbeiten nicht kontinuierlich, sondern verbrauchen den Strom dann, wenn er besonders preisgünstig ist, was mit zunehmendem Ausbau der Erneuerbaren Energien immer öfter der Fall ist. Diese konstruktionsbedingt kostengünstigen Anlagen entlasten die Stromnetze und generieren zu Zeiten geringer Strompreise erhebliche Einsparungen, die letztlich den Fernwärmekunden zugute kommen.
Im Vergleich dazu ist Rostock mit seinem durch Gas und Steinkohle befeuerten Fernwärmenetz wahrlich kein wegweisendes Beispiel. Und dass rechnerisch um die 70% des in der Stadt verbrauchten Stroms selbst produziert wird, ist kein Grund zur Freude, denn dieser Strom wird zusätzlich in die Netze geleitet und trägt zu dem ohnehin zuweilen vorliegenden Überangebot bei, anstatt von günstigen und manchmal sogar negativen Strompreisen zu profitieren. Dabei wären die Voraussetzungen in Rostock optimal: die Stadt liegt geographisch in einem Gebiet mit einem sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien und sie verfügt über ein verhältnismäßig großes Fernwärmenetz.