OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.12.2015 – 1 LA 19/12

Beschluss vom 18.12.2015 – 1 LA 19/12

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES

OBERVERWALTUNGSGERICHT

Beschluss

Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 6. Kammer – vom 16.02.2012 zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 GKG vorläufig auf XXX Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin erstrebt die Genehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage „Enercon“ mit einer Nabenhöhe von 78,3 m und einem Rotordurchmesser von 82 m auf dem Flurstück 3/4 der Flur 1 der Gemarkung XXX. Der vorgesehene Standort liegt innerhalb des Bebauungsplans Nr. 2 (1. Änderung) der Gemeinde XXX und befindet sich ca. 1.870 m nord-nordwestlich des Verkehrslandesplatzes XXX, der südlich der Ortschaft XXX liegt.

Den Genehmigungsantrag der Klägerin vom 07.10.2009 lehnte der Beklagte nach Beteiligung des Beigeladenen zu 2. ab, da dieser eine erforderliche Zustimmung gem. § 14 LuftVG nicht erteilt habe. Dies war mit einer Gefährdung des Flugbetriebs aufgrund der Nähe des vorgesehenen Standorts zur sog. „Platzrunde“ des Flugplatzes XXX begründet worden.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16.02.2012 abgewiesen und zur Begründung i. W. ausgeführt, der begehrten Genehmigung stehe § 14 Abs. 1 LuftVG entgegen. Die Verweigerung der insoweit erforderlichen Zustimmung des Beigeladenen zu 2. sei nicht zu beanstanden, da genügend Anhaltspunkte dafür bestünden, dass von der geplanten Windkraftanlage wegen ihrer Nähe zur sog. Platzrunde des Flugplatzes XXX Gefährdungen für den Luftverkehr ausgingen. Ein pflichtgemäß handelnder Flugzeugführer laufe bei ordnungsgemäßem Anflug Gefahr, regelmäßig gegen die Verpflichtung zur Vermeidung von Zusammenstößen zu verstoßen. Die Mindestabstände von 400 m zum Gegenan- bzw. -abflug bzw. von 850 m zum Queranflug seien zwar nur Empfehlungen, könnten aber als Richtlinie bei der Auslegung einer Gefahr herangezogen werden. Auch unter Berücksichtigung der „Vorbelastungen“ durch vorhandene – niedrigere – Windkraftanlagen begründe die geplante Windkraftanlage eine Gefahrerhöhung. Die Ablehnung des Genehmigungsantrags sei auch nicht unverhältnismäßig, da die Klägerin weder einen Anspruch auf Verlegung der Platzrunde habe noch eine solche Verlegung möglich erscheine.

Gegen das am 26.03.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.04.2012 die Zulassung der Berufung beantragt; der Antrag ist in dem am 16.05.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet worden. Die Klägerin stützt ihren Zulassungsantrag auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 – 3 VwGO.

 

II.

Der fristgerecht gestellte und begründete Antrag auf Zulassung der Berufung hat Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerin hat hinreichend dargelegt, dass die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufwirft. Das betrifft – insbesondere – die (inhaltlichen) Maßstäbe, die für die Entscheidung über die Zustimmung der Luftfahrtbehörde nach § 14 Abs. 1 LuftVG und den in diesem Zusammenhang anzuwendenden Gefahrenbegriff gelten. Die Luftfahrtbehörde hat – generell – Gesichtspunkte der Flugsicherheit vorausschauend zu berücksichtigen, was die Frage einschließt, ob das von der Klägerin zur Genehmigung gestellte Vorhaben An- und Abflugwege der auf dem Flugplatz XXX landenden und startenden Luftfahrzeuge behindert oder auch „zu unfallträchtigen, die Allgemeinheit bedrohenden Ausweichmanövern Anlass geben kann“ (Giemulla, in: Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand Aug. 2015, § 14 LuftVG Rn. 5 und § 12 LuftVG Rn. 16). Der Frage, ob und inwieweit durch ein in der Nähe der sog. „Platzrunde“ errichtetes, senkrecht aufragendes Bauwerk – wie es eine fast 120 m hohe Windkraftanlage darstellt – in überschaubarer Zukunft hinreichend wahrscheinlich zu einem Schadenseintritt führen kann, eine vorhandene Gefahr verstärkt oder lediglich die hypothetische Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses begründet, wird im zugelassenen Verfahren weiter nachzugehen sein (vgl. dazu OVG Münster, Urt. v. 09.04.2014, 8 A 432/12, Juris [Rn. 78 f.], m. w. N.; BVerwG, Beschl. v. 09.02.2015, 4 B 39.14, Rn. 5 f.).

Soweit die Klägerin in der Begründung ihres Zulassungsantrages im Zusammenhang mit dem „Maßstab der konkreten Gefahr“ – noch – die in § 12 LuftVO a. F. getroffenen Bestimmungen in Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass diese inzwischen außer Kraft getreten sind. An ihre Stelle sind die Regelungen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission vom 26.09.2012 zur Festlegung gemeinsamer Luftverkehrsregelungen und Betriebsvorschriften für Dienste und Verfahren der Flugsicherung pp. (Amtsbl. EU Nr. L 281/1 v. 13.10.2012) getreten, denen unmittelbare Geltung zukommt (Art. 288 S. 2, Art. 290 Abs. 1 AEUV). Soweit die – im Zusammenhang mit der Zustimmung nach § 14 LuftVG – zu beurteilende Gefahr mit der Pflicht der Luftfahrzeugführer zur Vermeidung von Zusammenstößen und der Festlegung der sog. „Platzrunde“ zusammenhängt, wird auf die Regelungen der genannten EU-Durchführungsverordnung (insb. Art. 2 Nr. 10, Nr. 30 lit. a.2, Nr. 65, Nr. 141) sowie der Luftverkehrsregeln (Art. 1 Abs. 1 der EU-Durchführungsverordnung [a.a.O.] i. V.m. dem Anhang [„Standardised European Rules of the Air“], Abschnitt 3, Kapitel 1-2 [SERA.3101 – 3230], Abschnitt 5, SERA.5005 lit. f) abzustellen sein.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Das Antragsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von der oder dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 6 iVm Abs. 3 Sätze 3 bis 5 VwGO).

Hinweis:

Bei der Verwendung der elektronischen Form sind besondere Voraussetzungen zu beachten (vgl. Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 12. Dezember 2006 [GVOBl. 2006, 361] in der z. zt. gültigen Fassung).

Das zugelassene Berufungsverfahren wird unter dem neuen Aktenzeichen 1 LB 18/15 geführt, das in allen Schriftsätzen anzugeben ist.

 

Unterschrift/en