OLG Koblenz, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 U 1322/16

Aktenzeichen: 1 U 1322/16

Oberlandesgericht Koblenz

Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Oktober 2016 (Az.: 8 O 216/15) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des aufgrund des Urteils sowie des Beschlusses zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 25.040 € festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Pferdehalterin auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Reitunfalls in Anspruch.

Die Klägerin arbeitet als selbständige Pferdewirtschaftsmeisterin auf dem XXX-hof in XXX. Die Beklagte ist Eigentümerin und Halterin des im Jahr 2014 vierjährigen Pferdes „Grimur“, welches sie ab Ende März 2014 der Klägerin zum Beritt übergeben hatte. Seither ritt die Klägerin das Pferd fünfmal wöchentlich jeweils für 60 Minuten und erteilte im Wechsel der Beklagten Reitunterricht.

Am 22. April 2014 wollte die Klägerin wie zuvor das Bereiten des Pferdes in der Dressurhalle durchführen. Da dort jedoch viel Betrieb herrschte, ritt sie das Pferd nach draußen in Richtung zu einem Außenreitplatz. Bis dahin hatte die Klägerin das Pferd nur in der Reithalle geritten und wollte es nun erstmals auf dem Außenreitplatz ausbilden. Als die Klägerin den Außenreitplatz erreichte, näherte sich auf dem daneben verlaufenden Weg ein PKW nebst Pferdeanhänger, woraufhin „Grimur“ begann, Richtung Ausgang zu stürmen. Der Klägerin gelang es nicht, das Pferd unter Kontrolle zu bringen. Sie kam zu Fall, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin stürzte oder (wie die Beklagte behauptet) abgesprungen ist. Die Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt auch auf dem Gelände, jedoch nicht in unmittelbarer Nähe des Unfalls. Die Klägerin erlitt unter anderem eine Sprunggelenksfraktur und wurde am 29. April 2014 operiert und befand sich bis einschließlich 7. Mai 2014 in stationärer Behandlung. Die Verletzungsfolgen waren bis zuletzt noch nicht ganz ausgeheilt.

Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, dass es sich bei dem Pferd um ein sogenanntes „Durchgängerpferd“ handele, das völlig überraschend und ohne Grund davonstürme und dann unkontrollierbar werde. Das Pferd habe bereits vor dem Unfallereignis bei anderer Gelegenheit die Neigung zum Durchgehen gezeigt. Die Beklagte habe auf diese Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes hinweisen müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.540 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 22. April 2014 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind;

4. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin eine außergerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hierauf ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass das Pferd vorher nie außergewöhnliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe und dass für sie keine Veranlassung bestanden habe, vor Abschluss des Berittvertrages auf etwaige Verhaltensauffälligkeiten hinzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da weder ein Anspruch aus § 833 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder § 823 BGB wegen des Ereignisses vom 22. April 2014 bestehe. Auch wenn sich bei dem Unfall gerade typische Tiergefahren im Sinne des § 833 BGB realisiert hätten, habe die Klägerin keine Ansprüche aus dieser Vorschrift. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die Parteien einen stillschweigenden Haftungsausschluss vereinbart hätten. Durch den Abschluss des Berittvertrages gegen Entgelt habe die Klägerin bewusst die Kontrolle über das Pferd und damit auch das Risiko für die Zeit des Unterrichts beziehungsweise des Reitvorgangs übernommen, so dass eine Haftung der Beklagten als Tierhalterin für etwaige Schäden in dieser Zeit im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm nicht sachgerecht erscheine. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. März 2009, Az.: VI ZR 166/08) stünde dem nicht entgegen, da sich die Klägerin der Tiergefahr nicht nur vorübergehend ausgesetzt habe, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu erhalten, was vorliegend jedoch der Fall gewesen sei. Die Klägerin habe das Pferd bereits einige Male geritten und damit aufgrund der Häufigkeit der Reitstunden eine Beziehung zu dem Pferd aufgebaut. Sie habe die Herrschaft über das Tier übernommen. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe sich bewusst von ihr entfernt, weil sie schon befürchtet habe, dass es zu einem Durchgehen des Pferdes kommen könne, sei prozessual unbeachtlich, da es eine reine, schlichte Vermutung der Klägerin sei, ohne dass diese mit Tatsachen belegt werden könne. Anhaltspunkte für einen Anspruch aus § 823 BGB beziehungsweise §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB bestünden aufgrund eines fehlenden Verschuldens der Beklagten nicht. Die Klägerin habe nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, wann und in welchem Zusammenhang das Pferd entsprechende Neigungen zum Durchgehen ohne erkennbaren Grund gezeigt haben soll. Zudem habe es, wegen des Heranfahrens eines PKWs mit Pferdeanhänger, einen Grund gegeben, warum das Pferd davongestürmt sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie bemängelt im Wesentlichen, dass das Landgericht die Rechtsprechung zur sogenannten Gefährdungshaftung bei Reitunfällen falsch interpretiert habe. Sie ergänzt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz, wonach sich im vorliegenden Fall gerade die typische Tiergefahr verwirklicht habe. Ein stillschweigender Ausschluss der Haftung könne im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht angenommen werden. Ein Ausnahmefall wie der, bei dem sich der Geschädigte bewusst Problemfällen angenommen habe (OLG Schleswig, Urteil vom 12. Juni 2015, Az.: 17 U 103/14) sei vorliegend nicht gegeben.

 

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte nach den erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen, hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht Koblenz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Richtigkeit des angefochtenen Urteils und ist der Ansicht, dass vorliegend ein Ausnahmefall zum Anwendungsbereich des § 833 BGB im Sinne eines Handelns auf eigene Gefahr vorliege.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.

Der Senat hat einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO erlassen, auf dessen Inhalt gleichfalls verwiesen wird (Bl. 281 ff. d.A.).

 

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes; eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat zu Recht die Klage auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus § 834 S. 1 BGB oder § 833 Abs. 1 BGB wegen des Vorfalls vom 22. April 2014 abgewiesen. Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche der klagenden Pferdewirtschaftsmeisterin gegen die Eigentümerin des streitgegenständlichen Pferdes „Grimur“ wegen des bedauerlichen Sturzes (mit Trümmerfraktur des linken „Sprungbeins“) nach einem „Durchgehen“ des Pferdes bestehen nicht.

Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass aufgrund der gegebenen besonderen Konstellation die grundsätzlich gegebene Tierhalterhaftung im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist. Der Berufung ist zwar grundsätzlich dahingehend zu folgen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, grundsätzlich nicht erfolgt (Tierarzt, Hufschmied; BGH, Urteil vom 17. März 2009, Az.: VI ZR 166/08, BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005, Az.: VI ZR 225/04, -juris-); eine Abweichung von diesem Grundsatz wird jedoch in begrenzten Ausnahmefällen zugelassen (BGH, a.a.O.). Es kann dabei die in Literatur und Rechtsprechung aufgeworfene Frage, ob in einem solchen Ausnahmefall die Gefährdungshaftung des § 833 S. 1 BGB bei Überlassung des Tieres an einen Dritten, der dann durch das Tier einen Schaden erleidet, gänzlich ausscheide (konkludenter Haftungsausschluss) oder der Sachverhalt nicht mehr dem Schutzzweck der genannten Norm unterfalle oder ob die Gefährdungshaftung lediglich in Anwendung des Gedankens aus § 254 BGB gegenüber einem etwaigen vorwerfbaren Verhalten des Dritten abzuwägen sei (BGH a.a.O.) dahinstehen, da jedenfalls vorliegend von einem solchen Ausnahmefall auszugehen ist: Der Gefährdungshaftung des Tierhalters liegt der Gedanke des Gesetzgebers zugrunde, dass derjenige, der im eigenen Interesse eine Gefahrenquelle schafft, für die damit notwendig zusammenhängenden, bei aller Sorgfalt nicht zu vermeidenden Sachbeschädigungen oder Verletzungen Dritter einzustehen hat. Die Schadenszurechnung beruht (wie etwa auch bei der Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters) auf der Auferlegung einer sozialen Verantwortung für eigenes Wagnis und dem Zwang für jeden Dritten, das Halten des Tieres (beziehungsweise das Halten des Kraftfahrzeuges) und die davon ausgehenden Gefahren zu dulden. Hat aber der später Geschädigte die Herrschaft über das Tier und damit die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit vorwiegend im eigenen Interesse und in Kenntnis der damit verbundenen besonderen Tiergefahr übernommen und ist andererseits dem Halter des Tieres angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten eine Einflussnahme auf das Tier, etwa wegen dem später Geschädigten bewusster Abwesenheit des Tierhalters für einen nicht nur ganz kurzen Zeitraum, nicht mehr möglich, -ist also nur der später Geschädigte in der Lage, die Maßnahmen zu ergreifen, die den Schutz der im Bereich des Tieres befindlichen Rechtsgüter gewährleisten- dann wiegt, im Verhältnis zum Tierhalter, das eigene Interesse die der (allgemeinen) Tierhalterhaftung zugrunde liegenden Gesichtspunkte auf (BGH VersR 1974, 356; OLG Nürnberg, Urteil vom 27.03.1997, Az.: 13 U 3005/96). So ist etwa im Gegensatz zu der Situation einer temporären Behandlung des Tieres durch den Tierarzt oder den Hufschmied wie folgt entschieden worden für den Fall, dass, wenn der Betreiber einer Tierklinik ein Tier zum Zwecke einer Behandlung oder einer Diagnose vom Tierhalter übernommen hat, das Tier mehrere Stunden in der Klinik verbleibt, der Tierhalter dabei aber nicht anwesend ist: in einem solchen Fall muss schon im Hinblick auf die berufliche Qualifikation eines Betreibers einer Tierklinik (in der Regel Tierarzt) angenommen werden, dass er die mit der Tiergefahr verbundenen Risiken der Situation kennt, sich diesen freiwillig und bewusst aussetzt und auch, im Gegensatz zum Tierhalter, die Möglichkeit besitzt, jegliche konkrete Schutzmaßnahme zu ergreifen (OLG Nürnberg, a.a.O., Rdnr. 10).

Im vorliegenden Fall ist eine vergleichbare Situation gegeben: Die Klägerin hat als selbständige Pferdewirtschaftsmeisterin das zum damaligen Zeitpunkt vier Jahre alte Pferd „Grimur“ Ende März 2014 zum Beritt auf vertraglicher Basis übernommen. Seit diesem Zeitpunkt ritt die Klägerin das Pferd fünfmal wöchentlich jeweils etwa eine Stunde und erteilte auch der Beklagten Reitunterricht. Am Schadenstag, dem 22. April 2014, kam die Klägerin mit der Beklagten überein, dass die Klägerin das Pferd, das bisher nur in der Reithalle geritten worden war, aufgrund der Überfüllung der Halle auf den Außenrittplatz reitet. Als die Klägerin – das Pferd reitend – sich allein dorthin begab, näherte sich auf dem daneben verlaufenden Weg ein PKW nebst Pferdeanhänger, woraufhin „Grimur“ begann, in Richtung Ausgang zu stürmen, wobei dann die Klägerin die Kontrolle über das Pferd verlor und es zum Sturz kam. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin (auch wenn die Beklagte nach wie vor auf dem Reitgelände anwesend war) die alleinige Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeit auf das Pferd. Aufgrund ihrer seit mehreren Wochen ausgeübten fast täglichen Tätigkeit des Bereitens des Pferdes war sie mit ihm umfassend vertraut und war noch mehr als die Beklagte als Eigentümerin selbst in der Lage, mit dem Pferd umzugehen und dieses zu lenken. Auch wenn die Klägerin an diesem Tag zum ersten Mal das Pferd außerhalb der gewohnten Reithalle trainieren wollte, so war sie eher als die zu diesem Zeitpunkt auch nicht unmittelbar anwesende Beklagte aufgrund ihrer Erfahrungen und beruflichen Qualifikationen dazu in der Lage, diese ungewohnte Situation beim Verlassen der Reithalle einzuschätzen und sich darauf einzustellen. Die Klägerin hat in dieser Situation nicht nur vorübergehend Verrichtungen an dem Tier vorgenommen, sondern hatte aus beruflichen Gründen die vollständige und alleinige Herrschaft über das Tier erlangt und in eigener Verantwortung auch eine besonders risikoreiche Handlung (Übergang ins ungewohnte Gelände) übernommen. Der Senat wertet dies als ein vertraglich übernommenes Handeln auf eigene Gefahr, so dass grundsätzlich eine Haftung nach § 833 BGB ausscheidet.

Das Landgericht hat darüber hinaus zutreffend eine Haftung aus § 823 Absatz 1 BGB abgelehnt, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die Beklagte selbst in irgendeiner Form einen schuldhaften Handlungsbeitrag geleistet habe. Dieser Aspekt wird von der Berufung auch nicht angegriffen.

Der Senat hat auf die vorgenannten Gesichtspunkte in seinem Hinweisbeschluss vom 30. Januar 2017 (Bl. 281 ff. GA) hingewiesen und hält auch nach der weiteren Stellungnahme der Klägerin vom 27. Februar 2017 (Bl. 293 ff. GA) daran fest.

Die Stellungnahme gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sich ihre Tätigkeit als Pferdewirtschaftsmeisterin in keiner Weise von der des Tierarztes oder Hufschmieds unterscheide, da alle drei Berufsgruppen, Berufsreiter wie behandelnder Tierarzt und Hufschmied, jeweils im Interesse des Tierhalters ebenso wie im eigenen Interesse handeln würden. Sie erfüllten eine vertragliche Verpflichtung und seien dadurch gezwungen, sich der vom Pferd ausgehenden Tiergefahr auszusetzen und könnten deswegen nicht schlechter gestellt werden als ein Reiter, der ausschließlich im eigenen Interesse gefälligkeitshalber ein Pferd nutze. Die Klägerin habe auch kein Risiko in Kauf genommen, das über das mit dem Reiten zwangsläufig verbundene hinausgehe. Da das Tier im Vorfeld unauffällig gewesen sei, scheide auch ein Mitverschulden der Klägerin völlig aus. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass auch beim Bereiten von Problempferden eine vertragliche Verpflichtung erfüllt werde und man dennoch keinesfalls auf eigene Gefahr handele. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da selbst bei einer Beaufsichtigung, gegebenenfalls für mehrere Tage, und alleiniger Herrschaft über das Tier keine abweichende regelgerechte Beurteilung von der grundsätzlich bestehenden Tierhalterhaftung bestehe (BGH, Urteil vom 25. März 2014, VI ZR 372/13, Urteil vom 30. September 1986, VI ZR 161/85 und Urteil vom 19. Januar 1988, VI ZR 188/87, VersR 1988, 609).

Der Senat berücksichtigt durchaus, dass auch der Fachmann nicht vollständig zu verhindern vermag, dass sich typische, gleichwohl aber auch von ihm nicht zu beherrschende Tiergefahren realisieren können, zumal er mit der gegebenenfalls gerade diesen Tieren anhaftenden besonderen Gefahr oftmals weniger vertraut sein kann als der Tierhalter selbst, der die Eigenarten seines Tieres kennt (BGH a.a.O.). Dennoch hält der Senat im vorliegenden Fall einen Haftungsausschluss im Sinne des Grundsatzes von Treu und Glauben und einem sich hieraus ergebenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens (BGH NJW-RR 2006, 813) für gegeben, da vorliegend Umstände vorliegen, wonach der Geschädigte sich der Gefahr selbst ausgesetzt hat, die als Handeln auf eigene Gefahr zu bewerten sind. Die Situation ist vergleichbar damit, dass der Geschädigte sich in eine drohende Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen. Die Klägerin hat das gewohnte Trainingsterrain in der Halle erstmals verlassen, um sich auf einen Außenreitplatz zu begeben. Es handelte sich um eine für das Tier ungewohnte und ungeübte Situation. Es war vorher nicht absehbar, wie das Tier auf Außeneinflüsse, die in der Halle nicht auftreten, reagieren würde. Die Klägerin, deren Aufgabe es war, das Pferd zu bereiten, um ihm die erforderliche Bewegung zu verschaffen und andererseits auszubilden, also möglichst seine sogenannte Rittigkeit zu verbessern, um so auch der Beklagten ein verbessertes Reitgefühl bei der späteren Nutzung zu vermitteln (Schriftsatz vom 27. Februar 2017), war damit als Fachfrau allein, jedenfalls besser als die Beklagte in der Lage, die entsprechenden Risiken einzuschätzen. Sie hat den bis dahin über mehrere Wochen eingeübten Tätigkeitsrahmen verlassen und konnte den Gefahrenbereich nur selbst einschätzen und beherrschen. Der Senat sieht es daher aus Schutzzweckgesichtspunkten unbillig an, wenn es auch bei einer solch besonderen Konstellation bei der allgemeinen Tierhalterhaftung verbleibt.

Für dieses Ergebnis spricht auch folgende Kontrollüberlegung: Nach § 834 S. 1 BGB haftet der Tieraufseher, der für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, für den Schaden, den das Tier einem Dritten in der in § 833 BGB bezeichneten Weise zufügt. Halter und Aufseher haften gegebenenfalls nebeneinander als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB). Für den Ausgleich untereinander ist das Vertragsverhältnis maßgebend, nicht § 840 Abs. 3 BGB. Ist der Aufseher selbst der Verletzte, haftet der Halter nach § 833 BGB (BGH NJW 14, 2434), jedoch wird ein Mitverschulden des Aufsehers vermutet. Dieser hat sich gemäß § 834 S. 2 BGB zu entlasten (OLG Karlsruhe NJW-RR 09, 453); gegebenenfalls sind die beiderseitigen Haftungsanteile entsprechend § 254 BGB zu bestimmen (Frankfurt MDR 96, 590). Wenn also im Außenverhältnis, das heißt wenn ein Dritter durch das Tier geschädigt wird, der Tieraufseher haftet und aufgrund der vertraglichen Konstellation im Innenverhältnis sich (so auch im vorliegenden Fall) nicht entlasten kann, erscheint es unbillig, wenn der Tieraufseher bei einer Eigenschädigung im Innenverhältnis zum Tierhalter besser dasteht, als wenn ein Dritter geschädigt wird.

Nach diesem Ergebnis kommt für den hier in Frage stehenden Vorfall eine Tierhalterhaftung im Sinne des § 833 S. 1 BGB nicht in Betracht, so dass die Berufung nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.

Unterschrift/en