Die Mutter hat ein eigenes Recht auf Anfechtung der Vaterschaft. Eine Prüfung des Kindeswohls erfolgt hier nicht. Auch bei einer Eheschließung mit dem Ziel, dem Ehepartner den Status als rechtlicher Vater zu verschaffen, schließt ein Anfechtungsrecht nicht aus. Die Mutter darf diese Vaterschaft später anfechten und ist nicht wegen Treu und Glauben daran gehindert. Dies geht aus einem Beschluss des BGH vom 19.03.2020 hervor (XII ZB 321/19).
Ehemann ist nicht leiblicher Vater
Der BGH hatte über die Vaterschaftsanfechtung einer Mutter zu entscheiden. Die Mutter hatte seit Jahren eine Beziehung zu einem Mann. Während der Beziehung kam es mehrfach zur Trennung. Nach mehreren Trennungen sollte die Beziehung nun aber von Dauer sein und beide entschlossen sich, einander zu heiraten.
Allerdings hat die Frau während der letzten Trennungsphase eine kurze Beziehung zu einem anderen Mann, die nicht ohne Folgen blieb. Die Frau wurde schwanger. Die Ehe sollte nun dennoch in Kenntnis beider und mit dem Ziel, dass das Kind als eheliches Kind des Verlobten geboren wird, geschlossen werden. Gesagt, getan, die Ehe wurde geschlossen und das Kind als eheliches Kind geboren.
Scheidung nach Geburt des Kindes
Der Ehemann war nun Vater des Kindes gemäß § 1592 BGB, da er zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet war. So war es ja auch geplant. Es kam jedoch, wie es kommen musste: Beide trennten sich erneut und die Ehe wurde nach 1 ¼ Jahr geschieden. Das Kind war zu diesem Zeitpunkt knapp ein Jahr alt.
Anfechtung der Vaterschaft durch die Mutter
Als das Kind fast zwei Jahre alt war, beantragte die Mutter beim Amtsgericht die Feststellung, dass ihr geschiedener Ehemann nicht der Vater des Kindes sei. Der Mann war damit gar nicht einverstanden. Seine ehemalige Frau habe ihr Anfechtungsrecht verwirkt. Schließlich hätten sie die Ehe unter anderem mit dem gemeinsamen Willen geschlossen, dem Mann rechtlich die Vaterschaft für das zur Zeit der Ehe geborene Kind zu verschaffen.
Das Amtsgericht gab jedoch der Mutter Recht und sprach die von ihr beantragte Feststellung aus. Auch die Beschwerde des Mannes hiergegen vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg. Nun musste der BGH über die Rechtsbeschwerde entscheiden.
Entscheidung des BGH
Die Mutter bekam nun auch vor dem BGH Recht. Der BGH wies darauf hin, dass die Mutter ein eigenes Anfechtungsrecht hat, welches nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig ist. Insbesondere erfolgt hier keine Prüfung der Kindeswohldienlichkeit, so der BGH. Auch kann das Anfechtungsrecht der Mutter nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein. Das stellt der BGH in seinem Beschluss dar.
Der Gesetzgeber hat im Jahr 1997 ein eigenes Anfechtungsrecht der Mutter in das Gesetz aufgenommen. Zuvor konnte die Mutter nur als Vertreterin für das Kind die Vaterschaft anfechten. Der BGH weist darauf hin, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, beim Anfechtungsrecht der Mutter auf das Kindeswohl abzustellen. Im Gesetzesentwurf war dies noch vorgesehen.
Das Argument des Vaters, wegen der Eheschließung verstoße das Anfechtungsrecht gegen die Grundätze von Treu und Glauben, zählt nach Auffassung des BGH ebenfalls nicht. Auch wenn die Ehe übereinstimmend unter anderem mit dem Ziel, dem Mann rechtlich die Stellung des Vaters zu verschaffen, geschlossen wurde, ändert dies nichts am Anfechtungsrecht der Mutter. Das stellt der BGH klar.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH kann das gesetzliche Anfechtungsrecht nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden. Damit kommt auch ein Verzicht wegen bzw. durch die Eheschließung nicht in Betracht. Auch auch besondere Umstände für ein etwaiges rechtsmissbräuchliches Verhalten sind nach Auffassung des BGH nicht gegeben.
Anfechtungsfrist ist Überlegungsfrist
Die Eheschließung jedenfalls änderte nichts am Anfechtungsrecht der Mutter, so der BGH. Die Anfechtungsfrist für die Vaterschaftsanfechtung stellt gerade auch eine Überlegungsfrist dar, so der BGH, die durch eine Eheschließung -wenngleich mit dem Ziel, dem Mann rechtlich die Stellung des Vaters zu verschaffen-, nicht beeinträchtigt wird.
Schließlich ist für den BGH auch nicht ersichtlich, dass die Anfechtung womöglich mit einer besonderen Härte für das Kind verbunden ist. So sieht der Gesetzgeber z.B. in § 1685 Absatz 2 BGB gerade im Hinblick auf das Kindeswohl ein Umgangsrecht für enge Bezugspersonen vor, die für das Kind tatsächliche Verantwortung getragen haben, so der BGH.
Nach alledem hatte die Mutter hier ein uneingeschränktes Recht auf Vaterschaftsanfechtung. Der BGH wies die daher die Rechtsbeschwerde des Mannes zurück.
BGH, Beschluss vom 18.03.2020 – XII ZB 321/19