Jagdschein für trockenen Alkoholiker bei Vorlage einer Fahrerlaubnis-MPU (OVG M-V, Beschl. v. 19.12.2019 – 2 LB 758/18)

Wer nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügt, bekommt keinen Jagdschein. Geregelt ist das im Bundesjagdgesetz, § 17 BJagdG, § 6 WaffG. Die Regelung soll Gefahren entgegen treten, die durch den Umgang mit Waffen entstehen können.

Alkoholsucht

Ein Grund für Zweifel an der Eignung ist die Alkoholsucht. Wer dem Drang Alkohol zu konsumieren nicht widerstehen kann, ist für den zuverlässigen Umgang mit Waffen ungeeignet und bekommt keinen Jagdschein.

Trunkenheitsfahrt mit Waffen und Munition

So entschied es die Jagdbehörde, die einem Jäger die Erteilung eines Jagdscheins verweigerte. Der Jäger war mit Alkohol am Steuer erwischt worden. Bei der Fahrt hatte er Waffen und Munition dabei.

Im Verfahren legte der Jäger ein MPU-Gutachten aus dem Fahrerlaubnisverfahren und eine amtsärztliches Gutachten vor. Die Gutachten attestierten ihm eine Alkoholabhängigkeit. Aus dem für das Fahrerlaubnisverfahren erstellten MPU-Gutachten ergab sich aber eine günstige Prognose, dass der Jäger künftig keine Alkoholprobleme mehr haben werde. Deshalb bestehe kein erhöhtes Risiko dafür, dass der Jäger alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehmen würde.

Das Gutachten des Amtsarztes gelangte allerdings zu dem Ergebnis, dass ein Jagdschein aufgrund der Alkoholprobleme nicht zu erteilen sei. Der Jäger hatte sich einer suchtmedizinischen Behandlung unterzogen und sei – so sagte er – seither abstinent.

Einmal Alkoholiker immer Alkoholiker?

Davon ließ sich die Jagdbehörde nicht beeindrucken. Nach ihrer Auffassung fehlt es an der persönlichen Eignung auch dann, wenn der Jäger längere Zeit keinen Alkohol getrunken habe. Gegen die abweisende Entscheidung erhob der Jäger Widerspruch und klagte. Das Verwaltungsgericht folgte der harten Linie der Jagdbehörde und entschied, dass die Versagung des Jagdscheins zu Recht erfolgt ist. Hiergegen legte der Jäger Berufung ein. Mit Erfolg.

Alkoholiker mit Jagdschein

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald folgte der Argumentation des Jägers und verpflichtete die Jagdbehörde, ihm den begehrten Jagdschein zu erteilen.

Keine lebenslange Alkoholsucht

Eine Alkoholsucht besteht nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht lebenslang. Vielmehr kann es sein, dass der Betroffene den Drang zum Alkoholkonsum dauerhaft unter Kontrolle hat. Wenn das der Fall ist, spreche – wie im Verkehrsrecht – nichts dagegen, von der Eignung des trockenen Alkoholikers auszugehen.

Fahrerlaubnis-MPU für Waffenrecht

Das OVG geht davon aus, dass die im Verfahren zur Fahrerlaubnis eingeholte MPU im Waffenrecht bzw. im Jagdrecht anzuwenden sei. Die Feststellungen seien aber „im Lichte des Waffenrechts und der besonderen Gefährlichkeit von Waffen auszulegen“.

Hier sei eine sichere Abstinenz gegeben. Die Feststellung des Amtsarztes, der von der Erteilung des Jagdscheins abgeraten hat, sei nur eine rechtliche Meinung und habe mit dem medizinischen Befund zur Alkoholsucht nicht zu tun.

Hintergrund & Kritik

Die Entscheidung befasst sich mit dem häufig auftretenden Konfliktfeld, unter welchen Umständen trockenen Alkoholikern gefährliche Tätigkeiten gestattet sein sollen. Wer Alkoholiker ist, sollte weder Waffen besitzen noch am Straßenverkehr teilnehmen. Allerdings muss es auch Alkoholikern möglich sein, ihr Leben zu ändern.

Nun ist es Aufgabe der Behörden und Gerichte, Belege für einen Sinnes- und Lebenswandel zu würdigen und sicherzustellen, dass keine Gefahr von ehemaligen Alkoholikern ausgeht. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass das Greifswalder Gericht eine verkehrsrechtliche MPU zur Rate zieht, obgleich der Umgang mit Waffen ganz andere Risiken birgt.

Eine Fahrerlaubnis-MPU befasst sich mit den Rückfallrisiken und dem Trennungsvermögen, also der Fähigkeit, zwischen Alkoholkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu unterscheiden. Die Zielrichtung bei der MPU ist eine ganz andere als beim zuverlässigen Umgang mit Waffen.

Dabei ist wenig überzeugend, wenn das OVG die Feststellungen der Fahrerlaubnis-MPU im „Lichte des Waffenrechts“ und der „besonderen Gefährlichkeit von Waffen“ auslegen möchte. Denn das Gericht lässt offen, wie eine solche Auslegung aussehen soll. Aus den Entscheidungsgründen ergeben sich keine Angaben zu der besonderen Auslegung der Festlegungen der Fahrerlaubnis-MPU und wie der Umstand zu überwinden ist, dass sich die Fahrerlaubnis-MPU mit einem ganz anderen Gegenstand befasst.

Waffenrechtliche MPU

Ein Blick in die anwendbaren Vorschriften bestätigt die Skepsis. Das Bundesjagdgesetz verweist im Hinblick auf die fehlende Eignung auf das Waffengesetz (vgl. § 17 Absatz 1 BJagdG). Nach § 6 Absatz 2 f. WaffG ist bei Zweifeln an der Eignung eine fachpsychologische Begutachtung vorzunehmen.

Die Anforderungen an eine waffenrechtliche Begutachtung sind geregelt in § 4 AWaffV (Allgemeine Waffengesetz-Verordnung). Darin finden sich dezidierte Anforderungen zum Umgang mit Waffen und Munition, zur geistigen Reife und zum Vorgehen in Zweifelsfällen (vgl. § 4 Absatz 5 AWaffV).

Dass das OVG Greifswald alle diese Anforderungen unbeachtet lässt, hinterlässt mehr als einen faden Beigeschmack.
Gute Nachrichten sind das aber immerhin für ehemalige Alkoholiker. Diese können künftig mit einer Fahrerlaubnis-MPU einen Jagdschein bekommen und müssen sich nicht einer strengeren Waffen-MPU unterziehen, so jedenfalls in Mecklenburg-Vorpommern.

OVG M-V, Beschluss vom 19.12.2019 – 2 LB 758/18

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