Drogenkonsum bei Soldaten ist regelmäßig ein Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses. Das gilt allerdings nicht in allen Fällen.
Wodka & Joints
Nach einer lustigen Geburtstagsfeier wurde einem Unteroffizier eine Verkehrskontrolle zum Verhängnis. Der Soldat auf Zeit räumte ein, auf der privaten Feier Alkohol und Cannabis konsumiert zu haben. An dem Abend habe er an einem Trinkspiel teilgenommen, bei dem er größere Mengen Wodka getrunken habe. In seinem alkoholisierten Zustand ließ er sich dazu verleiten, Joints zu rauchen, die an dem Abend herumgereicht wurden. Zuvor, so der Soldat, habe er vor seinem Dienstantritt nur einmal zum Testen Drogen probiert. Unter Drogen Auto gefahren sei er nie.
Entlassung
Aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Soldat seine Entlassung. Seine hiergegen erhobene Beschwerde war erfolglos. Er erhob Klage zum Verwaltungsgericht Potsdam. Mit Erfolg: das VG Potsdam hob die Entlassung auf. Diese Entscheidung wurde vom OVG Berlin-Brandenburg bestätigt.
Einmalige Verfehlung rechtfertigt keine Entlassung
Während der ersten vier Dienstjahre können Soldaten auf Zeit fristlos entlassen werden, wenn sie ihre Dienstpflichten schuldhaft verletzen und das Verbleiben im Dienst die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde (§ 55 Absatz 5 SG). Zweck der Vorschrift ist die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.
Ob die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet ist durch den Vorfall, ist durch die Verwaltungsgerichte festzustellen. Diese haben eine nachträgliche Prognose vorzunehmen, wie das Verhalten auf den Schutzzweck der Vorschrift wirkt. Konkret kommt es also darauf an, ob tatsächlich eine Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Truppe zu befürchten ist.
Wiederholungsgefahr oder Nachahmungsgefahr?
Die Prognose ist anhand objektiver Umstände vorzunehmen und die Entscheidung unterliegt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Das bedeutet, dass bei leichteren Fehlverhalten eine Entlassung nur dann gerechtfertigt ist, wenn entweder eine Wiederholungsgefahr vorliegt oder zu befürchten ist, dass Andere – insbesondere Soldaten – das Verhalten nachahmen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nicht durch mildere Mittel, z. B. Disziplinarmaßnahmen, abgewendet werden kann.
Bei dem hier vorliegenden Fall handelte es sich um ein Fehlverhalten im privaten Bereich, bei dem weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Nachahmungsgefahr anzunehmen war. Außerdem stehe nicht fest, so das OVG, dass die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nicht durch eine Disziplinarmaßnahme hätte abgewendet werden können.
Hintergrund
Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (2 B 114.11) und macht abermals klar, dass Drogenkonsum bei Soldaten nicht automatisch eine Entlassung rechtfertigt. Solche Vorfälle werden aber bei der Bundeswehr trotz der hohen Hürden für die Ahndung streng verfolgt. Zu groß ist die Befürchtung, dass sich ein laxer Umgang mit Drogen verbreitet.
Für Soldaten, die aufgrund vergleichbarer Vorfälle ihre Entlassung erhalten haben und dagegen vorgehen wollen, ist ein taktisch konsistentes Vorgehen wichtig. Die Verteidigung sollte sich an den Eckpunkten der Rechtsprechung orientieren.
Checkliste Cannabis-Entlassung
Einmaliger Vorfall
Erfolgsaussichten, gegen eine Entlassung vorzugehen bestehen für Soldaten nur dann, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Wer vor seiner Soldatenzeit schon einmal weiche Drogen probiert hat , kann davon profitieren, dies frühzeitig einzuräumen. Das spricht für die Glaubwürdigkeit des Soldaten. Wichtig ist, dass die Angaben widerspruchsfrei und plausibel sind. Wer „scheibchenweise“ etwas einräumt, dem wird tendenziell weniger geglaubt. Außergewöhnliche Umstände können für einen einmaligen Vorfall sprechen. Neben einer besonderen Feier können solche Umstände auch Liebeskummer, der Verlust oder die Krankheit eines nahen Angehörigen sein.
Keine Wiederholungsgefahr
Es sollten Umstände dargelegt werden, die erkennen lassen, dass keine Wiederholungsgefahr besteht. Dazu kann ein soziales Umfeld ebenso beitragen wie persönliche Freizeitaktivitäten. Wer beispielsweise darlegt, dass der einmalige Drogenkonsum zu ernsthaften Konflikten mit der Lebenspartnerin bzw. dem Lebenspartner geführt hat, und dass er solche Konflikte zukünftig unbedingt vermeiden möchte, der macht klar, dass er neben der Dienstpflicht auch ein privates Versprechen abgegeben hat. Dasselbe gilt dann, wenn der Soldat glaubhaft darlegt, dass der Vorfall zu einer Veränderung der Angewohnheiten geführt hat. Beispiel: Alkoholabstinenz, sportliche Aktivitäten. Solche objektiven Umstände sind häufig nicht allein entscheidend. Sie können aber durchaus das „Zünglein“ an der Waage sein.
Keine Nachahmungsgefahr
Wichtig ist, dass das Verhalten keine Nachahmungsgefahr mit sich bringt. Bei Feiern im abgegrenzten privaten Bereich ist diese Voraussetzung schnell zu bejahen. Anders kann es bei öffentlichen Feierlichkeiten aussehen, z. B. in Diskotheken oder auf öffentlichen Plätzen. Von Vorteil kann es sein, wenn der Drogenkonsum in geschlossener kleiner Runde stattgefunden hat, und zwar erst nach dem Besuch der Disko.
Disziplinarverfahren als milderes Mittel
Zum dem Umstand, ob zur Ahndung des Fehlverhaltens auch ein Disziplinarverfahren ausgereicht hätte, kann der Soldat kaum etwas beitragen. Allein in Betracht kommt, dass er gegenüber den Vorgesetzten ernsthafte Reue zeigt und sich offen für Belehrungen ist.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2019 – 10 N 88.16
Zugrunde liegende Rechtsprechung: BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 – 2 B 114.11