Kommt ein Schüler zu spät zum Unterricht, darf er kurzzeitig vom Unterricht ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Anordnung der Schule ist eine zulässige Erziehungsmaßnahme und kein angreifbarer Verwaltungsakt. So entschied das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (Hamburgisches OVG) in seinem Beschluss vom 21.02.2019 (1 Bs 10/19).
Wiederholtes Zuspätkommen eines Schülers
Dass Schüler hin und wieder zu spät zum Unterricht erscheinen, gehört ganz sicher zum Schulalltag einer Schule. Häuft sich das Zuspätkommen, kann es aber zum Ärgernis von Lehrern und den bereits anwesenden Schülern führen. Denn der bereits begonnene Unterricht wird durch das spätere Eintreffen einzelner Schüler unterbrochen. Die Konzentrationsfähigkeit der anwesenden Schüler leidet. Der Unterrichtsablauf wird gestört.
Maßnahme der Klassenleitung: Unterrichtsausschluss
Mit diesem Problem hatten die Lehrer einer Grundschulklasse in Hamburg zu kämpfen. Da einzelne Schüler einer zweiten Klasse wiederholt zu spät kamen, überlegte sich die Klassenleitung für das kommende Schuljahr eine „Pünktlichkeitsmaßnahme“. Die Klassenleitung ordnete an, dass sich Schüler, die erst nach dem Unterrichtsbeginn um 8.00 Uhr kommen, in das Schulbüro begeben müssen. Dort sollen sie warten, bis sie um 8.15 Uhr vom Klassensprecher oder Lehrer abgeholt werden oder bis zum Stundenende um 9.00 Uhr an ihren Aufgaben arbeiten. Zu Beginn des neuen Schuljahres wurden die Eltern der Schüler entsprechend informiert.
Widerspruch des Schülers gegen die Anordnung der Klassenleitung
Ein Schüler der Klasse war im vorangegangenen Schuljahr besonders oft zu spät zum Unterricht erschienen. Er versäumte laut Zeugnis aufgrund seines Zuspätkommens insgesamt 1.285 Minuten Unterricht. Dieser Schüler fühlte sich daher unmittelbar betroffen von der neuen Regelung. Die Eltern des Schülers hatten bereits bei Ankündigung der Einführung der „Pünktlichkeitsmaßnahme“ versucht, diese zu verhindern. Sie waren mit dem damit verbundenen Unterrichtsausschluss überhaupt nicht einverstanden. Ihr anwaltlich vertretener Sohn legte nach schriftlicher Bekanntgabe der neuen Maßnahme Widerspruch ein. Zugleich beantragte der Anwalt des Schülers, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Eltern und Schüler gingen davon aus, dass die Pünktlichkeitsmaßnahme als Ordnungsmaßnahme rechtswidrig ist.
Prozessverlauf
Das Verwaltungsgericht lehnte den vorläufigen Rechtsschutzantrag ab. Es ging davon aus, dass der Antrag bereits unzulässig war. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts lag gar kein angreifbarer Verwaltungsakt vor. Es handelt sich bei der Pünktlichkeitsmaßnahme lediglich um eine schulische Verhaltensregel mit geringer Eingriffsintensität. Ein Verwaltungsakt liegt jedenfalls nicht vor, so das Verwaltungsgericht. Vielmehr stellt die Pünktlichkeitsmaßnahme eine zulässige verhältnismäßige Erziehungsmaßnahme im Sinne von § 49 Absatz 2 HmbHG dar.
Der Schüler legte als Antragsteller Beschwerde gegen das Urteil ein. Über die Beschwerde hatte nun das Hamburgische OVG zu entscheiden.
Entscheidung des Hamburgischen OVG
Das Hamburgische OVG wies die Beschwerde des Schülers zurück. Die Maßnahme der Klassenleitung hat nach Auffassung des Hamburgischen OVG eine so geringe Eingriffsintensität, dass man nicht von einem Verwaltungsakt ausgehen kann. So hatte es auch das Verwaltungsgericht zuvor gesehen. Insbesondere liegt keine förmliche Ordnungsmaßnahme vor.
Kurzer Unterrichtsausschluss ist zulässige Erziehungsmaßnahme
Der faktische Unterrichtsausschluss in der ersten Unterrichtsstunde zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr, je nach Eintreffen des Schülers, bleibt weit hinter einer förmlichen Ordnungsmaßnahme zurück, so das Hamburgische OVG. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Erziehungsmaßnahme. Das Hamburgische OVG weist darauf hin, dass § 49 Absatz 2 Satz 2 HmbSG den kurzfristigen Ausschluss vom Unterricht ausdrücklich als Beispielsfall einer Erziehungsmaßnahme benennt. Dieser Erziehungsmaßnahme kommt aufgrund der geringen Eingriffsintensität keine Verwaltungsaktqualität zu. So sieht es das Hamburgische OVG.
Interne Ordnung der Schule
In der Pünktlichkeitsmaßnahme sieht das Hamburgische OVG eine Erziehungsmaßnahme, die lediglich die interne Ordnung in der Schule betrifft, somit nur das „Betriebsverhältnis“ zwischen Schule und Schüler betrifft und wegen der geringen Eingriffsintensität und fehlenden Außenwirkung keinen Verwaltungsakt darstellt.
Da ein Verwaltungsakt nicht vorlag, war der Antrag des Schülers bereits unzulässig. Einen eventuell zulässigen Antrag nach § 123 Absatz 1 Satz 2 VwGO stellte der Schüler nicht. Über die Zulässigkeit eines solchen Antrags musste daher nicht entschieden werden.
Anordnung der Klassenleitung verhältnismäßig
Unabhängig davon weist das Hamburgische OVG jedoch darauf hin, dass es die Pünktlichkeitsmaßnahme für verhältnismäßig hält. Ein eventuell zulässiger Antrag wäre dann aufgrund der Rechtmäßigkeit der Maßnahme jedenfalls unbegründet.
Hamburgisches OVG, Beschluss vom 21.02.2019 – 1 Bs 10/19
Sieht es so aus, dass man zu spät kommt, gleich eine Stunde später zur Schule gehen und gut. Da nimmt man keinen Anwalt, sondern schreibt der Schule einen kurzen Brief, dass das Kind zu Hause an den Aufgaben arbeitet. Notfalls “zur Strafe” den ganzen Tag nicht hingehen. Geht man ein Eis essen mit dem Kind.
Was für ein kaputtes, preußisch-militantes System, wo 7jährige wie Soldaten abgerichtet werden. komm pünklich, sitz gerade, halte den Mund, dass ist Schule. Nicht etwa, habe Spass, Du musst das noch 10 Jahre machen … nööö.
Mein zweiter Sohn ist nun in der ersten Klasse hier in Hamburg und ich freue mich wieder echt auf solche Situationen. Wirklich. Ich bin genau der Richtige für solche Gespräche.
Welches “nicht-kaputte” System würden Sie denn bevorzugen? Dass alle Schüler kommen wann sie wollen, sich hinfläzen wie sie wollen, durcheinander brüllen und -toben? Ups, jetzt hab ich wohl gerade den Alltag an Hamburger Schulen beschrieben. Von daher könnte man wirklich Bildung in Hamburg komplett wegfallen lassen, weil die künftigen Arbeitsbranchen für junge Leute ohnehin klar ist: Die Männer werden Hafenarbeiter oder Türsteher und die Mädels Animierdamen oder noch ne Stufe weiter… wesentlich andere Berufsperspektiven gibt es ja da oben anscheinend nicht. Was für eine armselige Stadt
Erzieherische Maßnahme hin oder her, wenn ein Schüler auf ÖFFENTLICHE VERKEHRSMITTEL angewiesen ist und deren Zuverlässigkeit nicht mehr diskutabel ist, stellt sich schon die ein oder andere Frage. Soll man von einem Schüler verlangen, dass er möglicherweise, je nach Schulweg, ein bis eineinhalb Stunden früher aufzustehen und sich über die Verkehrslage zu informieren, um möglicherweise unverhältnismäßig früh nach alternativen Verbindungen Ausschau zu halten?
Bei minderjährigen Auszubildenden ist klar geregelt, dass sie nicht vor 6:00h Ihre Arbeit antreten, aber bei Schülern soll das “OKAY” sein, sich quasi mitten in der Nacht ein Bild der aktuellen Verkehrssituation zu machen. Dann kann ich nur sagen, herzlichen Glückwunsch!” Wenn eine Lehrkraft in solch einem Fall den Anspruch auf Pünktlichkeit erhebt, dann würde ich liebend gerne an derart raumfüllenden Unterrichtsstunden teilhaben, denn dann könnte man sich im Vorfeld mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die ein oder andere Vorlesung an einer Universität sparen.
Der Sohn kommt nicht pünktlich und die Eltern besorgen einen Anwalt. Ich bin froh, dass dies so nicht funktioniert hat.