Bei online gekauften Sachen steht Verbrauchern ein Rückgaberecht zu. Das gilt allerdings dann nicht, wenn bei einer Sache die Versiegelung entfernt wurde und die Sache aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet ist. Geregelt sind das Rückgaberecht sowie die Ausnahmen im BGB, das die EU-Vorgabe umsetzt (Art. 16 Buchstabe e EU RL 2011/83).
Schutzfolie entfernt
Wenn bei einem Tampon die Schutzfolie entfernt wurde, leuchtet es ein, dass die Rückgabe ausgeschlossen sein muss. Es gibt aber Grenzfälle, bei denen das nicht so klar ist. Z. B. bei Matratzen mit Schutzfolie. Über einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
Ein Verbraucher wollte eine Matratze zurückgeben. Der Händler verweigerte die Rücknahme der Matratze, da der Verbraucher die Schutzfolie entfernt hatte. Die Frage, ob das Entfernen der Schutzfolie von einer Matratze deren Rückgabe ausschließt, legte der BGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.
Matratzen sind wie Kleidung
Der für seine verbraucherfreundliche Rechtsprechung bekannte EuGH hat entschieden, dass die Rückgabe bei einer Matratze mit entfernter Schutzfolie nicht ausgeschlossen ist. Nach Auffassung der Luxemburger Richter dient das gesetzliche Rückgaberecht einem hohen Verbraucherschutzniveau. Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, eine Sache zu prüfen und auszuprobieren. Das Gesetz gleicht diese beim Onlinekauf fehlende Möglichkeit aus. Ausnahmen vom Rückgaberecht sind daher eng auszulegen.
Eine die Rückgabe ausschließende Entfernung der Versiegelung liegt nach Auffassung des EuGH nur dann vor, wenn dies zu einem Wegfall der Garantie führt. Dies wohlgemerkt nur in Bezug auf den Gesundheitsschutz oder die Hygiene. Denn nur in solchen Fällen kann eine Sache nicht mehr wiederverwendet und vom Verkäufer nicht mehr erneut in den Verkehr gebracht werden. Erforderlich ist daher, dass die Sache endgültig nicht mehr verkehrsfähig ist. Das ist dann anzunehmen, wenn es dem Verkäufer unmöglich ist, die Sache wieder in den Verkehr zu bringen oder wenn das übermäßig schwierig ist.
Matratzen, bei denen die Schutzfolie entfernt wurde, sind noch verkehrsfähig. Zur Begründung verweist der EuGH auf Matratzen in Hotels, die ebenfalls mehreren Personen dienen und das Vorhandensein eines Marktes für gebrauchte Matratzen.
In Bezug auf das Rückgaberecht sind Matratzen wie Kleidung zu behandeln. Kleidung kommt beim Anprobieren mit dem Köper in Kontakt. Dem Verkäufer ist dadurch die weitere Verwendung zurück gesendeter Sachen nicht unmöglich. Vielmehr kann er sie, ggfls. nach Desinfektion und Reinigung wieder in den Verkehr bringen. Bedenken des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene bestehen in diesen Fällen nicht.
Hintergrund
Die Entscheidung überrascht nicht. Sie bestätigt die Auffassung des BGHs, der in seiner Vorlageentscheidung bereits dazu tendierte, dem Verbraucher das Rückgaberecht zuzubilligen. Mit der Entscheidung wird die wichtige Grenzziehung zwischen Schutzverpackungen zum Gesundheitsschutz bzw. zur Hygiene und sonstigen für das Rückgaberecht irrelevanten Verpackungen geschärft. Der Vergleich zwischen Matratzen und Kleidung überzeugt. Kein Mensch würde Idee kommen, dass man eine anprobierte Hose nicht zurückgeben kann. Bei Matratzen kann nichts anderes gelten.
Die EuGH-Entscheidung ist für Onlinehändler eine schwere Kost, denn es wird immer schwieriger, Verbrauchern das Rückgaberecht abzusprechen. Verbraucher haben nur dann Probleme bei der Rückgabe zu befürchten, wenn sie die Sachen beim Ausprobieren mehr als notwendig in Mitleidenschaft gezogen haben. Bei Matratzen kann das der Fall sein, wenn sie verschmutzt zurückgegeben werden. Auch ist eine Parallele zur Kleidung berechtigt. Wer eine Jeans mit ausgebeulten Taschen, Kniefalten und Flecken zurückgeben will, hat schlechte Karten. Das spricht nämlich dafür, dass die Hose bereits getragen wurde, was über ein bloßes Anprobieren hinaus geht. In solchen Fällen haben Verbraucher Schadensersatz zu leisten (Art. 14 Absatz 2 und Erwägungsgrund 47 EU RL 2011/83). Der Schaden besteht darin, dass die Sache nicht mehr verkauft werden kann. Praktisch entspricht dies meistens dem Kaufpreis, sodass es sich um eine faktische Grenze des Rückgaberechts handelt.
EuGH, Urteil vom 27.03.2019 – C-681/17