Das Recht auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit „wegen der Geburt eines weiteren Kindes“ (§ 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG) setzt die tatsächliche Entbindung des weiteren Kindes voraus. Die vorzeitige Beendigung der Elternzeit kann daher nicht während der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind eintreten. Das ergibt die Auslegung des § 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG.
So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit seinem Urteil vom 08.05.2018 (9 AZR 8/18).
Der Fall
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt.
Anlässlich der Geburt ihres ersten Kindes nahm die Klägerin eine Elternzeit für die Dauer von zwei Jahren in Anspruch. Für das zweite Jahr der Elternzeit vereinbarte die Klägerin mit der Beklagten eine Teilzeittätigkeit. Während der Teilzeittätigkeit sollte die Klägerin 24 Stunden in der Woche arbeiten.
Kurz vor Ablauf des ersten Jahres der Elternzeit beantragte die Klägerin die vorzeitige Beendigung der Elternzeit. Die Elternzeit sollte zum ersten Tag des zweiten Elternzeitjahres beendet werden. Grund war die bevorstehende Geburt des zweiten Kindes. Der Entbindungstermin für das zweite Kind war für die Mitte des zweiten Elternzeitjahres errechnet worden. Die Beklagte lehnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit ab. Die Ablehnung erfolgte aus betrieblichen Gründen.
Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie hielt an ihrem Antrag fest. Zugleich bot die Klägerin schriftlich ihre Arbeitsleistung für eine Vollzeitbeschäftigung an. Hierfür verlangte die Klägerin die entsprechende Vergütung.
Die Beklagte lehnte die Vergütung für eine Vollzeittätigkeit ab. Schließlich befand sich die Klägerin nach wie vor in Elternzeit. So sah es zumindest die Beklagte.
Ca. drei Monate später wandte sich die Klägerin mit einem weiteren Schreiben an die Beklagte.
Sie zeigte erneut die Beendigung ihrer Elternzeit an, nun zum 31.3.2017. Darüber hinaus wies die Klägerin auf ihren Mutterschutz ab dem 01.04.2017 hin.
Prozessverlauf
Zwischenzeitlich hatte die Klägerin Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben.
Sie vertrat die Auffassung, dass ihre Elternzeit bereits zum ersten Tag des zweiten Elternzeitjahres vorzeitig beendet wurde. Die Klägerin begehrte die Vergütungsdifferenz zwischen dem gezahlten Teilzeitentgelt und dem geltend gemachten Vollzeitentgelt.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Es entschied, dass die Elternzeit nicht vorzeitig zum ersten Tag des zweiten Elternzeitjahres beendet wurde. Die Regelung des § 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG knüpft an die tatsächliche Geburt des weiteren Kindes an. Eine Schwangerschaft genügt nicht. So sah es das Arbeitsgericht.
Die Berufung der Klägerin vor dem zuständigen Landesarbeitsgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Die Klägerin legte Revision beim BAG, worüber das BAG nun zu entscheiden hatte.
Entscheidung des BAG
Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Es wies die Revision der Klägerin zurück.
Die Elternzeit wurde nicht nach § 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG wegen der Geburt eines weiteren Kindes zum ersten Tag des zweiten Elternzeitjahres vorzeitig beendet.
Daher steht der Klägerin auch die begehrte Vollzeitvergütung nicht zur.
So entschied das BAG in seinem Urteil.
Tatsächliche Geburt erforderlich
Das BAG weist darauf hin, dass der Wortlaut des § 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG ausdrücklich an die Geburt eines weiteren Kindes anknüpft.
Das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit „wegen der Geburt eines weiteren Kindes“ setzt tatbestandlich die Geburt bzw. die Entbindung des weiteren Kindes voraus.
Schwangerschaft genügt nicht
Die Schwangerschaft genügt hierfür nicht.
Ist das Ereignis der Geburt eingetreten, kann der Arbeitgeber nur aus dringenden betrieblichen Gründen die vorzeitige Beendigung ablehnen. Das Recht auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit „wegen der Geburt eines weiteren Kindes“ gemäß § 16 Absatz 3 Satz 2 BEEG kann daher „nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt“. Dies entschied das BAG in seinem Urteil.
Der von der Klägerin mit ihrem ersten Schreiben geltend gemachte Zeitpunkt lag noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind. Nach der Entscheidung des BAG konnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zu diesem Zeitpunkt nicht verlangt werden. Es fehlte an der erforderlichen Zustimmung der Beklagten.
Aus diesem Grund musste die Klägerin bis zum Beginn des Mutterschutzes für das zweite Kind nicht in Vollzeit beschäftigt werden. Ihr Angebot im Hinblick auf ihre Arbeitsleistung in Vollzeit ging daher ins Leere. Die Klägerin hatte keinen Vollzeitvergütungsanspruch. Sie hatte somit auch keinen entsprechenden Feststellungsanspruch.
Ende der Elternzeit mit Inanspruchnahme des Mutterschutzes
Unbeschadet davon endete die erste Elternzeit der Klägerin aufgrund der Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen ab dem 01.04.2017. Dies ergibt sich aus § 16 Absatz 3 Satz 3 BEG.
Hierfür ist die Zustimmung der Beklagten als Arbeitgeberin nicht erforderlich gewesen.
BAG, Urteil vom 08.05.2018 – 9 AZR 8/18