Zweieinhalb Jahre altes Pferd – gebrauchte Sache im Sinne des Gesetzes (OLG S-H, Urt. v. 04.07.2018 – 12 U 87/17)

Ein zweieinhalb Jahre altes Pferd ist, unabhängig vom Verwendungszweck und unabhängig davon, ob es schon verwendet worden ist, rechtlich als gebraucht und nicht mehr als neu anzusehen. Eine entsprechende Entscheidung traf das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG S-H) am 04.07.2018 (12 U 87/17).

Vorangegangen war ein Rechtsstreit um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen zweieinhalb Jahre alten Hengst. Die Klägerin kaufte im Jahr 2014 von der Beklagten im Rahmen einer Versteigerung einen zu diesem Zeitpunkt zweieinhalb Jahre alten Hengst. Dem Vertrag zu Grunde lagen die Auktionsbedingungen der Beklagten, wonach z.B. etwaige Gewährleistungsrechte drei Monate nach Gefahrübergang bzw. Ansprüche wegen Beschaffenheitsmängeln am 31.5. des auf den Gefahrübergang folgenden Jahres verjähren sollen. Das Pferd wurde nach der Übergabe zunächst im Stall der Klägerin, ab dem Sommer 2015 auf der Weide untergebracht. Die Klägerin hatte nach ihrem Vorbringen zunächst versucht, das Pferd zu longieren und an Sattel und Reitgewicht zu gewöhnen. Ab Herbst 2015 habe die Klägerin versucht, das Pferd anzureiten, was ihr nicht gelungen sei. Die Klägerin behauptete, das Pferd sei nicht reitbar und auffällig widersetzlich und empfindlich. Sie habe das Pferd als zukünftiges Dressurpferd gekauft und könne dieses als solches nicht nutzen. Zudem behauptete die Klägerin ein so genanntes Kissing Spines im Bereich der Brust und der Lendenwirbelsäule sowie eine Verkalkung im Nackenbereich des Pferdes, was die Beklagte bestritt. Die Klägerin erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages, insbesondere die Rückzahlung des von ihr gezahlten Kaufpreises von ca. 25.000,- €. Die Beklagte lehnte eine Rückabwicklung des Kaufvertrages ab.

Die Klägerin erhob beim zuständigen Landgericht Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung etwaiger Ansprüche ab. Nach den Auktionsbedingungen der Beklagten sind etwaige Ansprüche der Klägerin auf drei Monate nach Gefahrübergang beschränkt worden, so das Landgericht. Insbesondere ist nach Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass die Auktionsbedingungen der Beklagten wirksam in den Vertrag einbezogen wurden und auch nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Das Landgericht ging davon aus, dass es sich bei dem gekauften Pferd um eine gebrauchte Sache und nicht um eine neue Sache im rechtlichen Sinne handelt. Gemäß § 474 Absatz 2 Satz 2 BGB kommen aus diesem Grund auch nicht die besonderen Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zur Anwendung, so das Landgericht. Es gelte die kurze Verjährungsfrist der Auktionsbedingungen der Beklagten, womit etwaige Ansprüche der Klägerin in jedem Fall verjährt wären.

Die Klägerin legte gegen das abweisende Urteil des Landgerichts Berufung beim OLG S-H ein, über die das OLG S-H mit seinem Urteil vom 04.07.2018 nun entschieden hat.

Das OLG S-H bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung der Klägerin zurück. Wie auch zuvor das Landgericht geht das OLG S-H von einer Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin aufgrund der in den Auktionsbedingungen geregelten kurzen Verjährungsfrist aus. Das OLG S-H befasst sich in seiner Entscheidung ausführlich mit der Frage, ob das gekaufte zweieinhalb Jahre alte Pferd als neu oder gebraucht einzustufen ist, dies im Hinblick auf eine etwaige Anwendbarkeit der besonderen Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf. Gemäß § 474 Absatz 2 Satz 2 BGB sind die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf nicht bei gebrauchten Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung gekauft werden, anwendbar. Dies gilt aufgrund der Regelung von § 90a BGB auch für Tiere.

Bei dem streitgegenständlichen zweieinhalb Jahre alten Hengst handelt es sich nach Auffassung des OLG S-H in jedem Fall rechtlich um eine gebrauchte Sache. Das OLG S-H stellt hier allein auf den Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach der Geburt des Tieres bis zum Gefahrübergang ab. Bei einem Ablauf von zweieinhalb Jahren ist nach Auffassung des OLG S-H in jedem Fall rechtlich von einer gebrauchten Sache auszugehen, „unabhängig davon, welchem Zweck ein Pferd dienen soll und ob es schon verwendet worden ist“. Das OLG S-H weist in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs hin, wonach der bloße Zeitablauf als unerheblich anzusehen ist, solange das Tier noch jung ist (BGH, VIII ZR 3/06, Rn. 32). Dieses Urteil steht der Auffassung des OLG S-H nicht entgegen, da das zweieinhalb Jahre alte Pferd nicht mehr als jung anzusehen ist. Ein Hengst ist in diesem Alter schon längere Zeit von der Mutterstute getrennt und hat „infolgedessen über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen“. Zudem ist es spätestens seit Vollendung des zweiten Lebensjahres geschlechtsreif, so das OLG S-H. Nach Auffassung des OLG S-H komme es auch nicht darauf an, wann das Pferd erstmalig als Reitpferd eingesetzt wird, weil der Erwerber damit das Risiko nachteiliger Veränderungen einseitig auf den Verkäufer abwälzen könnte, „indem das Tier erst in sehr vorgerücktem Alter einer Zweckbestimmung zugeführt wird“. Es wäre auch denkbar, dass der Erwerber sich entschließt, das Pferd überhaupt nicht als Reitpferd einzusetzen. Wie in diesem Fall eine Einstufung in neu oder gebraucht vorzunehmen wäre, bliebe offen.

In jedem Fall ist aufgrund der oben dargestellten Gründe nach Auffassung des OLG S-H bei einem zweieinhalb Jahre alten Pferd rechtlich von einer gebrauchten Sache auszugehen. Das zweieinhalb Jahre alte Pferd wurde im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Versteigerung von der Klägerin erworben, womit die besonderen Vorschriften des Verbrauchgüterkaufs gemäß § 474 Absatz 2 Satz 2 BGB nicht zur Anwendung kommen. Die mit den Auktionsbedingungen der Beklagten vereinbarte kurze Verjährungsfrist von drei Monaten ab Gefahrübergang kam damit zur Anwendung.

Etwaige Gewährleistungsrechte der Klägerin waren verjährt und der von der Klägerin erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag somit unwirksam, so das OLG S-H in seinem Urteil. Ergänzend prüfte und führte das OLG S-H aus, dass die in den Kaufvertrag einbezogenen Auktionsbedingungen nicht gegen AGB-Recht verstoßen, sondern einer Inhaltskontrolle standhalten.

Die Klägerin konnte aufgrund der eingetretenen Verjährung nicht vom Kaufvertrag zurücktreten. Die Berufung der Klägerin wies das OLG S-H aus diesem Grund zurück.

Das OLG S-H hat in seinem Urteil aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung die Revision gemäß § 543 Absatz 2 Nummer 1 ZPO zugelassen. Aufgrund der Vielzahl von Versteigerungsfällen hat die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein Pferd nicht mehr als neu im Sinne des Gesetzes anzusehen ist, eine Relevanz, so das OLG S-H.

OLG S-H, Urteil vom 04.07.2018 – 12 U 87/17

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