Bezeichnet ein Arbeitnehmer die Geschäftsführer als „soziale Arschlöcher“, kann dies eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Eine vorherige Abmahnung ist dann nicht erforderlich. So entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG S-H) in seinem Urteil vom 24.01.2017 (3 Sa 244/16). Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung aufgrund einer Beleidigung des Geschäftsführers und des ehemaligen Geschäftsführers durch den Kläger. Der Kläger war bei der Beklagten seit mehr als 20 Jahren als Geselle für Gas- und Wasserinstallation beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Familienbetrieb, geführt von zwei Geschäftsführern. Beschäftigt sind dort neben dem Kläger zwei weitere Gesellen, ein Auszubildender und die Mutter der beiden Geschäftsführer. Der Vater der beiden Geschäftsführer ist der ehemalige Geschäftsführer der Beklagten. Im Februar 2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß. Hintergrund der Kündigung war der Vorwurf der Beleidigung eines Geschäftsführers und seines Vaters durch den Kläger.
Es lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger begab sich am Ende eines Arbeitstages in das Büro der beiden Geschäftsführer. Anwesend neben einem Geschäftsführer, der gerade telefonierte, war auch der ehemalige Geschäftsführer. Da der anwesende Geschäftsführer telefonierte, wandte sich der Kläger mit zwei Fragen zu einer aktuellen Baustelle an den ehemaligen Geschäftsführer. Der konkrete Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger empfand die Antworten des ehemaligen Geschäftsführers auf seine technischen Fragen als unsachlich. So antwortete der ehemalige Geschäftsführer auf die Frage des Klägers zur Absturzsicherung eines Bauteils, er könne doch als ehemaliger Seemann verschiedene Knoten, was der Kläger als Provokation verstand. Konkrete Lösungsmöglichkeiten wurden nicht besprochen. Der Kläger sah das Gespräch daher als beendet an und wollte grußlos den Raum verlassen. Der anwesende Geschäftsführer kommentierte das Gespräch für den Kläger hörbar sinngemäß wie folgt: „Kinderkram/Sind wir hier im Kindergarten?“. Am nächsten Morgen begab sich der Kläger wieder in das Büro der Beklagten. Die Geschäftsführer waren anwesend und offensichtlich gereizt und angespannt. Der Kläger wies darauf hin, dass für ihn das Gespräch vom Vortrag keinesfalls „Kinderkram“ gewesen sei. Der weitere Verlauf ist streitig, es kam jedoch zu einem Wortgefecht zwischen den Beteiligten. Unstreitig äußerte sich der Kläger in diesem Gespräch dahingehend, dass einer der Geschäftsführer gerne den Chef raushängen lasse und dass sein Vater, der ehemalige Geschäftsführer sich am Vortag ihm gegenüber wie ein „Arsch“ verhalten habe. Auch sei der Geschäftsführer auf dem besten Weg dahin, ihm den Rang abzulaufen. Auf die Bemerkung des Klägers „Dann kündigt mich doch!“ erwiderte einer der Geschäftsführer: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“. Der Kläger äußerte sich hierzu unstreitig, dass die Firma dies sowieso schon sei. Das Gespräch wurde daraufhin vom Geschäftsführer beendet. Der Kläger nahm noch für diesen Tag seine Arbeit auf und wurde noch am selben Abend telefonisch für die nächsten drei Tage zum Abbau von Arbeitszeitguthaben freigestellt. Im Anschluss daran wurde dem Kläger Urlaub gewährt. Drei Tage nach dem streitgegenständlichen letzten Gespräch verfasste die Beklagte die außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung, nachdem sich der Kläger nicht für seine Wortwahl entschuldigte.
Der Kläger erhob gegen die ihm zugegangene Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht. In diesem Verfahren unternahm der Kläger auf dringendes Anraten des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erstmals den Versuch einer Entschuldigung. Der Kläger vertrat die Auffassung, er sei vom ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten am Vortag provoziert worden. Am Folgetag habe er sich aufgrund der Äußerungen vom Vortag in die Ecke getrieben gefühlt. Aufgrund dessen wären die Emotionen hoch gekocht. Die Situation sei dann eskaliert. Unmittelbar nach Ausspruch der beleidigenden Worte hätte dem Kläger dies jedoch Leid getan. Es habe sich um ein Augenblickversagen gehandelt. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass es sich nicht um ein Augenblickversagen handeln könne, da zwischen der vom Kläger behaupteten angeblichen Provokation und der Beleidigung am Folgetag mehrere Stunden vergangen sind. Zudem habe sie den Kläger zu keiner Zeit provoziert. Die Wortwahl des Klägers stelle eine drastische persönliche Beleidigung des Geschäftsführers und seines Vaters dar, das Vertrauensverhältnis sei dadurch nachhaltig zerstört. Das Arbeitsgericht wie die Klage des Klägers ab und folgte der Ansicht der Beklagten. Auch die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers vor dem LAG S-H hatte keinen Erfolg. Das LAG S-H stellte fest, dass die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ausgesprochen wurde. Die Worte des Klägers stellten eine nachhaltige Beleidigung des Geschäftsführers und seines Vaters da. Eine Affektsituation habe es nicht gegeben. Zudem habe sich der Kläger nicht aufrichtig entschuldigen wollen. Das Arbeitsverhältnis konnte hier gemäß § 626 Absatz 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund gekündigt werden. Zum einen lag ein wichtiger Grund vor, zum anderen war die Fortsetzung unter Abwägung der Interessen der Parteien nicht zumutbar. Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Absatz 1 BGB lag hier vor. Die Worte des Klägers, der ehemalige Geschäftsführer habe sich wie ein „Arsch“ verhalten und der jetzige Geschäftsführer sei auf dem Weg, seinem Vater den Rang abzulaufen, stellten nach Auffassung des Gerichts einen Frontalangriff auf den Geschäftsführer und seinen Vater dar. Die Äußerungen in Bezug auf die „sozialen Arschlöcher“ waren eine gezielte ehrverletzende, durch nichts gerechtfertigte Beschimpfung des Geschäftsführers und deren Vater durch den Kläger. Vom Kläger vorgetragene und mehrere Jahre zurückliegende Ereignisse konnte der Kläger nicht als Rechtfertigungsgrund heranziehen. Die Bemerkungen des ehemaligen Geschäftsführers am Vortag waren ebenfalls nicht geeignet, die Äußerungen des Klägers zu relativieren. Eine Provokation durch den ehemaligen Geschäftsführer konnte das Gericht nicht erkennen. Entscheidend sei hier auch, dass zwischen der vom Kläger behaupteten Provokation am Vortag und dem Gespräch am Folgetag fast 16 Stunden lagen. Es lag daher keine Affektsituation mehr vor. Im Hinblick der Schwere der Pflichtverletzung durch den Kläger war auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergab, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auch bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zuzumuten war. Von besonderer Bedeutung war hier, dass der Kläger sich nicht bei der Beklagten entschuldigte. Die Beklagte wartete nach dem streitgegenständlichen Gespräch drei Tage darauf, dass der Kläger auf sie zukommt, um sich gegebenenfalls zu entschuldigen oder die Angelegenheit irgendwie zu bereinigen. Dies ist nicht erfolgt. Der Kläger zeigte sich weiterhin, auch während des Verfahrens uneinsichtig. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass es sich um ein kleines Familienunternehmen handelt, „in dem sich die agierenden Personen nicht ausweichen können und in dem man viel mehr emotionale Nähe hat, als in einem Großbetrieb“. Die Beklagte hat durch die Entgleisungen des Klägers jegliches Vertrauen in den Kläger und ein gedeihliches Miteinander verloren. Trotz der langen Beschäftigungsdauer und des Alters des Klägers war es der Beklagten unter Abwägung aller Umstände nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung war daher wirksam. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
LAG S-H, Urteil vom 24.01.2017 – 3 Sa 244/16