Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20.02.2018 die Rechtsprechung zu Bewertungsportalen um einige interessante Gesichtspunkte ergänzt (BGH, Urteil vom 20.02.2018 – VI ZR 30/17). Gegenstand des Streits war die Veröffentlichung personenbezogener Daten im Ärztebewertungsportal „jameda“. In diesem Portal werden als kostenfreie Basisdaten akademische Grade, Namen, Fachrichtungen, Praxisanschriften, Kontaktdaten und Sprechzeiten aufgeführt. Außerdem besteht eine Bewertungsmöglichkeit durch Vergabe von Noten sowie die Eingabe von Texten. Neben den Basisdaten bietet jameda zahlenden Ärzten an, ihren Eintrag um ein Lichtbild und weitere Informationen zu ergänzen. Bei Aufruf eines Nichtzahler-Profils werden die Profilbilder von Konkurrenten derselben Fachrichtung angezeigt mit Entfernungsangaben und Noten. Wird hingegen ein Zahler-Profil aufgerufen, werden keine Konkurrenten angezeigt.
Die Klägerin – eine Ärztin – verlangte von jameda die vollständige Löschung ihres Eintrags. Sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht war die Klägerin erfolglos. Die Revision zum BGH hatte allerdings Erfolg: Der BGH entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Löschung der Daten nach § 35 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 BDSG hat, da die Speicherung der personenbezogenen Daten unzulässig war. Zwar sei eine Speicherung personenbezogener Daten und die Bewertung von Ärzten im Internet grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 358/13). Der Fall liege hier aber anders, denn das Portal agiert nicht mehr als neutraler Informationsvermittler. Dadurch, dass das Portal Einträge von nichtzahlenden Ärzten mit Anzeigen von Konkurrenten versieht, dies aber bei zahlenden Ärzten nicht geschehe, was den Benutzern des Portals nicht transparent gemacht werde, verlasse der Portalbetreiber den Rahmen des neutralen Informationsvermittlers. Damit – so der BGH – könne sich das Portal nicht mit demselben Gewicht auf die Meinungs- und Medienfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG und Art. 10 EMRK berufen, sodass das Recht er Klägerin auf Schutz der personenbezogenen Daten überwiege (Art. 2 Absatz 1 i. V. m. Art. 1 Absatz 1 GG, Art. 8 Absatz 1 EMRK). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt daher und der BGH erkannte der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung ihrer Daten zu (vgl. § 29 Absatz 1 Satz 1 BDSG).
Hintergrund: Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung, denn sie betrifft alle Informationsportale, deren Geschäftsmodelle darauf angelegt sind, zwischen privilegiert dargestellten Bezahleinträgen und Basiseinträgen zu unterscheiden.
Ärzte haben die Veröffentlichung ihrer Daten ebenso hinzunehmen wie die Bewertung ihrer Leistungen – sofern sich die Bewertungen im rechtlich zulässigen Rahmen halten – (BGH, Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 358/13). Der BGH zieht nun allerdings eine Grenze: die Veröffentlichung muss nicht hingenommen werden, wenn Bezahl-Einträge bessergestellt werden als kostenfreie Basis-Einträge. Als Grund führt das oberste deutsche Zivilgericht an, dass das Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit in diesem Fall weniger Gewicht habe als wenn eine Information neutral präsentiert wird. Zutreffend stellt der BGH auf das geringere Gewicht dieses Rechts ab. Denn dadurch, dass eine Information nicht neutral präsentiert wird, fällt der Schutz der Meinungsfreiheit nicht weg. In der Presseerklärung des Gerichts (die Urteilsgründe liegen zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags nicht vor) wird allerdings nicht zutreffend zwischen der Meinungs- und der Medienfreiheit unterschieden, denn beide Grundrechte werden auf Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG gestützt. Tatsächlich schützt Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG aber nur die Meinungsfreiheit, und zwar unabhängig davon, ob die Meinung in den Medien verbreitet wird. Das Grundrecht der Medienfreiheit unterfällt hingegen Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG, denn die Internetnutzung ist „Rundfunk“ im verfassungsrechtlichen Sinne. Ob die Medienfreiheit (Art. 5 Absatz 1 Satz 2 GG) bei der hier vorzunehmenden Abwägung überhaupt eine Rolle spielt, darf bezweifelt werden, denn darum, dass das Portal das Medium Internet benutzt, kommt es gar nicht an. Auf das Ergebnis wirkt sich das aber nicht aus, denn die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung bleibt dieselbe.
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie bewirkt das Aus für Geschäftsmodelle, welche Ärzte und sonstige auf Werbung und Außendarstellung Angewiesene zum Buchen von teuren Premium-Einträgen zwingt.
BGH, Urteil vom 20.02.2018 – VI ZR 30/17