Unter welchen Voraussetzungen Besitzer von Bäumen für Schäden aufzukommen haben, die von diesen verursacht werden, ist in der Rechtsprechung mittlerweile hinreichend geklärt. Zuletzt sorgte eine Entscheidung des obersten deutschen Zivilgerichts für Klarheit, was die Haftung für Wurzeln anbelangt (vgl. BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16). Für Schäden durch herabfallende Äste haften Baumbesitzer nur dann, wenn sie Verkehrssicherungspflichten verletzt haben. Das kann dann der Fall sein, wenn der Baum nicht auf herabzufallen drohendes Totholz untersucht wird oder augenscheinlich vorhandene Krankheiten ignoriert werden. Gerichtsentscheidungen zu herbfallenden Früchten (Äpfel, Birnen, Kastanien, Walnüsse) sind rar. Über einen solchen Fall hatte das Amtsgericht Frankfurt a. M. zu entscheiden.
Geklagt hatte ein Software-Unternehmen, welches einer seiner Mitarbeiterinnen ein Fahrzeug zur Nutzung überlassen hatte. Der Firmenwagen war durch herabgefallene Walnüsse und behangene Äste beschädigt worden. Nahezu das gesamte Fahrzeug wies Dellen auf: die Motorhaube, der linke Kotflügel, die Tür hinten rechts, das Dach, der Dachrahmen sowie die Heckklappe. Der Schaden belief sich auf 2.978,42 Euro. Hinzu kam eine Wertminderung in Höhe von 200 Euro. Die Klägerin verlangte außerdem Ersatz von Gutachterkosten, Nutzungsausfall und Auslagenpauschale. Den Schaden sollte die Stadt bezahlen, denn auf deren Fläche stand der ursächliche Walnussbaum. Es sei Aufgabe der Stadt, dafür zu sorgen, dass durch deren Baum keine Schäden verursacht werden. Die Stadt lehnte die Begleichung des Schadens ab. Das Herabfallen von Nüssen sei ein natürlicher Vorgang, für den die Stadt nicht haftbar gemacht werden könne. Eine Verkehrssicherungspflicht sei nicht verletzt worden, denn herabfallende Nüsse können, so machte die Stadt geltend, nicht mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln verhindert werden.
Die Klage wurde abgewiesen.
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. ließ es dahinstehen, ob die Schäden tatsächlich von dem Walnussbaum der Stadt herrührten, denn ein Anspruch scheitere jedenfalls daran, dass die Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt habe. Zu den Pflichten des Baumbesitzers – also der Stadt – gehöre zwar auch die Pflicht zu verhindern, dass durch Herabfallen von Teilen eines Baumes oder durch Umstürzen des Baumes selbst Schäden verursacht werden. Gefahren, die jedoch nicht durch menschliches Handeln oder Unterlassen entstehen, sondern naturgegeben sind, sind jedoch als eigenes Risiko hinzunehmen. Um ein solches Naturrisiko handele es sich beim Fruchtfall. Der Fruchtfall hätte nicht mit einem vertretbaren finanziellen Aufwand verhindert werden können. Abschließend wird in dem Urteil auseführt, dass die Stadt bei dem betreffenden Parkplatz die Errichtung eines Carports abgelehnt hatte. Durch einen Carport hätten die Schäden zwar verhindert werden können. Da die Stadt aber keine Verantwortung trifft, kann die Ablehnung der Errichtung eines Carports auch keine Verantwortung begründen.
Hintergrund: Die Entscheidung fügt sich in die Rechtsprechung zu herabfallenden Ästen ein. Eigentümer von Bäumen genügen ihrer Verkehrssicherungspflicht durch regelmäßige Sichtkontrollen. Wenn trotzdem einmal ein Schaden entsteht, ist das nicht die Verantwortlichkeit des Baumbesitzers (vgl. zu herabfallenden Ästen einer Kastanie – keine Haftung des Baumeigentümers: AG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.06.1993 – 33 C 418/93-27). Geschädigte können in solchen Fällen versuchen, den Schaden von der Kaskoversicherung ersetzt zu bekommen. Dass diese Grundsätze auch für den Fruchtfall gelten, leuchtet ein. Allerdings kann man die Frage stellen, ob die Stadt angesichts der bekannten Gefahr nicht wenigstens eine Hinweispflicht trifft. Fruchtfall tritt bei Walnussbäumen alljährlich zwischen Oktober und November auf. Sofern die Stadt von dem Umstand, dass herabfallende Walnüsse Schäden an Fahrzeugen verursachen können, keine Kenntnis hatte, ist für eine Hinweispflicht selbstverständlich kein Raum. Denn hingewiesen kann nur auf Gefahren, die der Verkehrssicherungspflichtige kennt oder kennen muss. Jetzt, nach dem Urteil, sieht die Sache aber anders aus. Die Stadt hat nun positive Kenntnis von der Gefahrenquelle. Von nun an müsste sie Fahrzeugführer durch Warnschilder darüber in Kenntnis setzen, dass Schäden durch herabfallende Nüsse entstehen können. Tut sie das nicht, könnte sie wegen des unterlassenen Hinweises auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden. Der Einwand, dass jeder Fahrzeugführer selbst aufpassen sollte, wo er sein Fahrzeug parkt, ändert daran nichts, denn der durchschnittliche Fahrzeugführer kann nicht erkennen, ob es sich bei einem Baum um einen Walnussbaum handelt und ob hoch oben in der Krone reife Walnüsse auf den nächsten Herbststurm warten.
Die Haftung für den unterbliebenen Hinweis dürfte aber bloße Theorie bleiben, denn praktisch sieht die Sache anders aus. Die meisten Bäume stehen auf gemeindeeigenen Flächen. Wenn man von den Gemeinden verlangen würde, bei jedem Walnussbaum und jeder Kastanie Hinweisschilder aufzustellen, würde das die Gemeinde wohl nicht bloß in personeller Hinsicht überfordern – erst recht wenn man die Folgen nicht aufgestellter Schilder bedenkt. Solche praktischen Gesichtspunkte spielen bei Gerichtsentscheidungen selbstverständlich auch eine Rolle.
Bei Schäden durch herabfallende Baumteile auf Mietparkplätzen ist die Rechtslage übrigens anders. Denn nach § 536a BGB besteht eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters (entschieden für einen herabfallenden Ast: OLG Brandenburg: Urteil vom 05.09.2007 – 4 U 71/07). Voraussetzung ist hier aber ein „Mangel“ der Mietsache, der bei Fruchtfall wohl nicht anzunehmen ist. Aber auch hier stellt sich die Frage der Hinweispflicht. Diese dürfte im Vertragsrecht durchaus zu bejahen sein, denn es handelt sich wohl um einen Umstand, der für den Mieter eines Parkplatzes erkennbar von Bedeutung ist. Wird also ein Auto von herabfallenden Walnüssen von einem Baum des Parkplatzvermieters beschädigt, haftet dieser nach § 280 Absatz 1 BGB, wenn er einen gebotenen Hinweis auf die Gefahr nicht erteilt hat.
Ein sehr unschöner Fauxpas ist dem Frankfurter Amtsgericht bei der Veröffentlichung des Urteils passiert. Zwar wurde das Urteil auf einer gesicherten Datenverbindung (https) zum Download bereitgestellt, aber das unter „ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de“ abrufbare pdf-Dokument mit dem Titel „Urteil Walnussbaum Anonym.pdf“ ist nur auf den ersten Blick anonym. Wer sich die Mühe macht, den Text aus dem pdf-Dokument in Word zu kopieren, den gesamten Text markiert und die Zeichenfarbe einheitlich schwarz auswählt, kann sich sämtliche personenbezogenen Daten ansehen: die Namen der Kläger und der Zeugen, die Adressen, den Namen des Richters usw. Die Zeichenfarbe der personenbezogenen Daten im pdf-Dokument auf „weiß“ zu setzen, genügt nicht. Eine solche datenschutzrechtliche Sorglosigkeit ist bemerkenswert.
Das pseudonymisierte Urteil finden Sie hier: AG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.11.2017 – 32 C 365/17 (72)