Zugestellte Flure und Kellertüren führen häufig zu Streit unter Mietern. Wer sein Fahrrad oder den Kinderwagen im Hausflur abstellt, tut das aber regelmäßig nur deshalb, weil keine Alternativen vorhanden sind. Andere Bewohner fühlen sich dadurch oft gestört, denn sie können den Hausflur nicht ungestört benutzen, manchmal sind Zugänge zu den Kellerräumen zugestellt oder das Erreichen der Briefkästen ist erschwert. Kein Wunder, dass solche Streitereien manchmal vor Gericht ausgetragen werden.
Über einen solchen Fall hatte das Amtsgericht Dortmund zu entscheiden. Geklagt hatte die Bewohnerin einer Erdgeschosswohnung, die sich von einem an der Kellertreppe abgestellten Kinderwagen gestört fühlte. Auf dem Weg zur Wohnungstür müsse die Klägerin an dem Kinderwagen vorbeigehen, was angesichts der zur Verfügung stehenden Breite von nur 60 Zentimeter nur unter unzumutbaren Anstrengungen möglich sei. Nach Auffassung der Klägerin diene der Hausflur nicht dem Abstellen von Kinderwagen, vielmehr könne der Kinderwagen auch im Schuppen, in der Garage oder im Keller abgestellt werden. Die Beklagten wandten ein, dass der Kinderwagen im Hausflur keine unzumutbare Beeinträchtigung darstelle und dass die genannten Alternativen (Schuppen, Garage, Keller) nicht in Betracht kommen, da diese nicht zumutbar seien. Die Klägerin erhob eine Unterlassungsklage – ohne Erfolg.
Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 BGB lagen nicht vor. Bei der in Betracht zu ziehenden Eigentumsbeeinträchtigung durch die eingeschränkte Benutzbarkeit des Treppenhauses sei zwischen primären, sekundären und tertiären Nutzungsrechten zu unterscheiden. Bei der Nutzung des Treppenhauses durch Abstellen des Kinderwagens handele es sich um eine sekundäre Nutzung, da sie für das Wohnen zwar nicht unabdingbar sei, der aber nach einer grundrechtsbezogenen Wertung eine besonders geschützte Stellung zukomme. Als solche grundrechtlich geschützte Rechtsposition erkennt das Amtsgericht den Schutz der Familie nach Art. 6 GG. Ins Gewicht fiel auch, dass sich im Laufe des Rechtsstreits herausstellte, dass der Kinderwagen tatsächlich nicht „auf dem Weg“ zur Wohnung der Klägerin störte, sondern allenfalls wenn die Klägerin die Kellertreppe benutzen wollte, was aber aufgrund der durch sie selbst behaupteten Gehbehinderung praktisch kaum vorkommen dürfte. Die von der Klägerin behaupteten Alternativen für das Abstellen des Kinderwagens seien für die Beklagten nicht zumutbar. Es können nicht erwartet werden, dass der Kinderwagen die Kellertreppe hinuntergebracht wird, während das kleine Kind (2 ½ Jahre) unbeaufsichtigt wartet, ebenso wenig kann die Garage benutzt werden, die aufgrund einer anderweitigen Nutzung nicht den notwendigen Platz aufweise und ein Abstellen im Bereich des Schuppens bzw. Carports komme ebenfalls nicht in Betracht, da diese Stelle nicht gegen Wind und Wetter geschützt sei. Im Rahmen der Abwägung kam das Amtsgericht daher zu der Überzeugung, dass der Unterlassungsanspruch nicht begründet ist.
Hintergrund: Da es sich um Ansprüche handelte, die das wohnungseigentumsrechtliche Gemeinschaftseigentum betraf, konnte die Klägerin – die zugleich Eigentümerin ihrer Wohnung war – keine Ansprüche nach § 15 Absatz 3 WEG geltend machen. Denn diese Vorschrift erfasst nur Ansprüche wegen Verletzung von Sondereigentum, d. h. Eigentum, das den einzelnen Wohnungseigentümern zugeordnet ist. Die Entscheidung eignet sich nicht für Verallgemeinerungen, wie sie in der Presse teilweise vertreten werden. Denn ein Recht, Kinderwagen im Hausflur abstellen zu dürfen, lässt sich aus der Entscheidung nicht herleiten. Hier kam es vielmehr darauf an, dass die Klägerin gar keine Beeinträchtigung ihrer Rechte nachweisen konnte. Schlimmer noch: sie hat sich im Laufe des Verfahrens in Widersprüche verstrickt. Das ist zwar nicht gleichbedeutend mit einem prozessualen Todesurteil, jedenfalls in der Theorie. In der Praxis sieht das aber anders aus.
Wer meint, dass das Abstellen von Kinderwagen im Hausflur nun rechtlich kein Problem ist, irrt: Wenn die Benutzung des Hausflurs eingeschränkt wird, wird das Abstellen in der Regel unzulässig sein. Das gilt umso mehr, wenn erhebliche Nutzungseinschränkungen auftreten. Das ist anzunehmen, wenn der Zugang zum Keller oder zu den Briefkästen erschwert wird und erst Recht, wenn Fluchtwege betroffen sind. Zu berücksichtigen ist auch, dass brennbares Material in Gemeinschaftsbereichen grundsätzlich vermieden werden sollte, denn im Brandfall können der Hausflur oder das Treppenhaus zur tödlichen Falle werden.
Auf welche Anspruchsgrundlage die Unterlassungsansprüche gestützt werden, dürfte zweitrangig sein, denn entscheidend sind regelmäßig die betroffenen Belange, die gegeneinander abzuwägen sind. Deshalb spielt es zumeist keine Rolle, ob Wohnungseigentümer, Vermieter oder Mieter den Anspruch geltend machen.
AG Dortmund, Urteil vom 12.12.2017 – 425 C 6305/17