Mieter sind häufig nicht in der Lage, die Richtigkeit einer Betriebskostenabrechnung zu prüfen, weil die dazu erforderlichen Angaben fehlen. Zwar existiert mittlerweile eine umfassende Rechtsprechung zu der Frage, in welche Belege Einsicht nehmen können und in welcher Form der Vermieter die Belege bereitzustellen hat. Bislang höchstrichterlich nicht entschieden war jedoch die Frage, inwieweit ein Mieter Einsicht in Ableseunterlagen von anderen Mietern des Hauses verlangen konnte. Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 07.02.2018 (VIII ZR 189/17) hat sich das geändert.
In dem entschiedenen Fall machte der Vermieter Nachzahlungen aus zwei Betriebskostenabrechnungen geltend. Der Heizkreis des Hauses umfasste eine Wohnfläche von insgesamt 720 qm. Für die Abrechnungsjahre 2013 und 2014 verlangte der Vermieter von den beklagten Mietern einer 94 qm großen Wohnung eine Betriebskostennachzahlung von insgesamt mehr als 5.000 Euro. Auf die Wohnung der Mieter, so wiesen es die Betriebskostenabrechnungen aus, entfielen 42 und 47 Prozent des Wärmeverbrauchs des ganzen Hauses. Damit wollten sich die Mieter, die eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 200 Euro gezahlt hatten, nicht zufrieden geben. Sie beanstandeten die Abrechnungen, da die Abrechnungswerte nicht plausibel seien und bestritten den Verbrauch und verlangten Einsicht in die Ablesebelege der übrigen Wohnungen des Hauses. Der Vermieter, der sich weigerte, die Ablesebelege vorzulegen, bekam sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht Recht. Nach Auffassung des Landgerichts sei es Sache des Mieters, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die Abrechnungen unzutreffend seien. Die Mieter legten Revision ein. Mit Erfolg:
Der BGH urteilte, dass der Vermieter die Beweislast für die erhobene Forderung trägt. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung hat zwar der Mieter die Nachforderung von Betriebskosten zu tragen (vgl. § 556 Absatz 1 Satz 1 BGB). Die Anspruchsvoraussetzungen müssen aber grundsätzlich von demjenigen nachgewiesen werden, der die Forderung geltend macht. Das ist hier der Vermieter. Dass das Berufungsgericht den Mietern abverlangt hat, „objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte“ für die Unrichtigkeit der Abrechnung vorzutragen, wie beispielsweise Leitungsverluste, sei mit der Beweislastverteilung nicht zu vereinbaren. Vielmehr hätte das Berufungsgericht den Beweisantritten der Mieter nachgehen müssen und sich von der Korrektheit der Betriebskostenabrechnungen überzeugen müssen. Zu den Anforderungen an eine aus sich heraus verständliche Abrechnung nach § 556 Absatz 3 Satz 1 BGB gehört nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch, dass der Vermieter dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die Abrechnungsunterlagen gewährt, sofern das zur Überprüfung der Betriebskostenabrechnung oder zur Vorbereitung der Geltendmachung von Einwendungen notwendig ist. Dazu gehört auch die Einsicht in Abrechnungsunterlagen der anderen im Mehrfamilienhaus vorhandenen Wohnungen, damit sich die Mieter Klarheit darüber verschaffen können, ob die Werte korrekt erfasst und veranschlagt worden sind und ob die Berechnung zutrifft. Ein besonderes Interesse an der Einsicht in die Belege der anderen Wohnungen – so der BGH – könne den Mietern nicht abverlangt werden, vielmehr genüge das allgemeine Interesse des Mieters, die Abrechnung durch den Vermieter zu überprüfen. Solange der Vermieter die Belegeinsicht verweigert, besteht kein Anspruch auf Nachzahlung. Die Klage wurde daher durch den BGH als derzeit unbegründet zurückgewiesen.
Hintergrund: Die Zurückweisung der Klage als „derzeit unzulässig“ ist nur ein halber Sieg für die Mieter, denn nach Gewährung der Einsicht in die Belege dürfte der Klage, wenn die Abrechnung zutrifft, stattzugeben sein. Der Kläger könnte die Forderung abermals geltend machen. Die für die Abrechnung aus 2013 eigentlich mit Ablauf des Jahres 2017 ablaufende Verjährung dürfte nicht entgegenstehen, da die Rechtsverfolgung die Verjährung gehemmt hat. Der Vermieter kann daher mit einer neuen Klage sein Glück versuchen. Auf den bisher angefallenen Prozesskosten, die bei drei Instanzen den Streitwert von 5.000 Euro weit übersteigen (8.715,36 Euro) wird er aber sitzen bleiben. Die Entscheidung ist ein interessantes Puzzlestück im Bereich der Einwendungen, die Mieter geltend machen können. Die Instanzgerichte begegnen pauschalen Einwendungen von Mietern erfahrungsgemäß skeptisch. Offenbar will man es Mietern nicht zu einfach machen, sich mit Schutzbehauptungen der Zahlungspflicht zu entziehen. Deshalb wird regelmäßig verlangt, dass die Mieter konkrete und nachvollziehbare Darlegungen machen. Wer beispielsweise geltend macht, dass die Wohnungsgröße falsch berechnet worden sei, wird damit regelmäßig keinen Erfolg haben. Erforderlich ist vielmehr, dass Mieter konkret darlegen, was an der Berechnung falsch ist oder eine Alternativberechnung präsentieren. Die Entscheidung des BGHs zur Einsichtnahme in Belege von anderen Wohnungen ist auch datenschutzrechtlich interessant, denn die Mieter der anderen Wohnungen werden wohl kaum zugestimmt haben, dass ein anderer Mieter Einsicht in ihre Verbräuche erhält. Um personenbezogene Daten nach dem Datenschutzrecht handelt es sich Zweifels ohne. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH sich mit diesem Thema auseinandersetzt (zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels) lagen die Urteilsgründe noch nicht vor. So oder so bleibt das Thema spannend, denn nach dem ab 25.05.2018 geltenden Datenschutzrecht (DSGVO und BDSG 2018) werden sich die datenschutzrechtlichen Fragen neu stellen und Vermieter müssen sich die Frage stellen, ob sie überhaupt berechtigt sind, die Verbrauchsdaten der anderen Mieter herauszugeben.
BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17
LG Darmstadt, Urteil vom 27.07.2017 – 6 S 213/16
AG Bensheim, Urteil vom 20.04.2016 – 6 C 867/15
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