Der Streit ist vorprogrammiert, wenn ein Testament Streichungen enthält, die den Inhalt des Testaments ändern. Über einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden. Im handschriftlichen Testament hieß es:
„Ich, XXX berufe zu meinen Erben
die Eheleute Frau AAA, Herrn BBB ersatzweise von dem Überlebenden den von Ihnen und für den Fall das beide vor mir verstorben sein sollten deren Tochter Frau CCC gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigten bei meinem Tode vorhanden sein werden.
Meiner angeheirateten Cosine Frau DDD vermache ich einen Betrag in Höhe von monatlich 500 € fünfhundert Euro bis an ihr Lebensende.
Meine sämtlichen Verwandten väterlich und mütterlicherseits schliesse ich von der Erfolge aus.“ [sic]
Der hier unterstrichen dargestellte Teil des Testaments wurde handschriftlich durchgestrichen. Im Verfahren um die Erteilung eines Erbscheins hatte das OLG Düsseldorf über die rechtliche Auswirkung der Streichung zu entscheiden. Das Gericht entschied, dass die Streichung nicht zwangsläufig die Änderung des Testaments bewirkt: Zwar spreche eine Vermutung dafür, dass die Streichung vom Erblasser herrühre (§ 2255 BGB). Diese Vermutung ist aber widerleglich. Zu prüfen ist nämlich, ob die Streichung den Willen erkennen lässt, dass die entsprechende Streichung in Widerrufsabsicht erfolgt ist. Es kann nämlich sein, so das OLG, dass der durch die Streichung nahegelegte Widerruf der Verfügung erst mit der Errichtung eines neuen Testaments gelten soll. So liege der Fall hier, denn die Streichung würde hier bewirken, dass keine gesetzlichen Erben mehr bedacht werden sollen. Das widersprach aber dem Willen des Erblassers, der sein Vermögen keineswegs dem Fiskus, sondern denjenigen Menschen zukommen lassen wollte, die ihm zu Lebzeiten zur Seite standen. Da die Streichung lediglich der Vorbereitung eines neuen Testaments diente, gelte das alte Testament ohne Streichung fort bis ein neues Testament errichtet worden ist. Dazu kommt es freilich nicht mehr, sodass das Testament gilt, und zwar so als ob die Streichungen nicht vorhanden wären.
Hintergrund: Die Entscheidung ist bemerkenswert, denn sie enthält die Aussage, dass die Streichung in einem Testament unbeachtlich ist. Im konkreten Fall erscheint dieses Ergebnis plausibel. Man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nicht bloß der Wille des Erblassers erforscht wurde, sondern dass die Nichtbeachtlichkeit der Streichung eher auf das Gezerre unter den Erben zurückzuführen ist. Dieses unschöne Gefühl ist wohl nicht zu vermeiden, denn Gerichte haben häufig mit unvollkommenen Verträgen und Äußerungen zu tun und müssen versuchen, daraus etwas Brauchbares zu machen. Interessant an der Entscheidung ist, dass darin die Anforderungen an die gesetzliche Vermutung nach § 2255 BGB näher beleuchtet werden. Wenngleich das durchaus noch ausführlicher hätte erfolgen können, kann aus der Entscheidung gelernt werden, dass Zeugenaussagen und eine Handvoll Indizien durchaus ausreichen können, um die Vermutung gemäß § 2255 BGB zu widerlegen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.09.2017 – I-3 Wx 63/16