Die Idee von der Parkscheibe mit selbstnachstellendem Uhrwerk ist nicht neu. In die Diskussion gelangen solche „Innovationen“ aber erst dann, wenn sie für den Massenmarkt angeboten werden. Die mitlaufende Parkscheibe ist mit einem Uhrwerk ausgestattet, welches die Scheibe automatisch mitlaufen lässt. Der Vorteil daran liegt auf der Hand: Fahrer müssen die Einstellung beim Parken nicht mühsam anhand der aktuellen Uhrzeit an der Parkuhr vornehmen, sondern die Parkscheibe steht bereits auf der aktuellen Uhrzeit und bei Beginn des Parkens wird das Uhrwerk einfach manuell ausgeschaltet. Dieser Komfort hat allerdings den Nachteil, dass, wenn das Ausschalten vergessen wird, die Scheibe weiterläuft und es an einer ordnungsgemäß ausgelegten Parkscheibe fehlt. Freilich ist dieser „Nachteil“ von einigen Benutzern bezweckt, um die Parkzeit zu verlängern.
Regelmäßig ist das Unrechtsbewusstsein bei Verwendern mitlaufender Parkscheiben schwach ausgeprägt. In der Tat erscheint es eher lustig, wenn man sich eine Politesse vorstellt, die minutenlang vor einem abgestellten Fahrzeug steht und auf die Parkuhr schaut, um festzustellen, ob sie sich bewegt. Anders kann die Beweissicherung kaum erfolgen, da eine anders eingestellte Parkscheibe – wenn die Ordnungshüter zwischenzeitig einmal das Fahrzeug verlassen – darauf zurückzuführen sein kann, dass der Fahrer zwischendurch am Auto war und die Scheibe weitergestellt hat. Dass mitlaufende Parkuhren nicht rechtens sind, leuchtet wohl jedem ein. Welche Konsequenzen damit im Einzelnen verbunden sind, ist aber den meisten nicht bewusst.
Mitlaufende Parkscheibe als Ordnungswidrigkeit
Wer auf einem Parkplatz an dem die Benutzung einer Parkscheibe vorgeschrieben ist, eine mitlaufende Parkscheibe benutzt, verstößt gegen § 13 Absatz 2 StVO. Danach ist das Parken nur für die angegebene Dauer erlaubt und wenn das Fahrzeug eine von außen gut lesbare Parkscheibe hat und der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt ist, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt (§ 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 StVO). Die Verwendung des Wortes „eingestellt“ impliziert, dass die Parkscheibe nicht weiterlaufen darf, sondern auf der eingestellten Uhrzeit stehenbleibt. Nach der Straßenverkehrsordnung hat die Parkscheibe dem „Bild 318“ zu entsprechen. Vorgaben dazu, ob die Uhrzeit manuell oder automatisiert einzustellen ist, finden sich in der StVO nicht. Das bedeutet, dass die mitlaufende Parkscheibe nicht per se unzulässig ist. Wer indessen die Parkscheibe während der Parkzeit weiterlaufen lässt, hat diese nicht „eingestellt“ im Sinne der StVO und verstößt damit gegen § 49 Absatz 1 Nummer 13 StVO. Die Vorschrift erfasst sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Begehungen. Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Fahrer das automatische Uhrwerk versehentlich auszustellen vergisst, eine Ordnungswidrigkeit verwirklicht worden ist.
Parkscheibe mit Uhrwerk als Straftat?
Der Umstand, dass mitlaufende Parkscheiben erlaubt sind und nur bei unterlassener Deaktivierung des Uhrwerks eine Ordnungswidrigkeit darstellen, sorgt bei Gesetzeshütern für Unmut. Denn Verwender von Parkscheiben mit Uhrwerk setzen sich owi-rechtlich einem geringen Risiko aus: wenn sie erwischt werden haben sie nur ein Bußgeld zu zahlen, das ebenfalls anfallen würde, wenn sie gar keine Parkscheibe benutzt hätten. Da liegt es nahe, die strafrechtliche Relevanz des Konzepts eingehender zu untersuchen: Nach der bisher wohl herrschenden Literatur und Rechtsprechung soll in der Verwendung einer mitlaufenden Parkscheibe kein Betrug (§ 263 StGB) zu sehen sein. Bei kritischer Betrachtung erscheint das aber keineswegs zwingend:
Täuschung über Tatsachen, Irrtum
Der Betrug setzt eine Täuschung über Tatsachen voraus, durch die ein Irrtum erregt wird. Das Laufenlassen der automatischen Parkscheibe begründet eine Täuschungshandlung, denn anders als die Parkscheibe es erwarten lässt, ist die Uhrzeit nicht „eingestellt“, sondern sie läuft mit. Die Täuschung ist dem Fahrer zuzurechnen, denn sie beruht auf der unterlassenen Deaktivierung des Uhrwerks. Durch die Täuschung wird ein Irrtum ausgelöst, wenn eine Politesse die Parkscheibe sieht und meint, dass es sich um eine ordnungsgemäß ausgelegte und eingestellte Parkscheibe handelt. Sofern die Ordnungshüter die Täuschung erkennen, bleibt das Verhalten als Versuch (§§ 22, 23 StGB) relevant, vorausgesetzt, dass die weiteren Voraussetzungen des Betrugs vorliegen.
Vermögensverfügung aber kein Vermögensschaden
Der bei der Politesse durch die Täuschung erregte Irrtum muss eine Vermögensverfügung bewirken. Darunter versteht man jedes unmittelbar zu einer Vermögensminderung führende Handeln, Dulden oder Unterlassen. Getäuschte Ordnungshüter dulden das Parken und sehen von der Verhängung eines Bußgeldes ab. Das geschieht täuschungsbedingt, denn eigentlich wäre ein Bußgeld fällig, da die Parkscheibe nicht ordnungsgemäß „eingestellt“ ist. Eine Vermögensverfügung ist durch die Nichtgeltendmachung des eigentlich fälligen Bußgeldes zu bejahen.
Durch die Vermögensverfügung muss ein Schaden eingetreten sein. Dieser ist durch einen Vergleich des Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung zu ermitteln. Besonders ist hier, dass die Politesse nicht über eigenes Vermögen „verfügt“, sondern über Vermögen des Staates, denn diesem wäre das Bußgeld zugeflossen. Im Ergebnis hindert dieser Umstand aber den Eintritt einer Vermögensminderung beim Staat nicht, denn die Politesse ist zweifellos dem Staat zuzurechnen und der Staat vereinnahmt ihm zustehendes Bußgeld nicht. Ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB ist aber nur dann anzuerkennen, wenn das Bußgeld als Vermögen anzusehen wäre. Bußgeld dient aber nicht der Staatsfinanzierung, sondern der Bestrafung und Abschreckung und unterfällt nicht dem Schutz von § 263 StGB. Die Verwendung einer mitlaufenden Parkscheibe ist nicht als Betrug strafbar, da es an einem Vermögensschaden fehlt.
Mitlaufende Parkscheibe auf Privatparkplatz
Bei privaten Parkplätzen auf Supermärkten ist die Parkzeit oft begrenzt und es wird das Auslegen von Parkscheiben in den Allgemeinen Parkplatzbedingungen vorgeschrieben. Hier liegt der Fall anders als bei öffentlichen Parkplätzen, denn eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 49, 13 StVO kommt auf privaten Parkplätzen nicht in Betracht, da diese Vorschriften nur für öffentlichen Parkraum gelten und nicht für privatwirtschaftlich betriebene Parkplätze. Parkscheiben mit Uhrwerk haben aber bei Privatparkplätzen dieselbe Täuschungswirkung wie auf öffentlichen Parkplätzen und anders als beim staatlichen Bußgeld dürfte das täuschungsbedingte Unterlassen der Geltendmachung der Vertragsstrafe als Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB anzusehen sein, denn es handelt sich um einen vertraglichen Anspruch, der nicht bloß der Bestrafung und Abschreckung dient. Ein Betrug im Sinne von § 263 StGB setzt aber vorsätzliches Verhalten voraus, sodass eine versehentlich unterlassene Deaktivierung des Uhrwerks zwar fahrlässig aber nicht vorsätzlich ist.
1 Gedanke zu „„Nie wieder Strafzettel“ – Parkscheibe mit Uhrwerk aus rechtlicher Sicht: Welche Risiken birgt eine mitlaufende Parkscheibe?“
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