Sowohl Gläubiger als auch Schuldner werden regelmäßig mit der Frage konfrontiert, ob auf Zinsen Umsatzsteuer zu berechnen oder zu zahlen ist. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen scheinen nur wenig Licht in die Sache zu bringen. Zwar regelt § 4 UStG eine ganze Reihe von Ausnahmen für umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Der 28 Nummern und über 100 Buchstaben und Doppelbuchstaben umfassende Paragraph ist aber so verschachtelt und verklausuliert formuliert, dass er nur schwer zu verstehen und anzuwenden ist.
Bei der Frage, ob Zinsen der Umsatzsteuer unterfallen, ist zunächst einmal zwischen verschiedenen Zinsarten zu unterscheiden, denn die Rechtsgrundlagen sind bei Darlehenszinsen anders als beispielsweise bei Verzugszinsen.
Zinsen als Schadensersatz
Die Erhebung der Umsatzsteuer knüpft grundsätzlich an einen entgeltlichen Leistungsaustausch an. Darunter fällt regelmäßig der Austausch von Dienst- oder Werkleistungen oder Waren gegen Entgelt (§ 1 Absatz 1 UStG). Schadensersatzleistungen erfüllen diese Voraussetzung hingegen nicht, denn bei diesen fehlt es an dem umsatzsteuerrechtlich relevanten Leistungsaustausch. Das gilt aber nur dann, wenn es sich tatsächlich um Schadensersatz handelt. Die Bezeichnung einer eigentlich als Leistungsaustausch zu bewertenden Transaktion als „Schadensersatz“ bewirkt hingegen keine Umsatzsteuerfreiheit. So genannter „echter“ Schadensersatz liegt vor, wenn der Schädiger einen Schaden beseitigt oder wenn der Schädiger eine Entschädigungszahlung leistet. Nach diesen Maßstäben fällt auf folgende Zinszahlungen keine Umsatzsteuer an, 1.3 Absatz 6, 10.1 Absatz 3 UStAE:
- Verzugszinsen (§§ 288, 291 BGB, § 353 HGB)
- Fälligkeitszinsen (§§ 288, 291 BGB, § 353 HGB)
- Prozesszinsen (§§ 288, 291 BGB, § 353 HGB)
- Nutzungszinsen (§ 642 Absatz 4 BGB)
- Zinsen bei Wechsel-Rückgriff (Art. 48 f. WG)
- Zinsen bei Scheck-Rückgriff (Art. 45 f. ScheckG)
Zinsen als Entgelt für eine Leistung
Von den als Schadensersatzzahlung zu qualifizierenden Zinsen sind solche Zinsen zu unterscheiden, die als Entgelt für eine Leistung angesehen werden können. Diese Leistung besteht bei Darlehen beispielsweise in der Verschaffung von Liquidität. Zinsen als Entgelt für eine Leistung unterliegen der Umsatzsteuerbefreiung nach Maßgabe von § 4 Nummer 8 Buchstabe a UStG. Das bedeutet, dass klassische Kreditzinsen grundsätzlich nicht umsatzsteuerpflichtig sind. Allerdings kann auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichtet werden (dazu unten mehr).
Bei einer Verbindung eines umsatzsteuerpflichten Geschäfts mit einem umsatzsteuerbefreiten Geschäft gilt die Steuerbefreiung allerdings nur dann, wenn die Geschäfte gesondert vereinbart worden sind, wenn in der Vereinbarung über die Kreditgewährung der Jahreszins angegeben wird und wenn die Entgelte für die beiden Leistungen (z. B. Warenlieferung und Kreditgewährung) getrennt abgerechnet werden. Eine nachträgliche Aufteilung eines Entgelts in ein Entgelt für die Lieferung und ein Entgelt für die Kreditgewährung ist nicht zulässig. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sind daher folgende Zinsen von der Umsatzsteuer befreit, 3.11 UStAE:
- Darlehenszins (Kreditgewährung als selbständige Leistung) – i.d.R. USt-frei
- Stundungszinsen (kraft vertraglicher Abrede) – i.d.R. USt-frei
- Zielzinsen (kraft vertraglicher Abrede) – i.d.R. USt-frei
- Kontokorrentzinsen (§ 355 HGB) – i.d.R. USt-frei
Verzicht auf Steuerbefreiung
Auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a UStG kann durch einen Unternehmer verzichtet werden, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (§ 9 UStG). Der Verzicht bedarf keiner gesonderten Erklärung gegenüber dem Finanzamt, sondern wird dadurch bewirkt, dass der Rechnung stellende Unternehmer eine Rechnung mit Umsatzsteuer stellt. Der Rechnungsempfänger hat dann die Zahlung nebst Umsatzsteuer zu begleichen und kann die gezahlte Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen. Für Grundstückgeschäfte gibt es wiederum besondere Regelungen. § 9 UStG sieht für den Verzicht kein Zustimmungserfordernis des Rechnungsempfängers vor, vielmehr wird dieser vor vollendete Tatsachen gestellt. Aufgrund des möglichen Vorsteuerabzugs ist der Verzicht in der Regel finanziell nicht nachteilig. Sofern der Vorsteuerabzug indessen nicht oder nicht in der in der notwendigen Höhe geltend gemacht werden kann, kann es passieren, dass der Rechnungsempfänger auf der Umsatzsteuer sitzen bleibt. Deswegen wäre zu prüfen, bereits bei Vertragsschluss eine Zusage zu erhalten, nach der der Darlehensgeber erklärt, den Verzicht nach § 9 UStG nicht auszuüben. Ja nach Vertragsinhalt kann es auch sein, dass ein solcher Verzicht auf den Verzicht Geschäftsgrundlage geworden ist (vgl. § 313 BGB) und dass sich der Rechnungsempfänger darauf eingestellt hat, Rechnungen ohne Umsatzsteuer zu erhalten. Bei laufenden Kreditverhältnissen kann diese Argumentation eine Grundlage für ein Nachverhandeln der Konditionen sein, wenn bisher die Zinsen ohne Umsatzsteuer zu entrichten waren und der Darlehensgeber plötzlich von § 9 UStG Gebrauch macht.
UStAE – Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01.10.2010, Stand 02.08.2017, BMF Bundesministerium für Finanzen (BStBl I S. 846)
Zur Frage, nach welchen Maßgaben Verzugszinsen auf Umsatzsteuer berechnet werden: Verzugszinsen auf Umsatzsteuer – wann Zinsen auf den Bruttobetrag mit USt oder den Nettobetrag anfallen