Mit dem Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben (BGBl. I 2017 Nr. 32, 01.06.2017, S. 1298) ist auch eine Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vorgenommen worden, in dem Absatz 2a von § 47 VwGO ersatzlos gestrichen worden ist. Diese mit Gesetz vom 21.12.2006 eingeführte Vorschrift beinhaltete eine Präklusionsregelung, denn ein Normenkontrollantrag war danach unzulässig, wenn der Antragsteller im Rahmen einer öffentlichen Auslegung oder im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit keine Einwendungen geltend gemacht hat, obwohl er das hätte tun können und wenn auf diese Folge aufmerksam gemacht worden ist.
„(2 a) Der Antrag einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan oder eine Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 oder § 35 Abs. 6 des Baugesetzbuchs zum Gegenstand hat, ist unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 des Baugesetzbuchs) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13 a Abs. 2 Nr. 1 des Baugesetzbuchs) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist.“
Der Wegfall dieser Vorschrift hat zur Folge, dass Normenkontrollanträge fortan auch dann gestellt werden können, wenn Einwendungen im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind. Freilich werden damit spezialgesetzliche Präklusionsvorschriften nicht obsolet.
Wie wirkt der Wegfall von § 47 Absatz 2a VwGO bei laufenden Verfahren?
In laufenden Verfahren stellt sich die Frage, ob der Wegfall von § 47 Absatz 2a VwGO zugleich zu einem Wegfall des Erfordernisses der Einwendungen führt, namentlich, ob ein zunächst unzulässiger Normenkontrollantrag, der ohne vorherige Einwendungen erhoben worden ist, durch den Wegfall der Vorschrift im laufenden Verfahren zulässig wird. Diese Frage dürfte zu bejahen sein, denn es handelt sich um eine prozessrechtliche Vorschrift, deren Zweck die Entlastung der Gerichte war. Kontroverse Gesichtspunkte sollten nicht erst vor Gericht, sondern bereits im vorher stattfindenden Planungsverfahren vorgebracht werden, was zugleich eine bessere Berücksichtigungsfähigkeit sicherstellen sollte. Der Wegfall der Vorschrift bewirkt, dass sämtliche Gesichtspunkte auch noch im Gerichtsverfahren vorgebracht werden können. Da es sich um eine auf die Entlastung der Gerichte und Zweckmäßigkeitserwägungen abzielende Bestimmung handelt, aus der kein materiell-rechtlicher Vertrauensschutz hergeleitet werden kann, haben die Gerichte das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Prozessrecht anzuwenden.
OVG Schleswig: Anwendung auf Altverfahren
Die hier vertretene Rechtsauffassung wurde vom OVG Schleswig-Holstein bestätigt: Auf Verfahren, die am 02.06.2017 bereits anhängig waren, findet § 47 Absatz 2a VwGO keine Anwendung (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.09.2018 – 1 KN 19/16).
Gesetz vom 29.05.2017 – Bundesgesetzblatt Teil I 2017 Nr. 32 01.06.2017, S. 1298