Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald hat den Bebauungsplan Nr. 33 „Holm“ der Gemeinde Born a. Darß vorläufig außer Vollzug gesetzt und damit dem Antrag des BUND entsprochen (§ 47 Absatz 6 VwGO). Die Entscheidung des OVG ist vorläufig und gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des noch anhängig zu machenden Normenkontrollverfahrens (OVG Greifswald, Beschluss vom 04.05.2017 – 3 KM 152/17). Nach § 47 Absatz 6 VwGO hat das Gericht die Möglichkeit, einstweilige Anordnungen zu treffen. Dadurch soll die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden. Ein solcher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist erfolgreich, wenn das OVG bei summarischer Überprüfung zu der Überzeugung gelangt, dass ein Normenkontrollverfahren voraussichtlich Erfolg haben wird. Diese Voraussetzungen bejahte das OVG Greifswald hier. Der verfahrensgegenständliche B-Plan berührt flächenmäßig weder den Nationalpark „Vorpommersche Boddenlandschaft“ noch ein Biosphärenreservat, er befindet sich aber vollständig im Landschaftsschutzgebiet „Boddenlandschaft“. Beide FFH-Vorprüfungen gelangten zu dem Ergebnis, dass der B-Plan nicht geeignet sei, maßgebliche Bestandteile, Erhaltungsziele und Schutzzwecke der geschützten Gebiete erheblich zu beeinträchtigen. Für das Bauen im Landschaftsschutzgebiet und im Hinblick auf betroffene Biotope lagen Naturschutzgenehmigungen nach §§ 30, 40 BNatSchG vor. Das OVG Greifswald gelangte zu der Überzeugung, dass die FFH-Vorprüfungen fehlerhaft sind und dass der B-Plan mit der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Boddenlandschaft“ unvereinbar ist.
Fehlerhafte FFH-Vorprüfung
Das Erfordernis einer FFH-Vorprüfung besteht auch dann, wenn die geschützten Bereiche räumlich nicht unmittelbar betroffen sind (§ 34 Absatz 1 BNatschG, § 1a Absatz 4 BauGB), wenn Vorhaben einzeln oder in ihrem Zusammenwirken geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Zu untersuchende Bereiche sind Natura 2000-Gebiete in Gestalt von FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten. Ob mit einer erheblichen Beeinträchtigung zu rechnen ist, ist in einer Vorprüfung zu untersuchen. Eine solche Vorprüfung hat sich mit der Frage zu befassen, ob die „Besorgnis nachteiliger Auswirkungen“ besteht. Wenn dies zu verneinen ist, kann auf eine FFH-Verträglichkeitsprüfung verzichtet werden. Die Anforderungen an die Vorprüfung wurden in Ansehung des gut 122 ha großen EU-Vogelschutzgebiets „Vorpommersche Boddenlandschaft und nördlicher Strelasund“ nicht eingehalten. Prüfungsmaßstab für die Beurteilung erheblicher Auswirkungen sind die für das Gebiet geltenden Erhaltungsziele, d. h. die Festlegungen zur Erhaltung und Wiederherstellung eines Erhaltungszustands von Lebensräumen und Arten nach Anhang I und II der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates).
Im Hinblick auf die Erhaltungsziele ist im Rahmen der Vorprüfung zu fragen, ob sicher ist, so das OVG, dass ein Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleibt. Das beinhaltet die Berücksichtigung des Umstands, dass sich Ökosysteme nach einer Störung wieder regenerieren und hat die Vermeidung langfristiger Qualitätseinbußen zum Ziel. Beeinträchtigungen von Erhaltungszielen – Lebensräume, Verbreitungsgebiete, Populationsgrößen – müssen daher „offensichtlich“ ausgeschlossen sein. Sofern dies nicht der Fall ist, bedarf es einer FFH-Verträglichkeitsprüfung.
Die durchgeführten FFH-Vorprüfungen werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Denn aus Sicht des Gerichts bleiben zahlreiche Aspekte darin unberücksichtigt. Unter anderem liege das Plangebiet in 115 Meter Entfernung zum Vogelschutzgebiet, die geschützte Rohrweihe habe aber eine Fluchtdistanz von 100 bis 300 Meter. Bereits das führe zu unmittelbaren und damit untersuchungsbedürftigen Beeinflussungen, die der Annahme, dass offensichtlich keine Beeinträchtigungen bestehen, entgegensteht. Außerdem sei unberücksichtigt geblieben, dass bei den geplanten Ferienhäusern Aktivitäten nach draußen verlegt werden, wodurch Beeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden können. Die Vorprüfungen waren außerdem teilweise unplausibel, etwa wenn argumentiert wird, dass Vorbelastungen durch Wanderer mit Hunden und Windsurfer gegen die Annahme von Beeinträchtigungen sprechen, aber andererseits zusätzliche Belastungen durch mehr Menschen nicht in Betracht gezogen werden.
Verstoß gegen LSG Verordnung
Weitere erhebliche Mängel erkannte das OVG Greifswald bei der Vereinbarkeit des B-Plans mit der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Die für Beeinträchtigungen erteilte Genehmigung (§ 5 Absatz 3 LSG VO) gehe ins Leere, da sich diese nur auf Vorhaben aber nicht auf Rechtsvorschriften beziehen könne. Bei dem B-Plan handelt es sich um eine Rechtsvorschrift bzw. ein Gesetz im materiellen Sinne. Deshalb sei die Genehmigung rechtlich auf etwas Unmögliches gerichtet und daher unbeachtlich. Gleiches gilt für eine Befreiung nach § 67 BNatSchG, die nicht für eine Rechtsvorschrift erteilt werden könne.
Wie geht es weiter?
Der BUND hat dem Vorhaben einen heftigen Schlag versetzt, denn gute Gründe sprechen dafür, dass hier eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Voraussichtlich ist dies bei der fehlerhaften FFH-Vorprüfung – anders als bei der unterlassenen Vorprüfung – im Laufe des Verfahrens nachholbar. Dass ein Normenkontrollverfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt, ist sehr unwahrscheinlich. Der Ball liegt also bei der Gemeinde. Sehr wahrscheinlich ist die Entscheidung der Todesstoß für das Vorhaben in Gestalt des jetzigen B-Plans, denn eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist voraussichtlich langwieriger als das durchzuführende Normenkontrollverfahren. Taktisch wird der BUND daher zeitnah den Antrag nach § 47 VwGO stellen, um einer Heilung zuvorzukommen. Zwar kann ein Gericht das Verfahren theoretisch aussetzen, um die Nachholung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zu ermöglichen. Praktisch sind die Gerichte damit aber sehr zurückhaltend, da dadurch die Geltung der Naurschutzvorschriften unterlaufen würde. Gelingt eine Heilung vor Ablauf des Normenkontrollverfahrens nicht, muss der B-Plan vollständig neu aufgestellt werden.
OVG Greifswald, Beschluss vom 04.05.2017 – 3 KM 152/17