keine Beleidigung
Sachverhalt: Das Bundesverfassungsgericht hatte über mehrere Verfassungsbeschwerden zu entscheiden, in denen Demonstranten geäußert hatten „Soldaten sind Mörder“ bzw. „Soldaten sind potenzielle Mörder“. Die Demonstranten wurden wegen Beleidigung verurteilt und wandten sich beim BVerfG gegen die Verurteilung. Mit Erfolg.
Entscheidend war für das BVerfG, dass die Bezeichnung „Soldaten“ eine nicht abgrenzbare und damit nicht beleidigungsfähige Gruppe von Personen betrifft. Dementsprechend sei es nicht möglich, diese Bezeichnung auf die Bundeswehr zu beziehen. Im Kontext mit dem seinerzeit kontrovers diskutierten Thema ließ das Gericht aber keinen Zweifel daran, dass die Bezeichnung erheblich ehrkränkend ist.
Hintergrund: Die Entscheidung gilt in der Rechtsprechung als Meilenstein für die Anforderungen an eine Kollektivbeleidigung. Das BVerfG hat klargestellt, dass Äußerungen in Bezug auf Merkmale oder Tätigkeiten einer Gruppe, denen jemand angehört oder in denen jemand tätig ist, ehrmindernd für deren Mitglieder sein können. Ob die Mitglieder einer Gruppe oder Institution in ihrer Ehre verletzt werden, wenn eine Sammelbezeichnung verwendet wird, muss im Einzelfall geprüft werden. Dazu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Abgrenzbare und überschaubare Gruppe /
- Herabsetzende Äußerung muss an ein Merkmal anknüpfen, das bei allen Angehörigen des Kollektivs vorliegt
Bei unüberschaubar großen Gruppen schlagen herabsetzende Äußerungen nicht auf die Ehre der Gruppenangehörigen durch, Beispiel: Christen, Katholiken, Frauen. Die Bezeichnung „Soldaten“ stellt daher regelmäßig keine hinreichend abgrenzbare Gruppe dar und ist dementsprechend nicht beleidigungsfähig.
BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476 u.a.