Die Rechtsprechung zu der Äußerung, ein Richter betreibe „Rechtsbeugung“ ist nicht einheitlich. Die Trennlinie verläuft bei der Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenäußerung, wobei die Äußerung in der Regel dann unzulässig ist, wenn sie im Kontext als Tatsachenbehauptung interpretiert wird. Bei rechtlichen Äußerung ohne konkrete Auseinandersetzung mit Tatbestandsmerkmalen einer Norm tendiert die Rechtsprechung zu der Annahme, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03). Die Besonderheit beim Vorwurf der Rechtsbeugung ist, dass dieser oft von Juristen, zumeist von unzufriedenen Rechtsanwälten, erhoben wird. Das verleiht dem Vorwurf ein höheres Gewicht.
“Rechtsbeugung” als Meinungsäußerung, keine Formalbeleidigung, wenn im Rahmen einer Urteilskritik, wohl aber Schmähkritik: Rechtsbeugung: BVerfG Beschluss vom 20.05.1999 – 1 BvR 1294/96.
“Rechtsbeugung” als Meinungsäußerung, keine unzulässige Schmähkritik: Rechtsbeugung: BayObLG, Beschl. v. 13.07.2001 – 1St RR 75/01.
“Rechtsbeugung” als beleidigende Tatsachenbehauptung: Rechtsbeugung: BGH, Urt. v. 17.10.2000 – 2 Ars 251/00.
Worin sich die Entscheidung des BGH von der des BVerfG unterscheidet, ist nicht einfach zu erklären. Anders als vom BayObLG ausgeführt, kann es nicht darauf ankommen, dass der Vorwurf in einem Flugblatt verbreitet worden ist, denn maßgeblich ist nicht der Verbreitungsweg, sondern der Erklärungsinhalt. Ebenso wenig kann es – anders als das BayObLG ausführt – auch nicht darauf ankommen, dass der Anwalt den Vorwurf eines Verbrechens gemacht hat. Der vom BGH entschiedene Fall unterscheidet sich von den beiden anderen Fällen vielmehr durch eine Abwesenheit von Elementen der Würdigung. Der verurteilte Rechtsanwalt stellt apodiktisch fest, dass sich die Richter einer Rechtsbeugung strafbar gemacht hätten, noch dazu unter Zitierung der Strafnormen. Das rückt die Erklärung deutlich in Richtung Tatsachenäußerung, denn der Anwalt gibt zu erkennen, dass das Behauptete tatsächlich zutrifft. Im Vergleich dazu sind im Fall des BayObLG durchaus Elemente der Würdigung zu finden, beispielsweise, dass der dortige Angeklagte erklärt hat, dass es sich „eigentlich“ um eine Rechtsbeugung handele. Das gibt zu erkennen, dass dies nach seiner Rechtsauffassung so sei.