Ein Anspruch auf Fortzahlung von BAföG bei einem Wechsel der Fachrichtung nach Beginn des 4. Fachsemesters besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Hochschule bisherige Ausbildungszeiten angerechnet hat. Die fehlende Anrechnung durch die Hochschule kann später nicht durch das Förderamt oder das Gericht ersetzt werden.
Bei fehlender Anrechnung zählt nur unabweisbarer Grund
Ist eine Anrechnung durch die Hochschule nicht erfolgt, kommt eine Fortzahlung von BAföG nur dann in Betracht, wenn der Studierende die Fachrichtung aus einem unabweisbaren Grund gewechselt hat. Dieses Urteil fällte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 06.02.2020 (5 C 10.18).
Wechsel der Fachrichtung nach Beginn des 4. Fachsemesters
Geklagte hatte eine Studentin, die nach Beginn des 4. Fachsemesters im Rahmen ihres Lehramtstudiums ihre Fächerkombination änderte und von katholischer Theologie zu Germanistik wechselte.
Kein BAföG nach Wechsel
Bis zum Wechsel erhielt die Studentin BAföG, ab dem 4. Fachsemester jedoch stellte das Förderamt wegen des Fachrichtungswechsels die BAföG-Zahlungen ein. Eine Anrechnung der bisherigen Studienzeiten erfolgte durch die Hochschule nicht.
Klage vor dem VG und OVG
Die Studentin erhob Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, ohne Erfolg. Vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) bekam die Studentin jedoch Recht. Nach Auffassung des OVG waren die Voraussetzungen für eine Anrechnung gegeben.
Anrechnung der Studienzeiten durch das OVG
Aus diesem Grund nahm das OVG selbst eine Anrechnung der bisherigen Studienzeiten vor und verpflichtete die Beklagte, die Studentin auch ab dem Fachrichtungswechsel BAföG zu gewähren. Die Beklagte legte Revision beim BVerwG ein.
Entscheidung des BVerwG
Nach dem Urteil des BVerwG durfte das OVG die Anrechnung der Studienzeiten nicht vornehmen. Der eindeutige Wortlaut des § 7 Absatz 3 Satz 5 BAföG sieht eine Anrechnung von Semestern nur durch die Ausbildungsstätte vor, also durch die hierfür zuständige Stelle der Hochschule, so das BVerwG.
Anrechnung nur durch Hochschule möglich
Aus diesem Grund kann eine fehlende Anrechnung nicht durch das Gericht oder das Förderamt ersetzt werden. Hierauf weist das BVerwG hin.
Urteil des OVG rechtsfehlerhaft
Das Urteil des OVG war daher rechtsfehlerhaft. Es wurde vom BVerwG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen.
Anspruch auf Fortzahlung nur noch bei unabweisbarem Grund für Wechsel
Nun kommt es darauf an, ob trotz des Fachrichtungswechsels nach Beginn des 4. Fachsemesters ein Anspruch auf Fortzahlung von BAföG besteht. Dies ist der Fall, wenn der Wechsel der Fachrichtung nach Beginn des 4. Fachsemesters aus einem unabweisbaren Grund erfolgt ist, § 7 Absatz 3 Satz 1 BAföG.
Geänderte religiöse Überzeugung
Nach dem Urteil des BVerwG kann ein solcher unabweisbarer Grund vorliegen, wenn „das bisherige Studium auf einen Beruf in einem kirchen- und verkündungsnahen Bereich abzielt, dessen künftige Ausübung wegen einer geänderten religiösen Überzeugung unmöglich oder mit Blick auf die negative Glaubensfreiheit unzumutbar geworden ist“. Solche Gründe hatte die Studentin in Bezug auf die bisherige Fachrichtung katholische Theologie bereits angegeben.
OVG muss neu entscheiden
Da das OVG selbst eine Anrechnung vorgenommen hatte, kam es nach Auffassung des OVG auf einen unabweisbaren Grund gar nicht an. Dies ist wegen des Urteils des BVerwG nun anders. Das OVG muss jetzt prüfen, ob ein solcher unabweisbarer Grund für den Fachrichtungswechsel der Studentin vorgelegen hat. Dann besteht ein Anspruch auf Fortzahlung von BAföG, anderenfalls nicht.
BVerwG, Urteil vom 06.02.2020 – BVerwG 5 C 10.18