BVerfG erklärt Zweitwohnungssteuer für verfassungswidrig (Beschl. v. 24.10.2019 – 1 BvR 807/12)

Gemeinden haben nur wenig Spielraum bei der Erhebung von Steuern. Kein Wunder also, dass sie von den wenigen Möglichkeiten Gebrauch machen, die ihnen die Finanzverfassung und die Gesetze bieten.

Luxussteuern

Raum für Steuern besteht bei Gemeinden im Bereich so genannter Luxussteuern. Darunter versteht man Abgaben, die an Umstände anknüpfen, welche für einen besonders luxuriösen Lebensstil der Verpflichteten sprechen. Bei Menschen, die eine Zweitwohnung unterhalten, wird dies regelmäßig ebenso bejaht wie bei Hundehaltern.

Was bei Hundehaltern noch einleuchten mag, ist bei Zweitwohnungen kaum verständlich. Denn meistens ist eine Zweitwohnung kein Luxus, sondern eine teure Notwendigkeit, auf die viele lieber verzichten würden. Diese Bedenken überzeugen aber weder die Gemeinden, die die Steuer erheben, noch die Verwaltungsgerichte, die immer wieder auf die irrwitzige Argumentation abstellen.

Für viele Studenten und auswärts Berufstätige stellt die „Luxus“-Steuer eine zusätzliche Belastung dar. Ein Lichtblick gibt es nun vom Bundesverfassungsgericht.

Zweitwohnungssteuer rechtswidrig

Das BVerfG hat die Zweitwohnungssteuer der Gemeinden Markt Oberstdorf und Sonthofen für verfassungswidrig erklärt. Die Gemeinden seien zwar zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer berechtigt, so die Karlsruher Richter, allerdings verstoße die konkrete Ausgestaltung gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG.

Veraltete Einheitswerte

Sowohl in der Gemeinde Oberstdorf als auch in der Gemeinde Sonthofen ist die Zweitwohnungssteuer anhand der Werte der Einheitsbewertung von Grundstücken zu bemessen. Diese basiert auf Wertverhältnissen aus dem Jahr 1964, welche anhand des Verbraucherpreisindex hochgerechnet werden. Durch das Alter der Bemessungsgrundlage entstehen Wertverzerrungen, die den Anforderungen des verfassungsrechtlich gewährten Gleichheitssatzes nicht gerecht werden. Die Wertverzerrungen können nach Auffassung des BVerfG nicht durch eine Preisanpassung nach dem VPI ausgeglichen werden.

Die Argumentation des Gerichts liegt auf derselben Linie wie die zur Grundsteuer ergangene Entscheidung. Aufgrund der völlig veralteten Bemessungsgrundlage hatte das Gericht bereits die Grundsteuer kassiert und den Gesetzgeber zur Nachbesserung aufgefordert (BVerfG, Urt. v. 10.04.2018 – 1 BvL 11/14 u.a.).

Zweitwohnungssteuerbescheide rechtswidrig

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zwar keine unmittelbare Auswirkung auf die Rechtslage in anderen Gemeinden. Die Entscheidung ist aber durchaus übertragbar, sofern in anderen Gemeinden eine gleichartige Bemessung zugrunde zu legen ist.

Sofern das der Fall ist, sind die dort erlassenen Steuerbescheide für die Zweitwohnungssteuer rechtswidrig. Das bedeutet aber nicht, dass die Zweitwohnungssteuer damit automatisch hinfällig wird. Wer die Rechtmäßigkeit der Bescheide anzweifelt, muss fristgerecht Widerspruch gegen den Steuerbescheid erheben.

Alternative: ortsübliche Vergleichsmiete

Angesichts der wegfallenden Einnahmequelle ist zu erwarten, dass die betroffenen Gemeinden schnell nachbessern. Das dürfte ganz einfach durch eine Anknüpfung an die ortsübliche Vergleichsmiete möglich sein. Hierdurch vermeiden Gemeinden die Bezugnahme auf veraltete Werte. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt dann nicht mehr vor.

Zweitwohnungssteuer-Schuldner müssen daher auch weiterhin mit der Belastung leben.

BVerfG, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13

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