Eine Frau kann ihre Eizelle, die mit dem Samen des zwischenzeitig verstorbenen Partners befruchtet ist, nicht herausverlangen. So hat es das Landgericht Darmstadt entschieden (8 O 166/18).
Die 1979 geborene Klägerin wollte trotz des Todes ihres Partners ihren Kinderwunsch erfüllen und verlangte von der Geburtshilfepraxis die Herausgabe der befruchteten Eizelle zum Zwecke der weiteren Behandlung (Einpflanzung).
In dem mit der Praxis geschlossenen Vertrag war bestimmt, dass das Material im Falle des Todes eines Spenders zu vernichten ist.
„Verstirbt einer der Auftraggeber, ist [der Beklagte] … zur umgehenden Verwerfung der kryokonservierten imprägnierten Eizellen berechtigt und verpflichtet. Zwischen den Vertragspartnern besteht Einvernehmen, dass die kryokonservierten Eizellen im Vorkernstadium nach dem Tod eines Auftraggebers nicht an den überlebenden Auftraggeber herausgegeben werden dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn [dem Beklagten] eine anderslautende Weisung vorliegen sollte.“
§ 12 Nummer 4 des Vertrags
Im Zuge der Behandlung sind insgesamt drei befruchtete Eizellen hergestellt worden. Zwei mal scheiterte die Einpflanzung. Unterdessen verstarb der Partner der Klägerin. Die Klägerin wollte nun mit der verbleibenden dritten Eizelle einen letzten Versuch der Einpflanzung unternehmen. Die Praxis verweigerte unter Hinweis auf den Vertrag und die Rechtslage die Herausgabe der befruchteten Eizelle.
Die Klägerin brachte vor, dass ein gemeinsames Kind der sehnlichste Wunsch des Verstorbenen gewesen sei. Der vom Beklagten gestellte Vertrag sei nicht bindend, denn die Zerstörung der Eizelle entspreche nicht dem Willen des Verstorbenen. Das gesetzliche Verbot, dass Verstorbene keine Kinder „zeugen“ dürften, greife hier nicht, da die Befruchtung noch zu Lebzeiten stattgefunden habe (vgl. § 4 Absatz 1 Nummer 3 ESchG).
Das Landgericht Darmstadt urteilte, dass die Klägerin nicht alleinige Eigentümerin der befruchteten Eizelle ist. Vielmehr können nur beide Spender gemeinsam die Herausgabe verlangen. Ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB sei daher nicht begründet und ergebe sich auch nicht aus dem geschlossenen Vertrag.
Vernichtungsklausel wirksam
Nach Auffassung des Gerichts ist die Vernichtungsklausel im Vertrag nicht zu beanstanden. Die Klausel sei klar und verständlich. Sie weise keine Widersprüche auf und führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Auftraggeber. Auch spiele es keine Rolle, dass die Klausel nicht zwischen Eizellen- und Samenspendern unterscheide.
Imprägnierte Eizelle ist Eigentum
Eine befruchtete Eizelle, bei der die Verschmelzung der Erbinformationen noch nicht stattgefunden hat, genießt nicht die beschränkte Rechtfähigkeit des Embryos. Vielmehr ist auf solche „imprägnierte“ Eizellen das Sachenrecht anzuwenden. Sie gehören daher demjenigen, von dem sie stammen.
Miteigentum beider Spender
Analog § 947 BGB steht eine imprägnierte Eizelle daher im Miteigentum beider Spender, ohne dass die Eizelle als „Hauptsache“ im Sinne von § 947 Absatz 2 BGB anzusehen ist. Das bedeutet, dass nur Frau und Mann gemeinsam die Herausgabe verlangen können.
Herausgabeanspruch nicht vererbbar
Normalerweise sind Herausgabeansprüche vererbbar gemäß § 1922 Absatz 1 BGB. Das gilt aber nicht für höchstpersönliche Ansprüche. Bei dem Anspruch auf Herausgabe der imprägnierten Eizelle handelt es sich nicht um einen vermögensrechtlichen Anspruch, sondern um einen höchstpersönlichen Anspruch, der nicht vererbbar ist, sondern nur vom Spender selbst geltend gemacht werden kann. Demensprechend sei der Herausgabeanspruch nicht vererblich.
Kein Kind eines Toten
Bei der Entscheidung fiel ins Gewicht, dass der Gesetzgeber vermeiden möchte, dass Kinder mittels Reproduktionsmedizin von Verstorbenen erzeugt werden. Diese Wertung komme auch dann zum tragen, wenn das gesetzliche Verbot gemäß § 4 ESchG, wie hier, nicht einschlägig ist.
LG Darmstadt, Urt. v. 28.08.2019 – 8 O 166/18
Im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.06.2017 – 14 U 165/15
Eine andere Auffassung vertrat das OLG Rostock (Urteil vom 07.05.2010 – 7 U 67/09; Vorinstanz: LG Neubrandenburg, Urteil vom 12.08.2009 – 2 O 111/09).